Übersichtsarbeiten - OUP 03/2013

Bicepssehnenpathologie
Aktueller Stand der Diagnostik und TherapieverfahrenState of the art in diagnosis and therapy

T.S. Weber-Spickschen1, J.D. Agneskirchner1

Zusammenfassung: Die lange Bicepssehne zählt zu den häufigsten Ursachen von Schulterschmerzen, oft als Begleitpathologie bei RM-Läsionen. Beim Überkopfsportler kann es durch den Peel-back-Mechanismus zur SLAP-Läsion kommen. Die Indikation zum SLAP-Repair sollte zurückhaltend gestellt werden. Im Indikationsfall sind die knotenlose Verankerungstechnik und die Bicepstenodese empfehlenswert. Eine Pulley-Läsion geht mit einer Sub-/Luxation der LBS einher, die Rekonstruktion ist selten erfolgversprechend. Wenn kosmetisch akzeptabel, kann eine LBS-Tenotomie durchgeführt werden. Alternativ gibt es offene oder arthroskopische Tenodeseverfahren. Wir empfehlen die arthroskopische, epiossäre Lasso-Loop-Technik mit einem Fadenanker bei gleichzeitiger RM-Rekonstruktion und die knotenlose Fixierung nach extraartikulärer Armierung beim muskelkräftigen Patienten. Weichteilige Verfahren sind biomechanisch nicht ausreichend stabil.

Schlüsselwörter: Schulter, Bicepssehne, LBS, SLAP, Labrum, Pulley, Tenodese, Tenotomie, Lasso-Loop, extraartikuläre Armierung, Werfer, Überkopfsportler

Summary: The long head of the biceps tendon (lhb) is a common cause of anterior shoulder pain and often related to rotator cuff tear. In athletes who perform overhead activities, SLAP lesions caused by the peel back mechanism are frequent. The decision for a SLAP repair should be made carefully. In case of repair either knotless fixation or biceps tenodesis are recommended. A pulley lesion causes instability of the lhb. Pulley repair often fails. If it is cosmetically acceptable for the patient, a tenotomy can be done. Otherwise open or arthroscopic tenodesis can be performed. We recommend the arthroscopic, epiosseus lasso loop technique using suture anchor in a case of concurrent rotator cuff repair. For athletes we prefer extraarticular preparation and knotless fixation. Soft tissue procedures are biomechanically insufficient and not advisable.

Keywords: shoulder, biceps tendon, long head of biceps tendon, lhb, SLAP, labrum, pulley, tenodesis, tenotomy, lasso loop, extraarticular tendon preparation, throwing athlete, overhead athlete

Einleitung

Die symptomatische lange Bicepssehne (LBS) zählt zu den häufigsten Ursachen von Schulterbeschwerden. Allerdings ist die klinische und radiologische Diagnostik oft unspezifisch und nicht eindeutig. Sowohl die Läsion am Ursprung (SLAP) als auch im Bereich des Pulleys stellen wichtige Entitäten der LBS-assoziierten Läsionen dar. Gleichzeitig handelt es sich bei Schäden der LBS häufig um eine Begleitpathologie bei bestehender Rotatorenmanschettenruptur (RM-Ruptur).

Dieser Übersichtsartikel gibt Ihnen eine Zusammenfassung der relevanten Pathologien hinsichtlich Pathogenese, Diagnostik und Therapieverfahren.

Anatomische Grundlagen

Die lange Bicepssehne (LBS) hat ihren Ursprung supraglenoidal im Bereich des Tuberculum supraglenoidale (knöcherne Insertion, biomechanisch bedeutend) und des superioren Labrums (labrale Insertion) [1] und zieht nach intraartikulärem Verlauf durch das Pulley-System in den Sulcus intertubercularis und weiter nach distal.

Insbesondere im anterosuperioren Anteil des Labrums gibt es viele individuelle Normvarianten. Hier gilt es, diese physiologischen Labrumlücken (Foramen sublabrale, Buford-Komplex) nicht mit Pathologien zu verwechseln und operativ zu adressieren [2].

Funktionell wird der LBS eine wichtige stabilisierende Funktion für die glenohumerale Zentrierung zugeschrieben [3].

Klinische Diagnostik

Die klinische Diagnostik bei Pathologien der LBS ist häufig unspezifisch. In Kombination mit detaillierter Anamnese und begleitender Bildgebung können jedoch einige klinische Untersuchungen dem erfahrenen Diagnostiker hilfreiche Hinweise auf die ursächlichen Krankheitsbilder liefern.

