Originalarbeiten - OUP 04/2013

Aquacel Ag Surgical
Erste Erfahrungen bei der Anwendung eines neuen Wundverbands in der Endoprothetik First experiences with a new adhesive dressing in total hip arthroplasty

Im Operationssaal werden die Wunde und ihre Umgebung gereinigt. Die Wunde wird desinfiziert und die Umgebung getrocknet. Danach wird das Pflaster aufgebracht und kurze Zeit mit der warmen Hand angedrückt. Der erste Verbandswechsel erfolgt erst beim Fadenzug am 11. postoperativen Tag. Es darf mit dem Pflaster geduscht werden. Frühzeitiger Wechsel ist erforderlich bei starker Sekretion, V.a. entzündliche Reaktion, ungewöhnlichen Schmerzen und CRP-Anstieg unklarer Ursache.

Erfahrungsbericht und
Ergebnisse

Die Einführung des neuen Wundverbandes bedeutet eine Umstellung für alle an der Behandlung Beteiligten. Zu Anfang mussten etliche Verbände frühzeitig gewechselt werden. Ursachen für frühzeitigen Wechsel waren zum Beispiel stark sezernierende Wunden, die besonders bei adipösen Patienten auftraten. Einmal wurde vergessen, die Redondrainage zu öffnen.

Anfangs wurde im OP der Verband gelegentlich nicht sorgfältig genug wie oben beschrieben aufgebracht, wodurch er nicht gut haftete. Die Redondrainage wurde zu nahe an der Wunde ausgeleitet und der Verband der Redondrainage auf den Aquacel Verband aufgeklebt, sodass dieser bei der Redonentfernung mit entfernt werden musste. Bei äußerst unruhigen Patienten kann es ebenfalls vorkommen, dass sich der Verband löst. Auf einer Station wurde aus Unwissenheit ein Duschpflaster über den Aquacel Verband geklebt, sodass nach dem Duschen beide Pflaster gemeinsam entfernt wurden. Es passierte auch, dass aus Routine der Verband nach wenigen Tagen schon gewechselt wurde.

Zu Beginn der Anwendung mussten aus oben genannten Gründen 30 % der Verbände frühzeitig gewechselt werden. Inzwischen hat es sich auf 5 % eingependelt. Bei der Kalkulation der durch den neuen Verband entstehenden Kosten konnte berechnet werden, dass diese durch Materialeinsparung der herkömmlichen Verbände ausgeglichen werden.

Auffallend war, dass bei der Entfernung des Wundverbands am 11. postoperativen Tag die Wunden vollkommen sauber waren (s. Abbildung 2). Es fanden sich keine Verkrustungen, die das Entfernen von Fäden oder Klammern erschweren. Der Verband war an einigen Stellen gelartig aufgequollen aber trocken. Das Entfernen der Verbände war immer schmerzfrei, auch auf behaarter Haut. Die Epithelialisierung schien im Vergleich zu herkömmlichen Verbänden weiter fortgeschritten. Es wurden keine Wundinfekte gesehen.

Diskussion

Der Aquacel Ag Surgical Wundverband ist gewöhnungsbedürftig, weil man sich die Wunde nicht ansehen kann. Das Sekret erscheint von außen als schwarzer Fleck. Allerdings ist die Aufnahmekapazität beschränkt, sodass er sich nicht für erwartungsgemäß stark sezernierende Wunden eignet.

Für den Patienten ist der Verband angenehm, da schmerzhafte Verbandswechsel unterbleiben. Es treten keine Spannungsblasen und Hautirritationen auf, die den Heilverlauf stören. Der Tragekomfort ist hoch, da sich der Verband mitbewegt ohne dabei zu scheuern und Duschen erlaubt ist. Dadurch wird das Pflegepersonal deutlich entlastet. Allerdings erfährt der Patient auch etwas weniger Zuwendung, da die Verbandswechsel entfallen. Bei der Einführung des neuen Wundverbandes ist auf eine gute Schulung aller betroffenen Mitarbeiter im OP und auf den Stationen zu achten, um die unnötigen oben aufgeführten Anfängerfehler zu vermeiden.

Die Senkung der Infektrate von 1,8 % bei Mullverbänden auf 0,4 % mit dem Aquacel Ag Surgical konnte das Riddle Memorial Hospital, Philadelphia auf dem Musculoskeletal Infection Society Meeting 2012 in San Antonio in einer Studie mit 1892 Patienten vorstellen. Eine Studiengruppe des Royal Oldham Hospitals [16] konnte eine deutliche Reduktion der perioperativen Blasenbildung mit dem Aquacel ohne Silber an 200 Patienten nachweisen, wie auch weitere Studien mit Aquacel Ag Surgical im Vergleich zu Varihesive Extra Dünn [17]und Mepore [7].

Im OrthoCarolina Hip and Knee Center in Charlotte, NC, wird derzeit von
Bryan D. Springer und James Kudrna eine prospektiv randomisierte Studie durchgeführt, die den neuen Wundverband mit der Standardversorgung vergleicht. Sie beschäftigt sich mit der Auswertung der Komplikationsraten, Blasenbildung, Infekten, Kosten sowie Zufriedenheit bei Patienten und Personal. Die Ergebnisse wurden noch nicht veröffentlicht.

Schlussfolgerung

Der Aquacel Ag Surgical Wundverband scheint sich zu bewähren. Die Wunden scheinen bei reduzierter Infektgefahr besser zu heilen. Allerdings ist bei der Anwendung auf eine korrekte Indikationsstellung und Handhabung zu achten. Er gewährt einen hohen Tragekomfort und entlastet die Pflege. Der geringere Materialverbrauch und die Einsparung von Personalressourcen können die höheren Kosten für den neuen Wundverband ausgleichen. Weitere Anwendungsbeobachtungen sind notwendig, um die Aussagen zu untermauern.

Korrespondenzadresse

Dr. Sabine Mai

Vitos Orthopädische Klinik Kassel gGmbH

Wilhelmshöher Allee 345, 34117 Kassel

sabine.mai@vitos-okk.de

Literatur

1. Bongartz T, Halligan CS, Osmon DR, et al. Incidence and risk factors of prosthetic joint infection after total hip or knee replacement in patients with rheumatoid arthritis. Arthritis & Rheumatism. 2008; 59: 1713–1720

2. Chukler Jm, Star AM, Alavi A, Noto RB. Diagnosis and management of the infected total joint arthroplasty. Orthopaedic Clinics of North America. 1991; 22: 523–530

3. Garvin KL, Cordero GX. Infected total knee arthroplasty: diagnosis and treatment. Instructional Course Lectures. 2008; 57: 305–315

4. Garvin KL, Hanssen AD. Infection after total hip arthroplasty. Past, present and future. Journal of Bone & Joint Surgery – American Volume. 1995; 77: 1576–1588

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