Übersichtsarbeiten - OUP 05/2021

Aspekte der perioperativen Schmerztherapie für Orthopädie und Unfallchirurgie?

Die Auswahl des NOPA richtet sich nach Effektivität (NSAR/COXIBE und Metamizol sind deutlich effektiver als Paracetamol) und individueller Kontraindikation. Bei der Verwendung von Metamizol sollte jedoch an eine adäquate Sicherungsaufklärung geachtet werden [16]. Da die Effektivität von Paracetamol deutlich geringer als die der übrigen NOPA ist [5], sollten NSAR/COXibe oder Metamizol (abhängig von den KI) bevorzugt verabreicht werden.

Metamizol ist ein nicht opioides Analgetikum und Antipyretikum aus der Gruppe der Pyrazolone; das Präparat ist insgesamt gut verträglich und ein in Deutschland sehr verbreitetes Präparat zur Schmerzlinderung und Fiebersenkung. In Deutschland ist Metamizol mit strengen Auflagen hinsichtlich der Indikation versehen (akute starke Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen, schmerzhafte Koliken, Tumorschmerzen, sonstige akute oder chronische starke Schmerzen, soweit andere therapeutische Maßnahmen kontraindiziert sind, hohes Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht).

In den vergangenen 20 Jahren sind im Rahmen einer sogenannten Spontanerfassung in Deutschland etwa 400 Fälle von Metamizol-induzierten Agranulozytosen berichtet worden [31]. Allein im Jahr 2011 wurden 31 Fälle gemeldet, von denen 6 einen tödlichen Verlauf nahmen. Allgemein wird das Risiko einer Agranulozytose geschätzt mit etwa 1:30.000. Darüber hinaus sind als Nebenwirkungen bekannt anaphylaktische Reaktionen bis hin zum Schock, Blutdruckabfall, Hautexantheme und Verschlechterung der Nierenfunktion.

Neuere Studien lassen vermuten, dass eine Kombination eines NSAR mit Paracetamol in relativ niedrigen Dosierungen einen supraadditiven Effekt hat (z.B. 200 mg Ibuprofen und 500 mg Paracetamol) [5]. Dies bietet sich besonders dann an, wenn Nebenwirkungen vermieden werden sollen. Wichtig ist aber, dass NSAR und COX-Hemmer natürlich niemals kombiniert werden, da sich die Nebenwirkungen dabei ebenfalls addieren. Zu Dosierungen und Kontraindikationen für einige der wichtigen NOPA siehe Tab. 1 [5].

Opioide

Nach jeder Operation stellen Opioide quasi das Mittel der Wahl zur Therapie mittelstarker bis starker postoperativer Schmerzen dar. Wenn NOPA nicht ausreichen, sollte eine Bedarfsmedikation an Opioiden zusätzlich verordnet werden. Hier gilt: so wenig (und kurz) wie möglich aber so viel (und lange) wie nötig. Opioide sollten verabreicht werden, um eine gute Mobilisation und Physiotherapie zu ermöglichen. Schmerzfreiheit ist aber nicht das Ziel und ein Absetzen der Opioide ist ebenso wichtig, in den Therapieplan einzuplanen wie das Bereitstellen eines solchen. Opioide sind effektiv und haben so gut wie keine organspezifischen Risiken (Herz, Niere, Leber). Aber natürlich sind Nebenwirkungen häufig (Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Darmträgheit etc.) und Risiken sind bei höheren Dosierungen zu beachten (z.B. Sedierung, Atemdepression, Ileus). Wenn möglich sollten Opioide immer oral verabreicht werden, bei starken Schmerzen und nach großen Eingriffen auch intravenös, idealerweise dann kontinuierlich als Perfusor (auf Intensiv- oder Überwachungsstationen) oder als patientenkontrolliertes intravenöses Verfahren („Schmerzpumpe“) [5]. Dann sind allerdings auch eine gute Betreuung idealerweise durch einen Akutschmerzdienst und Überwachung wichtig.

Insgesamt helfen Therapiestandards und eine gute Kooperation zwischen Anästhesie und Chirurgie, diese schaffen in einer Klinik neben hoher Effektivität (z.B. bedarfsgerechter oraler Opioidalgorithmus) auch Sicherheit im Umgang mit Opioiden [5]. Bei solchen Algorithmen wir ein Opioid in nicht-retardierter Form als Bedarf angeordnet, und, wenn notwendig, das gleiche Opioid in retardierter Form morgens und abends verabreicht (z.B. 10 mg Oxycodon retard morgens und abends, 5 mg Oxycodon acut als Bedarf). Diese Dosis kann entsprechend vom Arzt angepasst werden, und das retardierte Opioid auch bei ausschließlich Schmerzspitzen bei z.B. Physiotherapie) entfallen. Jede Schmerztherapie sollte aber immer individuell für einen Patienten geplant und schriftlich mit Substanzname und Dosis angeordnet werden; dies gilt auch für Therapiestandards im Rahmen solcher Opioidalgorithmen. Bei besonderen Patientengruppen wie z.B. Patienten mit besonderen Risiken für Sedierung und Atemdepression und Patienten mit Opioidvormedikation oder Abhängigkeit sollten besondere Vorsichtsmaßnahmen gelten [24, 23].

Prozedurenspezifische Schmerztherapie

Um nach größeren und großen Operationen den Opioidverbrauch zu reduzieren oder ganz auf diese verzichten zu können, werden bei einer Vielzahl von Eingriffen gerade an den Extremitäten häufig Regionalanalgesieverfahren eingesetzt. Diese haben nicht nur den Vorteil, eine sehr gute Effektivität bzgl. Analgesiequalität in der frühen postoperativen Phase zu erzielen (besser als jede Opioidtherapie, wenn sie als Katheterverfahren durchgeführt werden auch über 2–4 Tage nach der Operation), sondern ermöglichen auch eine gute Mobilisierbarkeit der Patienten und verhindern sogar ggf. eine Schmerzchronifizierung. Auch hier gilt, dass eine gute Kooperation zwischen Anästhesie und Chirurgie und ein Akutschmerzdienst mit der Möglichkeit einer optimalen Betreuung dieser Patienten diese Verfahren sicher macht, Nebenwirkungen wie z.B. motorische Blockaden reduziert und mögliche Komplikationen verhindert. Welches und ob ein Regionalanalgesieverfahren eingesetzt werden kann, ist abhängig von der entsprechenden Operation sowie den lokalen Gegebenheiten in der jeweiligen Klinik. Ähnliches gilt für weitere Aspekte der Schmerztherapie. Deshalb gibt es zunehmend das Bestreben, in Kliniken für größere und/oder häufiger durchgeführte Operationen prozedurenspezifische analgetische Therapiepfade zu etablieren.

Anlehnen kann man diese an die Evidenzgenerierung einer Internationalen Arbeitsgruppe („Prospect“, https://esraeurope.org/prospect/; Procedure specific pain management), die es sich zum Ziel gemacht hat, Evidenz-basierte Empfehlungen für große Operationen herauszugeben und regelmäßig zu überarbeiten. Im Folgenden werden entsprechend zu verschiedenen Operationen in der O&U verschiedene Konzepte, die aus Sicht der beiden Autoren an deutsche Verhältnisse und Erfahrungen angepasst wurden, vorgestellt. Dort, wo keine oder keine aktuellen Prospect-Empfehlungen vorliegen, wurde aktuelle Literatur gesichtet und Empfehlungen aus Autorensicht unter Einbezug der Erfahrungen der Autoren gegeben.

Eingriffe an der Schulter (Tab. 2)

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