Leitsymptom der instabilen LBS ist der unspezifische Schulterschmerz. Da die instabile LBS häufig mit RM-Rupturen vergesellschaftet ist, sollte eine suffiziente Diagnostik, auf die in diesem Artikel nicht weiter eingegangen wird, obligat sein. Es hat sich gezeigt, dass die LBS einen wesentlichen Anteil an der Schmerzsymptomatik bei RM-Ruptur haben kann, wobei eine klare Zuordnung durch spezifische Tests der LBS nicht möglich ist [4].

Durch die Kombination mehrerer positiver Tests kann die Aussagekraft für das Vorliegen einer LBS-Pathologie deutlich erhöht werden, wobei Tests mit hoher Sensitivität mit Tests hoher Spezifität kombiniert werden sollten [5]. Eine mögliche Kombination ist der O´Brien- mit dem Speed- und dem Yergason Test.

O´Brien-Test

Der Untersucher drückt den flektierten, adduzierten und innenrotierten Arm des Patienten (Daumen zeigt nach unten) bodenwärts. Der Patient versucht, der Kraft des Untersuchers entgegenzuwirken und hebt seinen Arm deckenwärts. Dies führt typischerweise zu einem Schmerz im ventralen Schulterbereich (positiver Test). Wird der Arm supiniert, kommt es zu einer Schmerzlinderung. Diese Kombination deutet auf eine SLAP-Läsion hin. Tritt der Schmerz eher im Bereich des AC-Gelenkes auf, sollte an das Vorliegen einer AC-Gelenkspathologie gedacht werden, da auch hier der O´Brien Test positiv ausfällt.

Yergason-Test

Beim Yergason-Test wird der um 90° flektierte Ellenbogen gegen den Widerstand des Untersuchers supiniert, was zu Schmerzen im anterioren Schulterbereich führen kann. Tritt bei Pronation kein Schmerz auf, spricht die Kombination für eine LBS-Läsion. Gleichzeitig bleibt dieser Test jedoch auch häufig negativ bei vorliegender LBS-Pathologie (hohe Spezifität bei niedriger Sensitivität).

Speed-Test

Ähnliches gilt für den Speed-Test, bei dem der Arm bei annähernd gestrecktem Ellenbogen gegen den Widerstand des Untersuchers in Richtung 90°-Flexion gebracht wird. Auch hier ist der Test bei Schmerzangabe in der anterioren Schulter positiv.

Begleitend finden sich häufig positive Impingementzeichen wie ein schmerzhafter Test nach Neer oder Hawkins [6].

Palpation

Beim schlanken Patienten ist die LBS im Sulcus tastbar, ggf. ein Druckschmerz auslösbar. Lässt sich ein leerer Sulcus palpieren, ist an eine Ruptur der LBS oder Luxation zu denken. Bei der Luxation kann es durch Rotationsbewegungen zu einem Schnapp-Phänomen kommen, welches teilweise schmerzhaft wahrgenommen wird. Zeigt sich bei Anspannung der Bicepsmuskulatur ein distalisierter Muskelbauch (positives Popey-Zeichen), bestätigt dies die LBS-Ruptur.

Bildgebung

Das radiologische Verfahren der Wahl ist das Arthro-MRT [7]. Nach intraartikulärer Gabe von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel können sowohl SLAP- als auch Pulley-Läsionen mit deutlich höherer Sensitivität klassifiziert und von physiologischen Normvarianten differenziert werden als im herkömmlichen MRT [8]. Gerade in den axialen Schnitten kann die von Kontrastmittel umgebene LBS im Sulcus gut dargestellt werden, was Aussagen zu Struktur und Verlauf erlaubt.

Obwohl genaue Anamnese sowie klinische und radiologische Diagnostik grundlegende Hinweise zur vorliegenden Pathologie geben können, kann letztlich nur die fundierte diagnostische Arthroskopie die Verdachtsdiagnose bestätigen. Auf die Besonderheiten der arthroskopischen Diagnostik wird jeweils separat eingegangen.

SLAP-Läsionen

Verletzungen des superioren Labrums im Ursprungsbereich der LBS werden nach Snyder als SLAP-Läsionen (superior labrum anterior to posterior) bezeichnet.

