Übersichtsarbeiten - OUP 03/2013

Bicepssehnenpathologie
Aktueller Stand der Diagnostik und TherapieverfahrenState of the art in diagnosis and therapy

T.S. Weber-Spickschen1, J.D. Agneskirchner1

Zusammenfassung: Die lange Bicepssehne zählt zu den häufigsten Ursachen von Schulterschmerzen, oft als Begleitpathologie bei RM-Läsionen. Beim Überkopfsportler kann es durch den Peel-back-Mechanismus zur SLAP-Läsion kommen. Die Indikation zum SLAP-Repair sollte zurückhaltend gestellt werden. Im Indikationsfall sind die knotenlose Verankerungstechnik und die Bicepstenodese empfehlenswert. Eine Pulley-Läsion geht mit einer Sub-/Luxation der LBS einher, die Rekonstruktion ist selten erfolgversprechend. Wenn kosmetisch akzeptabel, kann eine LBS-Tenotomie durchgeführt werden. Alternativ gibt es offene oder arthroskopische Tenodeseverfahren. Wir empfehlen die arthroskopische, epiossäre Lasso-Loop-Technik mit einem Fadenanker bei gleichzeitiger RM-Rekonstruktion und die knotenlose Fixierung nach extraartikulärer Armierung beim muskelkräftigen Patienten. Weichteilige Verfahren sind biomechanisch nicht ausreichend stabil.

Schlüsselwörter: Schulter, Bicepssehne, LBS, SLAP, Labrum, Pulley, Tenodese, Tenotomie, Lasso-Loop, extraartikuläre Armierung, Werfer, Überkopfsportler

Summary: The long head of the biceps tendon (lhb) is a common cause of anterior shoulder pain and often related to rotator cuff tear. In athletes who perform overhead activities, SLAP lesions caused by the peel back mechanism are frequent. The decision for a SLAP repair should be made carefully. In case of repair either knotless fixation or biceps tenodesis are recommended. A pulley lesion causes instability of the lhb. Pulley repair often fails. If it is cosmetically acceptable for the patient, a tenotomy can be done. Otherwise open or arthroscopic tenodesis can be performed. We recommend the arthroscopic, epiosseus lasso loop technique using suture anchor in a case of concurrent rotator cuff repair. For athletes we prefer extraarticular preparation and knotless fixation. Soft tissue procedures are biomechanically insufficient and not advisable.

Keywords: shoulder, biceps tendon, long head of biceps tendon, lhb, SLAP, labrum, pulley, tenodesis, tenotomy, lasso loop, extraarticular tendon preparation, throwing athlete, overhead athlete

Einleitung

Die symptomatische lange Bicepssehne (LBS) zählt zu den häufigsten Ursachen von Schulterbeschwerden. Allerdings ist die klinische und radiologische Diagnostik oft unspezifisch und nicht eindeutig. Sowohl die Läsion am Ursprung (SLAP) als auch im Bereich des Pulleys stellen wichtige Entitäten der LBS-assoziierten Läsionen dar. Gleichzeitig handelt es sich bei Schäden der LBS häufig um eine Begleitpathologie bei bestehender Rotatorenmanschettenruptur (RM-Ruptur).

Dieser Übersichtsartikel gibt Ihnen eine Zusammenfassung der relevanten Pathologien hinsichtlich Pathogenese, Diagnostik und Therapieverfahren.

Anatomische Grundlagen

Die lange Bicepssehne (LBS) hat ihren Ursprung supraglenoidal im Bereich des Tuberculum supraglenoidale (knöcherne Insertion, biomechanisch bedeutend) und des superioren Labrums (labrale Insertion) [1] und zieht nach intraartikulärem Verlauf durch das Pulley-System in den Sulcus intertubercularis und weiter nach distal.

Insbesondere im anterosuperioren Anteil des Labrums gibt es viele individuelle Normvarianten. Hier gilt es, diese physiologischen Labrumlücken (Foramen sublabrale, Buford-Komplex) nicht mit Pathologien zu verwechseln und operativ zu adressieren [2].

Funktionell wird der LBS eine wichtige stabilisierende Funktion für die glenohumerale Zentrierung zugeschrieben [3].

Klinische Diagnostik

Die klinische Diagnostik bei Pathologien der LBS ist häufig unspezifisch. In Kombination mit detaillierter Anamnese und begleitender Bildgebung können jedoch einige klinische Untersuchungen dem erfahrenen Diagnostiker hilfreiche Hinweise auf die ursächlichen Krankheitsbilder liefern.

Leitsymptom der instabilen LBS ist der unspezifische Schulterschmerz. Da die instabile LBS häufig mit RM-Rupturen vergesellschaftet ist, sollte eine suffiziente Diagnostik, auf die in diesem Artikel nicht weiter eingegangen wird, obligat sein. Es hat sich gezeigt, dass die LBS einen wesentlichen Anteil an der Schmerzsymptomatik bei RM-Ruptur haben kann, wobei eine klare Zuordnung durch spezifische Tests der LBS nicht möglich ist [4].

Durch die Kombination mehrerer positiver Tests kann die Aussagekraft für das Vorliegen einer LBS-Pathologie deutlich erhöht werden, wobei Tests mit hoher Sensitivität mit Tests hoher Spezifität kombiniert werden sollten [5]. Eine mögliche Kombination ist der O´Brien- mit dem Speed- und dem Yergason Test.

O´Brien-Test

Der Untersucher drückt den flektierten, adduzierten und innenrotierten Arm des Patienten (Daumen zeigt nach unten) bodenwärts. Der Patient versucht, der Kraft des Untersuchers entgegenzuwirken und hebt seinen Arm deckenwärts. Dies führt typischerweise zu einem Schmerz im ventralen Schulterbereich (positiver Test). Wird der Arm supiniert, kommt es zu einer Schmerzlinderung. Diese Kombination deutet auf eine SLAP-Läsion hin. Tritt der Schmerz eher im Bereich des AC-Gelenkes auf, sollte an das Vorliegen einer AC-Gelenkspathologie gedacht werden, da auch hier der O´Brien Test positiv ausfällt.

Yergason-Test

Beim Yergason-Test wird der um 90° flektierte Ellenbogen gegen den Widerstand des Untersuchers supiniert, was zu Schmerzen im anterioren Schulterbereich führen kann. Tritt bei Pronation kein Schmerz auf, spricht die Kombination für eine LBS-Läsion. Gleichzeitig bleibt dieser Test jedoch auch häufig negativ bei vorliegender LBS-Pathologie (hohe Spezifität bei niedriger Sensitivität).

Speed-Test

Ähnliches gilt für den Speed-Test, bei dem der Arm bei annähernd gestrecktem Ellenbogen gegen den Widerstand des Untersuchers in Richtung 90°-Flexion gebracht wird. Auch hier ist der Test bei Schmerzangabe in der anterioren Schulter positiv.

Begleitend finden sich häufig positive Impingementzeichen wie ein schmerzhafter Test nach Neer oder Hawkins [6].

Palpation

Beim schlanken Patienten ist die LBS im Sulcus tastbar, ggf. ein Druckschmerz auslösbar. Lässt sich ein leerer Sulcus palpieren, ist an eine Ruptur der LBS oder Luxation zu denken. Bei der Luxation kann es durch Rotationsbewegungen zu einem Schnapp-Phänomen kommen, welches teilweise schmerzhaft wahrgenommen wird. Zeigt sich bei Anspannung der Bicepsmuskulatur ein distalisierter Muskelbauch (positives Popey-Zeichen), bestätigt dies die LBS-Ruptur.

Bildgebung

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5