Übersichtsarbeiten - OUP 06/2021

Anwendung von Ceracell Foam bei lumbalen Spondylodesen

In unserer Forschungsgruppe wurde bereits ?-TCP als Cerasorb Foam in einer Anwendungsstudie hinsichtlich der Fusionsfähigkeit untersucht. Das Cerasorb Foam ist eine reine ?-Tricalciumphosphat-Keramik [5]. Die Ergebnisse zeigten postoperativ eine zuverlässige lumbale Spondylodese.

Das Ceracell Foam stellt eine Weiterentwicklung hierzu dar [3] und besteht zusätzlich aus einem Silikat-Anteil (4 %). Der Foam ist intraoperativ leicht modulierbar. Bisher lassen sich keine klinischen Anwendungsstudien finden. Ziel dieser Arbeit ist die Vorstellung der Ergebnisse mit diesem Material.

Patienten und Methoden

In der vorliegenden retrospektiven, nichtinvasiven, offenen, monozentrischen Studie wurden insgesamt 60 Patienten innerhalb von November 2016 bis Juni 2019 eingeschlossen und ausgewertet. Ein positives Ethikkommissionsvotum der Medizinischen Hochschule Hannover für die Studie liegt vor (Nr. 8864_BO_K_2020). Alle Patienten gaben nach ausführlicher schriftlicher Aufklärung ihr Einverständnis zur Teilnahme. 36 Personen waren weiblich (60 %) und 24 männlich (40 %). Das Durchschnittsalter bei der Operation betrug 58 Jahre (12–87 Jahre). Bei keinem Patienten war eine Autoimmunerkrankung oder eine Kalziumstoffwechselstörung bekannt. Einschlusskriterien waren resistente Beschwerden bei degenerativer und/oder instabilitätsbedingter Erkrankungen der LWS mit Indikation zur Durchführung einer Spondylodese nach ausgeschöpfter konservativer Therapie. Bei 53 Patienten (88 %) erfolgte eine transforaminale lumbale interkorporelle Fusion (TLIF). Die detaillierten Diagnosen und entsprechend durchgeführten operativen Versorgungen sind in den Tabellen 1–4 aufgeführt. 96 Segmente wurden in der vorliegenden Studie insgesamt operativ behandelt. Am häufigsten erfolgte die Operation in der unteren LWS in einem Segment (40 Patienten, 67 %). Alle Patienten wurden von einem Operateur versorgt.

Operation

Die primären Spondylodesen der LWS wurden von dorsal als TLIF bei 53 oder als PLF (posteriore lumbale Fusion) bei 5 Patienten durchgeführt.

Bei einer gleichzeitig vorliegenden Spinalkanalstenose wurden die komprimierten neuralen Strukturen je nach Ausprägung mittels Hemilaminektomie, Laminektomie oder interlaminärer Fensterung entlastet. Drei verschiedene Pedikelschrauben-Stab-Systeme wurden verwandt (XIA, Stryker GmbH & Co. KG, Duisburg; Solera, Medtronic GmbH, Meerbusch; icotec Pedicle System Made, WIT House GmbH, Seelze), bei Versorgung mittels TLIF erfolgte die intervertebrale Platzierung eines PEEK-Cages (Poly-Ether-Ether-Keton) (Crescent, Medtronic GmbH, Meerbusch; icotec Lumbar Cage, WIT House GmbH, Seelze). Eine Entknorpelung der jeweiligen Facettengelenke der adressierten Segmente und eine Anfrischung der Kortikalis der Querfortsätze wurden durchgeführt. Das bei der Dekompression gewonnene Knochenmaterial wurde vom Weichteilgewebe befreit und für die geplante Spondylodese zerkleinert. Das als Knochenersatzstoff additiv benutzte Ceracell Foam (curasan AG, Kleinostheim) wurde in Streifen geschnitten und mit dem vorbereiteten autologen Knochenmaterial vermischt. Zusätzlich erfolgte die Zugabe von lokalem Blut, welches aspiriert worden ist. Das Ceracell Foam ist hochporös und besteht aus ?-TCP und, im Gegensatz zum Cerasorb Foam, einem Silikat- Anteil von 4 %. Das Gemisch aus autologem Knochen, streifenförmig zerschnittenem Ceracell und Blut wurde zur Sicherung der Fusion posterolateral an die Querfortsätze angelagert. Bei einer TLIF erfolgte zudem die interkorporelle Einbringung nach Anfrischung der Endplatten. Bei einem Patienten wurde die Zugabe von allogenem Knochenmaterial bei zu geringer Menge von autologem Knochen notwendig. Die intraoperative Anwendung von Ceracell Foam wird in den Abbildungen 1–6 dargestellt.