Biomechanisch sind das Labrum und die LBS als Komplex anzusehen. Das Labrum dient vor allem der statischen Stabilisierung und vergrößert gleichzeitig, ähnlich wie der Meniskus, die Gelenkkongruenz und die Gelenkoberfläche/Kontaktfläche.

Pathogenese

Prinzipiell können SLAP Läsionen traumatisch oder degenerativ entstehen.

Häufigste Ursache der traumatischen Genese sind der Sturz auf den ausgestreckten Arm bei leichter Flexion und Abduktion und das traumatische Sub-/Luxationsereignis. Gerade bei stattgehabter Schulterluxation ist die SLAP-Läsion häufig mit einer Bankart-Läsion vergesellschaftet, wonach gefahndet werden muss.

Degenerative Schäden entstehen vor allem durch eine große Zahl von repetitiven Bewegungen des Überkopfsportlers. Sukzessive kommt es zum Abscheren des Labrums vom oberen Glenoidrand, wovon gerade Wurfsportler häufig betroffen sind [9]. Bei der Ausholbewegung mit Abduktion und forcierter Außenrotation wird dabei die LBS torquiert und unter maximale Vorspannung gebracht. Aus der maximalen Vorspannung wir nun der Wurfarm maximal beschleunigt, sodass enorme Kräfte über die LBS und den labralen Ursprung auf das Labrum weitergeleitet werden. Ist die Belastung zu groß, kommt es zum Abschälen des Labrums im superioren Bereich, was als Peel-back-Mechanismus bezeichnet wird [10]. Auffällig ist, dass meist eine verkürzte postero-inferiore Kapsel mit Skapuladyskinesie [11] und dezentriertem Humeruskopf vorliegt, was bei konservativen Therapieansätzen und zur Prävention des Überkopfsportlers und Werfers berücksichtigt werden sollte.

Arthroskopische Diagnostik der SLAP-Läsion

Die Arthroskopie stellt den Goldstandard der Diagnostik von SLAP-Läsionen dar. Das Arthroskop wird über das posteriore Standardportal in das Schultergelenk eingeführt. Das anterolaterale Portal eignet sich am besten zur Evaluierung des Labrums. Unter Sicht wird eine Kanüle im Bereich des Rotatorenintervalls eingebracht. Über dieses Arbeitsportal können nun mit dem Tasthaken die LBS und das Labrum untersucht werden.

Typischerweise findet sich bei Tasthakenzug am Labrum im superioren Anteil eine Lücke. Zur Differenzierung zu physiologischen Normvarianten empfiehlt sich die dynamische Untersuchung.

Unter arthroskopischer Kontrolle wird der Arm des Patienten in die Abduktions- und Außenrotationsposition bewegt. Bei relevanter SLAP-Läsion kommt es zum Peel-back-Mechanismus und zu einer unphysiologischen Medialisierung des Labrums.

Bei deutlichem Hinweis auf ein pathologisches Labrum und relevante SLAP-Läsion kann eine Refixation durchgeführt werden.

Bestehen Zweifel, ob es sich um eine interventionspflichtige SLAP-Läsion handelt, sollte bei Vorliegen weiterer Ursachen für die Schulterschmerzen des Patienten die Indikation zum SLAP-Repair zurückhaltend gestellt werden.

Bei der SLAP-Läsion Typ 1 ist eine zuverlässige Diagnostik im Arthro-MRT kaum möglich. Typischerweise zeigen sich diese Läsionen als Nebenbefund in der arthroskopischen Diagnostik und bedürfen keiner weiteren operativen Therapie.

Arthroskopischer SLAP-Repair

Besteht ein relevanter Befund mit ausgeprägtem Peel-back-Mechanismus, kann bei SLAP 2-Läsion die Indikation zum arthroskopischen Repair gestellt werden.

Wir favorisieren eine knotenlose Fixationstechnik, da schmerzhafte Kapselirritationen am superioren Glenoid durch auftragende Knoten bekannt sind. Dabei wird das Labrum zunächst über das anterosuperiore Portal geglättet und der superiore Glenoidrand angefrischt. Nun wird das superiore Labrum mit dem Spectrum von cranial nach kaudal umstochen und ein PDS-Faden vorgeschoben. Anschließend wird ein FibreWire um das Gewebe geshuttelt. Mit einem knotenlosen Anker werden jetzt die Fäden im vorgebohrten Loch verblockt und anschließend abgeschnitten. Meist muss eine zweite Fixierung für ein stabiles Ergebnis erfolgen. Anschließend kann in der Funktionstestung unter Sicht geprüft werden, ob der Peel-back-Mechanismus behoben ist.

