Übersichtsarbeiten - OUP 03/2013

Bicepssehnenpathologie
Aktueller Stand der Diagnostik und TherapieverfahrenState of the art in diagnosis and therapy

Das radiologische Verfahren der Wahl ist das Arthro-MRT [7]. Nach intraartikulärer Gabe von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel können sowohl SLAP- als auch Pulley-Läsionen mit deutlich höherer Sensitivität klassifiziert und von physiologischen Normvarianten differenziert werden als im herkömmlichen MRT [8]. Gerade in den axialen Schnitten kann die von Kontrastmittel umgebene LBS im Sulcus gut dargestellt werden, was Aussagen zu Struktur und Verlauf erlaubt.

Obwohl genaue Anamnese sowie klinische und radiologische Diagnostik grundlegende Hinweise zur vorliegenden Pathologie geben können, kann letztlich nur die fundierte diagnostische Arthroskopie die Verdachtsdiagnose bestätigen. Auf die Besonderheiten der arthroskopischen Diagnostik wird jeweils separat eingegangen.

SLAP-Läsionen

Verletzungen des superioren Labrums im Ursprungsbereich der LBS werden nach Snyder als SLAP-Läsionen (superior labrum anterior to posterior) bezeichnet.

Biomechanisch sind das Labrum und die LBS als Komplex anzusehen. Das Labrum dient vor allem der statischen Stabilisierung und vergrößert gleichzeitig, ähnlich wie der Meniskus, die Gelenkkongruenz und die Gelenkoberfläche/Kontaktfläche.

Pathogenese

Prinzipiell können SLAP Läsionen traumatisch oder degenerativ entstehen.

Häufigste Ursache der traumatischen Genese sind der Sturz auf den ausgestreckten Arm bei leichter Flexion und Abduktion und das traumatische Sub-/Luxationsereignis. Gerade bei stattgehabter Schulterluxation ist die SLAP-Läsion häufig mit einer Bankart-Läsion vergesellschaftet, wonach gefahndet werden muss.

Degenerative Schäden entstehen vor allem durch eine große Zahl von repetitiven Bewegungen des Überkopfsportlers. Sukzessive kommt es zum Abscheren des Labrums vom oberen Glenoidrand, wovon gerade Wurfsportler häufig betroffen sind [9]. Bei der Ausholbewegung mit Abduktion und forcierter Außenrotation wird dabei die LBS torquiert und unter maximale Vorspannung gebracht. Aus der maximalen Vorspannung wir nun der Wurfarm maximal beschleunigt, sodass enorme Kräfte über die LBS und den labralen Ursprung auf das Labrum weitergeleitet werden. Ist die Belastung zu groß, kommt es zum Abschälen des Labrums im superioren Bereich, was als Peel-back-Mechanismus bezeichnet wird [10]. Auffällig ist, dass meist eine verkürzte postero-inferiore Kapsel mit Skapuladyskinesie [11] und dezentriertem Humeruskopf vorliegt, was bei konservativen Therapieansätzen und zur Prävention des Überkopfsportlers und Werfers berücksichtigt werden sollte.

Arthroskopische Diagnostik der SLAP-Läsion

Die Arthroskopie stellt den Goldstandard der Diagnostik von SLAP-Läsionen dar. Das Arthroskop wird über das posteriore Standardportal in das Schultergelenk eingeführt. Das anterolaterale Portal eignet sich am besten zur Evaluierung des Labrums. Unter Sicht wird eine Kanüle im Bereich des Rotatorenintervalls eingebracht. Über dieses Arbeitsportal können nun mit dem Tasthaken die LBS und das Labrum untersucht werden.

Typischerweise findet sich bei Tasthakenzug am Labrum im superioren Anteil eine Lücke. Zur Differenzierung zu physiologischen Normvarianten empfiehlt sich die dynamische Untersuchung.

Unter arthroskopischer Kontrolle wird der Arm des Patienten in die Abduktions- und Außenrotationsposition bewegt. Bei relevanter SLAP-Läsion kommt es zum Peel-back-Mechanismus und zu einer unphysiologischen Medialisierung des Labrums.

