Übersichtsarbeiten - OUP 05/2021

Aspekte der perioperativen Schmerztherapie für Orthopädie und Unfallchirurgie?

Kleinere Kinder können ihre Schmerzintensität anhand der Faces-Pain-Skale revised einstufen. Smiley-Skalen eigenen sich nicht, da sie eher Emotionen abfragen und keine validen Aussagen machen. Die Häufigkeit der Erfassung sollte an den Schmerzverlauf und der durchgeführten Interventionen angepasst werden, aber in der frühen Phase nach der Operation nicht weniger als dreimal täglich durchgeführt werden. Die sorgfältige tägliche Schmerzdokumentation z.B. in Form einer „3.Fieberkurve“ neben der Temperatur- und Pulskurve ist insbesondere auch behilflich bei der Argumentation mit dem MdK (medizinischer Dienst der Krankenkassen) bezüglich der notwendigen Liegedauer von Patienten. Besonders wichtig ist sie bei der Evaluation von Interventionen und sollte deshalb neben der Dokumentation auch immer eine Diskussion über das Schmerzempfinden des Patienten (z.B. im Rahmen der Visite) mit daraus resultierenden Konsequenzen beinhalten und entsprechend schriftlich dokumentiert werden.

Eine individuell festgelegte Bedarfsmedikation in Abhängigkeit von Schmerzintensität, individuellem Bedarf und funktionellen Einschränkungen (also z.B. Schmerzexazerbation bei Physiotherapie) hat sich gerade im Hinblick auf eine effektive postoperative Mobilisation und Erholung bewährt. Bei der Verordnung der Bedarfsmedikation sollten stets die Angaben aus dem Anästhesieprotokoll miteinfließen, da hier der individuelle Analgetikabedarf, eventuelle Unverträglichkeiten, Volumenverlust und weitere intraoperative Besonderheiten ersichtlich sind. Aber auch im Verlauf einer Schmerztherapie oder Ende von Verfahren (z.B. Regionalanalgesie) kann eine Anpassung notwendig werden.

Geriatrische Patienten stellen eine besondere Herausforderung an die Schmerzdokumentation und Schmerztherapie dar. Ältere Menschen sehen den Schmerz häufig als einen natürlichen Bestandteil des Alterns an und lehnen Analgetika aus Angst vor Nebenwirkungen oder aus Angst vor weiteren Interventionen ab. Es ist deshalb sehr wichtig, Funktionseinschränkungen bei geriatrischen Patienten gut zu eruieren. Da die subjektiv empfundenen Schmerzen auch von Ängsten der Patienten mit beeinflusst werden, ist nach Operationen stets auch die Kommunikation zwischen Operateur und Patient essentiell, um eventuelle Ängste möglichst auszuräumen oder aufkommende Komplikationen frühzeitig erkennen zu können.

Warnfunktion Schmerz

Schmerzen können wichtige Warnfunktion für Komplikationen (Prothesenluxationen, Gefäß-/Nervenverletzungen, Hämatome, Infektionen, Kompartment-Syndrom, Ischämie bedingte Schmerzen etc.) sein und sollten somit nicht eine „blinde“ medikamentöse Schmerztherapie zur Folge haben. Jede Schmerzexazerbation, insbesondere dann, wenn diese unvermittelt auftritt, nicht zu einem typischen postoperativen Verlauf passt oder zunehmend ist, muss deshalb unverzüglich mit dem Operateur besprochen und diagnostisch abgeklärt werden.