Studien zeigen, dass die operative Versorgung von SLAP 2-Läsionen zu guten Ergebnissen im Alltag und beim Hobbysport führen. Bei professionellen Sportlern, insbesondere bei Wurfsportlern, müssen die Ergebnisse jedoch kritisch beurteilt werden [12–14].

Alternativ zum SLAP-Repair sollte gerade beim älteren Patienten mit vorliegender RM-Läsion, geschädigtem Pulley oder degenerativ veränderter LBS über eine Bicepstenodese als Alternative nachgedacht werden [15], eine entsprechende präoperative Beratung ist obligat. Eine Bicepstenodese ist ebenfalls bei SLAP 3 und SLAP 4-Läsionen in Kombination mit der Resektion des Korbhenkels oder der Rekonstruktion eine Therapieoption.

Pulley-System

Das Pulley-System ist eine fibröse Schlinge, die den regelrechten Eintritt in den Sulcus intertubercularis gewährleistet. Das Pulley wird aus dem SGHL (superiores glenohumerales Ligament), CHL (Coracohumerales Ligament), SSP und SSC gebildet, welche die LBS U-förmig umschließen. Kommt es zu einer Verletzung des Pulley-Systems, kommt es typischerweise zur Subluxation oder Luxation der LBS.

Arthroskopische Diagnostik der LBS- und Pulley-Läsion

Für das Aufdecken von Pathologien ist die dynamische, arthroskopische Untersuchung essentiell. Mit dem Tasthaken kann der nicht direkt sichtbare Anteil der LBS nach intraartikulär gezogen werden. Reizungen und Partialrupturen werden so visualisiert und können ggf. therapeutisch adressiert werden. Gerade im intertuberculären Anteil sind Tenosynovialitiden häufig. Murthi et al. [16] postulierten, dass bei der Hälfte der intraartikulär makroskopisch unauffälligen LBS im intertuberculären Anteil ein deutlicher inflammatorischer Prozess zu finden war. Dies ist gerade bei Patienten mit vorliegender RM-Ruptur häufig. Hiervon zu unterscheiden ist allerdings eine leichte Gefäßzeichnung im zurückgezogenen Anteil der LBS. Diese stellt einen Normalbefund dar und sollte nicht adressiert werden.

Für die Beurteilung der Sehnenposition im Sulcus ist es hilfreich, den Arm in vermehrte Innen- und Außenrotation zu bringen. Bei Außenrotation wird der ventrale Anteil des Pulleysystems gespannt. Zeigt sich nun eine vermehrte Medialisierung, liegt ein Schaden der ventralen Pulley-Anteile vor. Gerade Subluxationen können so diagnostiziert werden, die in der statischen MRT-Bildgebung regelhaft nicht abgebildet werden und dennoch symptomrelevant sind.

Beim Verdacht einer vorliegenden Pulley-Läsion ist das genaue Ausmaß zu eruieren. Es werden die Elongation, die Pulley-Ruptur und die in Verbindung mit der umgebenden RM-Läsion vorliegende Ruptur des Pulleys unterschieden. Bei vorliegender Pulley-Läsion liegt eine Instabilität der LBS vor, welche als Subluxation oder komplette Dislokation aus dem Sulcus intertubercularis imponieren kann. Wenn nun durch eine anteriore Pulleyschädigung eine anteriore Luxation der LBS vorliegt, kann es konsekutiv im Sinne einer degenerativen Schädigung zu einer SSC-Läsion kommen [17].

Dabei wirkt die luxierte LBS wie der gespannte Sägedraht einer Laubsäge und schädigt sukzessive die oberflächlichen und kranialen Anteile der SSC-Sehne. Durch diesen Mechanismus wird typischerweise nicht mehr als ein Drittel der Sehnensubstanz geschädigt. Bei größeren Läsionen des SSC ist eher an eine traumatische Genese zu denken, die konsekutiv zu einer Luxation der LBS geführt hat[18].