Bei deutlichem Hinweis auf ein pathologisches Labrum und relevante SLAP-Läsion kann eine Refixation durchgeführt werden.

Bestehen Zweifel, ob es sich um eine interventionspflichtige SLAP-Läsion handelt, sollte bei Vorliegen weiterer Ursachen für die Schulterschmerzen des Patienten die Indikation zum SLAP-Repair zurückhaltend gestellt werden.

Bei der SLAP-Läsion Typ 1 ist eine zuverlässige Diagnostik im Arthro-MRT kaum möglich. Typischerweise zeigen sich diese Läsionen als Nebenbefund in der arthroskopischen Diagnostik und bedürfen keiner weiteren operativen Therapie.

Arthroskopischer SLAP-Repair

Besteht ein relevanter Befund mit ausgeprägtem Peel-back-Mechanismus, kann bei SLAP 2-Läsion die Indikation zum arthroskopischen Repair gestellt werden.

Wir favorisieren eine knotenlose Fixationstechnik, da schmerzhafte Kapselirritationen am superioren Glenoid durch auftragende Knoten bekannt sind. Dabei wird das Labrum zunächst über das anterosuperiore Portal geglättet und der superiore Glenoidrand angefrischt. Nun wird das superiore Labrum mit dem Spectrum von cranial nach kaudal umstochen und ein PDS-Faden vorgeschoben. Anschließend wird ein FibreWire um das Gewebe geshuttelt. Mit einem knotenlosen Anker werden jetzt die Fäden im vorgebohrten Loch verblockt und anschließend abgeschnitten. Meist muss eine zweite Fixierung für ein stabiles Ergebnis erfolgen. Anschließend kann in der Funktionstestung unter Sicht geprüft werden, ob der Peel-back-Mechanismus behoben ist.

Studien zeigen, dass die operative Versorgung von SLAP 2-Läsionen zu guten Ergebnissen im Alltag und beim Hobbysport führen. Bei professionellen Sportlern, insbesondere bei Wurfsportlern, müssen die Ergebnisse jedoch kritisch beurteilt werden [12–14].

Alternativ zum SLAP-Repair sollte gerade beim älteren Patienten mit vorliegender RM-Läsion, geschädigtem Pulley oder degenerativ veränderter LBS über eine Bicepstenodese als Alternative nachgedacht werden [15], eine entsprechende präoperative Beratung ist obligat. Eine Bicepstenodese ist ebenfalls bei SLAP 3 und SLAP 4-Läsionen in Kombination mit der Resektion des Korbhenkels oder der Rekonstruktion eine Therapieoption.

Pulley-System

Das Pulley-System ist eine fibröse Schlinge, die den regelrechten Eintritt in den Sulcus intertubercularis gewährleistet. Das Pulley wird aus dem SGHL (superiores glenohumerales Ligament), CHL (Coracohumerales Ligament), SSP und SSC gebildet, welche die LBS U-förmig umschließen. Kommt es zu einer Verletzung des Pulley-Systems, kommt es typischerweise zur Subluxation oder Luxation der LBS.

Arthroskopische Diagnostik der LBS- und Pulley-Läsion

Für das Aufdecken von Pathologien ist die dynamische, arthroskopische Untersuchung essentiell. Mit dem Tasthaken kann der nicht direkt sichtbare Anteil der LBS nach intraartikulär gezogen werden. Reizungen und Partialrupturen werden so visualisiert und können ggf. therapeutisch adressiert werden. Gerade im intertuberculären Anteil sind Tenosynovialitiden häufig. Murthi et al. [16] postulierten, dass bei der Hälfte der intraartikulär makroskopisch unauffälligen LBS im intertuberculären Anteil ein deutlicher inflammatorischer Prozess zu finden war. Dies ist gerade bei Patienten mit vorliegender RM-Ruptur häufig. Hiervon zu unterscheiden ist allerdings eine leichte Gefäßzeichnung im zurückgezogenen Anteil der LBS. Diese stellt einen Normalbefund dar und sollte nicht adressiert werden.

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