Schmerztherapie bei
Komorbiditäten und
Komedikationen

Multimorbide Patienten mit entsprechender Komedikation zu behandeln, stellt eine besondere Herausforderung dar. Bei Vorliegen renaler, kardialer oder gastrointestinaler Begleiterkrankungen ergeben sich für den behandelnden Arzt die Problematik der Analgetikaauswahl und deren Dosierung. Gleiches gilt für Patienten mit vorbestehenden Schmerzen, Opioidvormedikation oder Analgetikafehlgebrauch/-abhängigkeit; hier sollten in der Schmerztherapie geschulte Ärzte in die Planung der perioperativen Schmerztherapie mit einbezogen und der Nutzen einer Regionalanalgesie in Betracht gezogen werden [23]. Opioidvormedikationen sollten kurzfristig vor einer Operation nur von geschulten Ärzten modifiziert werden; transdermale Opioidpflaster sollten w.m. ebenfalls nicht entfernt werden. Allerdings ist bei großen Eingriffen, hämodynamisch signifikanten Veränderungen, starker Abkühlung, Fieber/Sepsis o.ä. eine Opioidaufnahme nicht mehr regelhaft gewährleistet. Das Pflaster sollte dann entfernt und der Opioidbedarf anderweitig supplementiert werden (Cave: Entzug). In diesem Falle schadet es nicht, einen Akutschmerzdienst oder in die Akutschmerztherapie geschulten Kollegen mit hinzuzuziehen.

Präoperative Analgesie

Durch Wundinfiltration, OP-Feldinfiltration, Nerven- oder Plexusblockaden kann das Schmerzgeschehen des Patienten günstig beeinflusst und der Verbrauch an Schmerzmitteln reduziert werden. Besonders effektiv sind vor allem bei größeren Eingriffen der Extremitäten periphere Nervenkatheter mit ausgewogener postoperativer Infusion niedrig-konzentrierter Lokalanästhetika, idealerweise bedarfsadaptiert über eine „Schmerzpumpe“ und Betreuung durch einen Akutschmerzdienst [26]. Aber auch andere Verfahren sind, abhängig vom Eingriff, möglich (s.u. prozedurenspezifische Schmerztherapie).

Sowohl die Infiltration des geplanten operativen Zugangs mit Lokalanästhetika als auch eine periphere Blockade z.B. durch einen Fußblock oder eine supraskapuläre Blockade können zu einer deutlichen postoperativen Schmerzreduktion führen [13, 14], die Mobilisation des Patienten deutlich verbessern und chronische Schmerzen verhindern [24]. Entsprechend der Wahl der Analgesie sollte dabei der Patient über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt werden, sodass sich der Patient postoperativ nicht über eine Dysästhesie oder temporäre motorische Ausfälle sorgt; bei motorischen Einschränkungen muss der Patient entsprechend aufgeklärt und bei der Mobilisation unterstützt werden. Bei temporären sensiblen Ausfällen muss auf adäquate Dekubitusprophylaxe geachtet werden (z.B. Ferse, N. peronaeus am Fibulaköpfchen).

Spezielle Aspekte

Perioperative Schmerztherapie beinhaltet in der Regel die Gabe von Basisanalgetika und je nach Bedarf zusätzliche, an die Operation und an den individuellen Patienten angepasste Bedarfsanalgesie. Das Prinzip einer solchen Kombinationstherapie ermöglicht eine gute Analgesiequalität, aber auch eine Reduktion von Nebenwirkungen bei niedrigeren Dosierungen, die im Rahmen einer Kombinationstherapie benötigt werden. Bei diesem sog. balanzierten (angloamerikanisch auch als „multimodal“ bezeichneten) Analgesiekonzept besteht die systemische Basisanalgesie in der Regel aus einem Nicht-Opioid-Analgetikum (NOPA, z.B. NSAR, spezifischer COX 2-Hemmer, Metamizol oder Paracetamol). Dieses wird in den ersten Tagen zu festen Zeiten regelmäßig verabreicht, um eine Grundanalgesie zu erreichen und notwendige zusätzliche Analgetika in ihrer Dosis so gering wie möglich zu halten. Die zusätzliche Bedarfsanalgesie ist dann in der Regel ein Opioid oder, bei bestimmten Operation, ein Regionalanalgesieverfahren. Beides muss nicht zwangsläufig nach Bedarf verabreicht werden, sollte aber in Dosis und Art der Verabreichung (Opioid) bzw. Laufrate der Verabreichung bei Lokalanästhetika o.ä. im Rahmen einer kontinuierlichen Regionalanalgesie dem Bedarf entsprechend angepasst werden. Auch nicht-medikamentöse Maßnahmen sollten zum Einsatz kommen (z.B. Cryotherapie, Lagerung). Nur bei wenigen Patienten sind weitere Maßnahmen wie Adjuvantien (z.B. Ketamin, Lidocain i.v. o.ä.) notwendig.

Nicht-Opioid-Analgetika (NOPA)

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