Posteriore Pulley-Läsionen treten in der Regel in Kombination mit Schädigungen der SSP-Sehne auf. Nicht selten ist die LBS dabei nach posterior luxiert. Gleichzeitig scheint nach Lafosse [18] bei diesen Läsionen gehäuft eine anteriore Luxationstendenz vorzuliegen, was nach beschriebenem Sägedrahtmechanismus zu einer SSC-Läsion führen kann. Dies ist eine Erklärung für die Kombination aus Läsion des SSP, luxierter LBS und Partialläsion des SSC. Daher sollte bei vorliegender Läsion des SSC die LBS mit einer Tenodese/Tenotomie bedacht werden [19].

Eine Rekonstruktion des Pulley-Systems ist in der Regel nicht erfolgversprechend.

Ruptur der LBS

Nicht selten kommt es gerade beim älteren Patienten vor, dass sich arthroskopisch die LBS nicht darstellen lässt. In diesen Fällen ist von einer Spontanruptur der LBS auszugehen, wodurch der distale Sehnenanteil durch den Muskelzug distalisiert wurde und daher der arthroskopischen Visualisierung nicht mehr zugänglich ist. Typischerweise zeigt sich in diesen Fällen ein distalisierter Muskelbauch bei Anspannung der Bicepsmuskulatur (positives Popey-Zeichen). Zeigt sich ein großer, verbliebener proximaler Sehnenstumpf, kann dieser zu Einklemmungen führen und symptomatisch werden.

Handelt es sich um eine proximal aufgetriebene und dicke Sehne, kann sie bei Ruptur in den engeren Sulcus rutschen und dort verklemmen. Durch diese Spontantenodese kommt es entsprechend nicht zum Popey-Zeichen, obwohl keine LBS im Sulcus zu finden ist.

Neben der kompletten Ruptur der LBS kommen häufig Partialläsionen vor. Zur Beurteilung ist die Klassifikation nach Lafosse [18] hilfreich:

  • Grad 0: makroskopisch intakte LBS
  • Grad 1: minor Läsion (weniger als 50% des Sehnendurchmessers betroffen)
  • Grad 2: major Läsion (mehr als 50% des Sehnendurchmessers betroffen)
  • Grad 3: komplette Ruptur der LBS

Therapieoptionen bei
LBS-Läsion

Prinzipiell kann zwischen einer Tenotomie und einer Tenodese unterschieden werden.

Tenotomie

Bei der Tenotomie wird die LBS wahlweise mit dem Elektrokauter oder scharf durchtrennt. Durch den Muskelzug wird die Sehne nach distal gezogen. Wie bei der Ruptur kann es auch hier bei aufgetriebenen Sehnen zu einem Verklemmen im Sulcus im Sinne der Spontantenodese kommen, oder die LBS gleitet noch weiter nach distal und bleibt funktionslos.

Gerade beim jüngeren oder sportlichen älteren Patienten ist präoperativ zu klären, ob eine Distalisierung des Muskelbauches kosmetisch akzeptabel ist. Funktionell führt die Tenotomie lediglich zu einer geringen Kraftminderung bei der Supination, die für die meisten Patienten nicht relevant ist. Relevant hingegen ist die meist direkte Schmerzminderung nach Tenotomie bei chronisch gereizter und strukturell veränderter symptomatischer LBS.

Tenodese

Die Tenodese beinhaltet das Ablösen der LBS ansatznah unter Schonung des Labrums und das anschließende Fixieren am proximalen Sulcus intertubercularis. In der Literatur finden sich verschiedene offene und arthroskopische Techniken. Die arthroskopischen Techniken lassen sich in epiossär und intraossär fixierende Techniken sowie weichteilige Techniken unterscheiden.

Bei der weichteiligen Fixation wird die LBS mit der RM vernäht, sodass es funktionell zu erhöhter Zugspannung bei Bicepsaktivität kommt. Mittlerweile sind weichteilige Fixationen weitgehend verlassen worden, da sie in puncto Stabilität den ossären Fixationen unterlegen sind und entsprechend mit höherer Komplikationsrate und schlechterem Outcome einhergehen [20].

Bei der epiossären Technik werden Fadenanker im Humeruskopf platziert, dessen Fäden der Fixierung der LBS am Knochen dienen. Im Gegensatz dazu wird bei den intraossären Techniken ein Loch in den Humerus gebohrt, in das die LBS platziert und beispielsweise durch eine Interferenzschraube fixiert wird [21]. Diese Technik bietet den Vorteil großer Primärstabilität [22] und lässt sich besonders bei gleichzeitig vorliegender RM-Ruptur schnell und einfach durchführen.

