Arzt und Recht - OUP 12/2013

Beratung vor Regress – Widerspruch gegen Beratung?

Die Gemeinschaftspraxis habe hier zwar auf die Betreuung von Versicherten in Pflegeheimen hingewiesen, aber nicht dargelegt, inwiefern der Verordnungsbedarf bei Pflegeheimbewohnern wesentlich anders sein soll als bei – typischerweise ebenfalls älteren – Rentnern, deren erhöhter Bedarf durch die besonderen Richtgrößen für diese Gruppe bereits berücksichtigt war. Abgesehen von der namentlichen Nennung von 20 Patienten, davon 17 Pflegeheimbewohnern, mit besonderem Verordnungsaufwand (insgesamt nach Angaben der Gemeinschaftspraxis 70.802,00 €) gegenüber dem Prüfungsausschuss habe sie sich im gesamten Verfahren auf den pauschalen Hinweis auf die Betreuung von Pflegeheimbewohnern beschränkt, ohne auch nur ein konkretes Beispiel für die Notwendigkeit besonders aufwendiger Verordnungen zu nennen. Ungeachtet dessen, dass im Revisionsverfahren neuer Sachvortrag nicht berücksichtigt werden kann, § 163 SGG, beziehe sich die im Revisionsverfahren vorgelegte Liste auf Bewohner eines Seniorenheims, nicht eines Pflegeheims, und belege lediglich das hohe Alter der Patienten. Auch insofern behaupte die Gemeinschaftspraxis lediglich einen überdurchschnittlichen Verordnungsaufwand, ohne diesen näher zu begründen (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 15.08.2012, Az. B 6 KA 101/11 B, RdNr. 9). Anhand ihrer Behandlungsdokumentationen wäre für sie aber mit vertretbarem Aufwand nachvollziehbar gewesen, welche Verordnungen für welche Patienten aufgrund welcher Diagnosen ausgestellt wurden. Für 20 Patienten habe sie entsprechende Aufstellungen vorgelegt, die auch näher geprüft und berücksichtigt worden sind. Es sei nicht ersichtlich, dass ihr weiterer Vortrag unzumutbar gewesen wäre.

Der Beschwerdeausschuss habe zu Recht als Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Beratung festgesetzt. Beratungen der Vertragsärzte nach § 106 Abs. 1a SGB V auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum verordneten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung würden nach § 106 Abs. 5a Satz 1 SGB V durchgeführt, wenn das Verordnungsvolumen eines Arztes in einem Kalenderjahr das Richtgrößenvolumen um mehr als 15 % übersteigt und die Prüfgremien nicht davon ausgehen, dass die Überschreitung in vollem Umfang durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % habe der Vertragsarzt nach § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V nach Feststellung durch die Prüfgremien den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten. Da nach Abzug der anerkannten Praxisbesonderheiten hier eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens um 20,93 % verblieb, hätten die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Beratung vorgelegen.

BSG, Urteil vom 06.02.2013, Az. B 6 KA 2/12 R; Gebühr für erfolglosen Widerspruch

Zum Sachverhalt

Die Ärztin wendet sich gegen die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 100,00 € für einen von ihr ohne Erfolg erhobenen Widerspruch.

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid zurück. Der Verfügungssatz zu II lautete: „Für dieses Widerspruchsverfahren wird eine Gebühr in Höhe von 100,00 € festgesetzt.“ Zur Begründung bezog sich die KÄV auf ihre Gebührenordnung, die für erfolglose Widerspruchsverfahren Gebühren in dieser Höhe vorsehe.

Gegen diese Gebührenfestsetzung hat die Ärztin bei dem Sozialgericht erfolglos Klage erhoben. Das Landessozialgericht hat die Berufung mit Urteil zurückgewiesen. Die Gebührensatzung sei formell und materiell rechtmäßig.

Hiergegen wendet sich die Ärztin mit ihrer Revision.

Aus den Gründen

Die Revision der Ärztin hat nach dem Urteil des Bundessozialgerichts keinen Erfolg. Die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 100,00 € für das erfolglos durchgeführte Widerspruchsverfahren ist rechtmäßig.

Grundlage für die Erhebung der Gebühr sei § 1 Abs. 1 Buchstabe b der Gebührenordnung der KÄV. Danach würden Gebühren gemäß § 24 Abs. 3 der Satzung erhoben für Widerspruchsverfahren nach § 4 Abs 6 der Satzung, soweit sie nicht erfolgreich sind. § 24 Abs. 3 der Satzung bestimmt, dass die KÄV für besonders aufwendige Verwaltungstätigkeiten und für Widerspruchsverfahren, soweit sie nicht erfolgreich sind, auch Gebühren erheben kann. Die Gebührensätze seien nach dem Verwaltungsaufwand (Kostendeckungsprinzip) zu bemessen. Das Nähere regele die Gebührenordnung, die von der Vertreterversammlung zu beschließen ist. Das Landessozialgericht habe rechtsfehlerfrei der Formulierung „kann“ in § 24 Abs. 3 Satz 1 der Satzung eine Ermächtigung entnommen.

Das Landessozialgericht habe auch zu Recht entschieden, dass die Kostenregelung nicht gegen Bundesrecht verstößt. § 64 SGB X stehe der Erhebung der Gebühr nicht entgegen. Zwar werden nach dieser Vorschrift für das Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch keine Gebühren und Auslagen erhoben. Behörden in diesem Sinne seien auch die KÄVen nach § 77 SGB V (vgl. zur Anwendung des SGB X auch im vertragsärztlichen Zulassungsrecht BSG, Urteil vom 06.05.2009, Az. B 6 KA 7/08 R = ArztR 2010, 22; zur Wirtschaftlichkeitsprüfung vgl. BSG SozR 3–1300 § 63 Nr. 10 S. 33). Die Vorschrift gelte insbesondere auch für Widerspruchsverfahren (BT-Drucks. 8/2034 S. 36 zu § 62). Abweichungen von den Kostenregelungen des SGB X seien den KÄVen damit grundsätzlich nicht gestattet (vgl. zu § 63 SGB X BS, Urteil vom 31.05.2006, Az. B 6 KA 78/04 R = ArztR 2007, 106).

Die Auferlegung von Kosten in begrenztem Umfang für den Fall eines erfolglosen Widerspruchs sei durch § 64 SGB X jedoch nicht ausgeschlossen. Nach § 37 Satz 1 SGB I gelte das Erste und Zehnte Buch Sozialgesetzbuch nur, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Anderweitige Regelungen im Sinne von § 37 Satz 1 Halbsatz 1 SGB I könnten unmittelbar gesetzliche Regelungen sein, aber auch untergesetzliche Regelungen aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigungsnorm, die Bestandteil der besonderen Teile des SGB ist (vgl. BSG, Urteil vom 31.05.2006, Az. B 6 KA 78/04 R = ArztR 2007, 106).

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