Übersichtsarbeiten - OUP 11/2016

Biomechanik der periprothetischen hüftgelenknahen Fraktur

Es gibt eine klare klinische Evidenz dafür, dass eine Lockerung der Prothese das Risiko für eine periprothetische Fraktur deutlich erhöht, unabhängig davon, ob die Prothese zementiert ist oder nicht. Problematisch ist es allerdings, diese Lockerung in biomechanischen Untersuchungen darzustellen [9].

Welche therapeutischen Möglichkeiten ergeben sich bei interprothetischer Fraktur? Eine Vielzahl von Arbeiten hat sich mit der Behandlung periprothetischer Frakturen um das Knie und die Hüfte beschäftigt. Dies beinhaltet die Versorgung mit nicht winkelstabilen Platten, winkelstabilen Platten, zusätzlichen allogenen Knochen oder Prothesenwechseln [10–12]. Es hat sich gezeigt, dass die Versorgung mit winkelstabilen Platten allen anderen Verfahren bei fest verankerten Prothesen überlegen ist [13, 14]. Bei gelockerter Prothese ist der Prothesenwechsel die sicherste und beste Option [15]. Behandlungsstrategien für die Versorgung von Frakturen zwischen 2 Implantaten am Femur sind insgesamt rar. Häufig treten diese Verletzungen bei hochbetagten Patienten mit deutlich reduziertem Allgemeinzustand und hohem OP-Risiko auf. Dies muss individuell genauso in die Therapieentscheidung mit einfließen wie die reduzierte Knochenqualität. Ebenso wie bei periprothetischen Frakturen besteht bei interprothetischen Frakturen häufig zumindest einseitig eine Prothesenlockerung [16]. Auch hier gilt, dass die Prothese gewechselt werden sollte. Sollten beide Komponenten gelockert sein, kann dies einen kompletten Femurersatz erforderlich machen [17]. Eine weitere Möglichkeit bei fehlender Knochensubstanz bietet die Aufnahme beider Prothesenschäfte in einer Interpositionsprothese [18]. Eigene Untersuchungen zeigen, dass die maximale Belastbarkeit dieser Überbrückung gegenüber dem unfrakturierten doppelt prothetisch versorgten Femurschaft um ca. 50 % vermindert ist und dass es zum Biegeversagen des Hüftprothesenschafts in der Interpositionsprothese kommt [18].

McLean et al. haben über 5 Patienten mit interprothetischen Frakturen berichtet, die nach komplettem Femurersatz durchaus befriedigende Resultate zeigten [15]. Üblicherweise ist aber die Plattenosteosynthese die erste Wahl. Eine der größten Serien hierzu wurde von Mamczak et al. publiziert [19]: Hier wurden über einen Zeitraum von 20 Jahren die Ergebnisse von 25 Patienten mit 26 interprothetischen Frakturen dargestellt, die mit einer Plattenostheosynthese versorgt wurden [19]. In 17 Fällen traten dabei die Frakturen im distalen metaphysären Anteil auf, wohingegen die Diaphyse nur in 9 Fällen betroffen war. Die Beobachtung, dass die meisten Verletzungen im distalen Anteil des Femurs auftraten, machten auch andere Autoren [20].

Mamczak et al. berichten, dass alle Frakturen verheilt sind und keine Pseudarthrosen aufgetreten sind [13]. Das Wichtigste für die Technik der Plattenosteosynthese sei dabei die weichteilschonende Operationstechnik und die deutliche Überlappung der Platten mit den Prothesen auf beiden Seiten. Eine eindeutige Empfehlung, wie weit dabei die Platten die Prothesen überlappen sollen, wird nicht gegeben. Klinische und biomechanische Studien bestätigen, dass bei größerer Überlappung der Implantate eine höhere Stabilität erzielt werden kann [5, 21, 22].

In diesem Zusammenhang wird oft von „stress risern” gesprochen, also besonders belasteten Regionen am Knochen. Unsere eigenen Daten konnten zeigen, dass die Distanz zwischen 2 Implantaten eine geringere Rolle spielt als die kortikale Dicke [8]. Hou et al. berichten über eine Serie von 13 Patienten in 6 Jahren [23]. In 4 Fällen war die Prothese auf einer Seite gelockert und musste gewechselt werden. Dies gelang ohne einen Konflikt mit der distalen Prothese. Alle anderen Fälle wurden mit Plattenosteosynthesen behandelt. Die spezifische Frakturlokalisation wurde nicht näher angegeben [23]. Die Platten überlappten die Prothese jeweils 2-mal um die Länge des Diaphysendurchmessers [23].

Die implantatfreie Zone ist für die Frakturheilung von Bedeutung: Eine sehr kurze Strecke und eine zusätzliche Schädigung des Knochens durch Zement haben einen negativen Einfluss auf die Frakturheilung.

Soenen et al. haben aufgrund ihrer Erfahrungen mit 14 Patienten einer Multicenterstudie angeregt, die Vancouver-Klassifikation um besonders schwere und hoch komplizierte Fälle zu erweitern und diese als Vancouver-Typ-D zu klassifizieren [17]. Sechs Fälle, die als Vancouver-Typ-D klassifiziert wurden, wiesen Heilungsstörungen auf und mussten mit Allograft bis zum totalen Femurersatz revidiert werden [17]. Platzer et al. haben eine Serie von 23 Patienten in 16 Jahren publiziert, bei denen meist eine Plattenosteosynthese verwendet wurde [24]. Bei 4 Patienten mit gelockerter Prothese wurde die Prothese gewechselt. In 3 Fällen, die osteosynthetisch versorgt wurden, entwickelte sich eine Pseudarthrose [24]. Sah et al. haben in einer Serie mit 22 Patienten in 4 Jahren über sehr erfolgreiche Versorgung mit Plattenosteosynthesen berichtet. Die meisten Frakturen fanden sich supracondylär und es wurden zusätzliche spongiöse Knochenchips eingebracht [25]. Zusammengenommen zeigen unsere biomechanischen Daten und die in der Literatur beschrieben Arbeiten unterschiedlichste Einflüsse von Implantaten auf den Knochen. Eine Prothese allein erhöht bereits das Risiko, eine Fraktur zu erleiden. Mit einem gleichzeitigen retrograden Nagel erhöht sich das Risiko für eine Fraktur nochmals erheblich. Daher ist bei Vorliegen einer distalen Fraktur bei gleichzeitiger Prothese eine extramedulläre Stabilisierung anzuraten. Bei 2 fest im Knochen verankerten zementierten Prothesen ist das Risiko für eine interprothetische Fraktur geringer [4]. Nicht der Abstand zwischen den Prothesen, nicht die Knochendichte, sondern die verminderte kortikale Dicke ist der Hauptrisikofaktor für eine interprothetische Fraktur. Diese Überlegungen sollten in die Planung distaler Femurfrakturversorgungen bei gleichzeitiger ipsilateraler Hüftprothese einbezogen werden. Bei interprothetischer Fraktur und festem Prothesensitz bleibt die Plattenosteosynthese das Mittel der Wahl.

Implantatbiomechanik bei periprothetischer Frakturversorgung

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