Radiologische Auswertung

Die radiologischen Kontrollen erfolgten vorrangig mittels Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen (anterior-posterior/ a.p. und seitlich). Magnetresonanz- und Computertomografien lagen nur vereinzelt vor und wurden für die Studie nicht ausgewertet. Die radiologischen Bildgebungen erfolgten routinemäßig zu 3 Zeitpunkten: direkt postoperativ, sowie nach 3 und 12 Monaten. Rein deskriptiv wurde eine Beurteilung der dorsalen Spondylodesestrecke bezüglich einer ersichtlichen posterolateralen Knochenneubildung in 5 Abstufungen (vollständig; ausgeprägt; mittel; leicht; keine) sowie der Resorption des eingebrachten Ceracells in 3 Ausprägungen (vollständig; teilweise; keine) in der vorliegenden a.p.-Bildgebung bei den Kontrollterminen nach 3 und 12 Monaten vorgenommen. Die Bewertung des Umbaus des Ceracell Foams ist möglich, da postoperativ seine Keramikanteile radiologisch echogen noch deutlich erkennbar sind. Im zeitlichen Verlauf werden diese aufgrund des osteokonduktiven Effektes durch den Abbau und die gleichzeitig erfolgte Resorption in der radiologischen Betrachtung weniger sichtbar.

Ergebnisse

Eine direkt postoperative radiologische Beurteilung war bei allen Patienten möglich (100 %). Nach 3 Monaten konnten noch 28 Patienten (46,7 %) postoperativ bewertet werden, nach 12 Monaten lagen 20 Patientendaten (33,3 %) vor.

Komplikationen

Insgesamt wurden bei 8 Patienten im postoperativen Verlauf Komplikationen (13,3 %) gezählt. Intraoperativ traten bei keinem Patienten Probleme auf.

Bei 3 Patienten offenbarte sich eine Frühdislokation der eingebrachten Implantate, bei 2 Patienten den Cage und bei dem 3. Patient die Schrauben- und Cage-Lage betreffend, mit jeweils anschließender operativer Revision und Neuplatzierung im Rahmen desselben stationären Aufenthalts (5 %). Anschließend war die klinische Symptomatik jeweils deutlich verbessert. Bei einem weiteren Patienten erfolgte eine Wundrevision bei Infekt im frühen postoperativen Verlauf (1,7 %). Spätdislokationen nach 12 Monaten wurden bei 2 Patienten (3,3 %) gezählt. Des Weiteren wurde eine Cage-Fehllage, welche bei fehlendem OP-Wunsch des Patienten nicht revidiert wurde, und ein Cutting-Out der kranialen Pedikelschraube bei Osteoporose mit operativer Versorgung mittels Entfernung der betroffenen Schraube und Instrumentierung über diesem Segment erkannt. Bei je einem Bandscheibenvorfall (1,7 %) und einer restlichen Spinalkanalstenose (1,7 %) mit klinischer Ischialgie erfolgte ein weiterer operativer Eingriff ein Segment höher bzw. im Bereich des gleichen instrumentierten Segmentes im postoperativen Verlauf mit anschließender Rückbildung der neurologischen Symptome. Bei den durchgeführten Revisionen bei Infekt und Spätdislokation präsentierte sich die Fusion intraoperativ fest. Insgesamt wurden 7 Revisionseingriffe notwendig (11,7 %).

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