Wir bevorzugen im Wesentlichen 2 verschiedene epiossäre Techniken, die wir im Folgenden vorstellen:

Lasso-Loop-Technik mit intra-artikulärer Armierung

Diese Technik wenden wir vor allem bei weniger muskulösen Patienten und Patienten mit guter Compliance an, da sie im Vergleich zur Technik mit extraartikulärer Armierung die niedrigere Primärstabilität aufweist und meist mit einer retrahierteren Nachbehandlung einhergeht. Vorteil dieser rein arthroskopischen Technik sind die schnelle Durchführbarkeit sowie die Kombinationsmöglichkeit der Ankerfixierung mit gleichzeitiger Fixierung der RM. Allerdings birgt die Lasso-Loop-Technik gerade bei degenerativer Sehnenqualität ein erhöhtes Versagerrisiko.

Zunächst werden die LBS und das Pulley geglättet und sauber dargestellt. Dann wird der Knochen für die Ankerpositionierung angefrischt. Soll ein Faden für die Rekonstruktion der SSP genutzt werden, kann der Anker direkt dorsal des proximalen Sulcus positioniert werden. Soll der SSC rekonstruiert werden, empfiehlt sich die direkt anteriore Position. Nun wird die Tenotomie der LBS subtotal vorbereitet und ein Fadenanker eingebracht.

Anschließend folgt die eigentliche Armierung in Lasso-Loop-Technik:

  • Vorlegen einer Fadenschlinge kaudal der LBS
  • Durchstechen der LBS mit Cleverhook und Greifen der Schlinge
  • Durchziehen der Schlinge durch die LBS, Schlinge liegt nun kranial der LBS
  • Mit dem Cleverhook durch die Schlinge fädeln
  • Fassen des freien Fadenendes und Durchzug nach proximal
  • Erneutes Durchstechen der LBS mit Cleverhook und Greifen des 2. Fadens
  • Ausziehen durch LBS
  • Greifen beider Fäden und Ausleiten aus lateralem Portal mit Fadenholer
  • Tenotomie der LBS
  • Verknoten der Fäden

Anschließend kann der Faden für die RM-Rekonstruktion genutzt werden.

Extraartikuläre Armierung mit knotenloser Fixierung:

Bei Patienten mit eher schlechter Sehnenqualität bevorzugen wir die extraartikuläre Armierung. Bei dieser Technik wird die LBS nach intraartikulärer Tenotomie gefasst und über das anteromediale Portal nach extraartikulär ausgeleitet. Zur Sicherung kann bereits intraartikulär ein Anschlingen erfolgen. Extraartikulär wird die Sehne der Sehnenqualität entsprechend mit einem FiberWire armiert. Anschließend wird die Sehne im vorbereiteten Loch im Bereich des proximalen Sulcus mit einem knotenlosen Anker fixiert.

Diese Fixierungstechnik weist eine höhere Primärstabilität im Vergleich zur Lasso-Loop-Technik auf, was einen wesentlichen Vorteil dieser Technik darstellt. Sie eignet sich daher auch für besonders muskelkräftige Patienten.

Subpektorale Tenodese

Eine weitere Tenodesetechnik stellt die offene, subpektorale Tenodese dar. Sie wird bei schwerwiegenden und langstreckigen Sulcus-Pathologien angewendet, welche in arthroskopischer Technik nicht adressierbar sind und bei denen die LBS distal des Sulcus am proximalen Oberarm fixiert werden soll.

Bei dieser Technik wird die LBS zunächst arthroskopisch tenotomiert. Anschließend wird über eine Mini-Inzision auf Höhe des M. pectoralis major ein Tenodeseloch in den Humerus gebohrt. Die LBS wird nun mit bioresorbierbarer Schraube im Knochen fixiert [23].

Auf diese Weise kann ebenfalls eine sichere Fixierung mit funktionell und kosmetisch guten Ergebnissen erzielt werden [24, 25].

Korrespondenzadresse:

Dr. Sanjay Weber-Spickschen

Sportsclinic Germany

Uhlemeyerstraße 16, 30175 Hannover

info@sportsclinicgermany.com

Literatur

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Fussnoten

Sportsclinic Germany, Hannover

DOI 10.3238/oup.2013.0138–0144

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