Übersichtsarbeiten - OUP 11/2016

Biomechanik der periprothetischen hüftgelenknahen Fraktur

Mit einer 3-Punkt-Quetschverbindung verschlossene Seilcerclagen erreichen eine höhere maximale Vorspannung als Drahtcerclagen gleichen Durchmessers mit Zwirbelverschluss. Jedoch erreicht die doppelte Umschlingung des Knochens mit einer Drahtcerclage der einfachen Umschlingung mit einer Seilcerclage des gleichen Durchmessers vergleichbare Vorspannungswerte. Gemäß dem Flaschenzugprinzip ist der Zwirbel bei der doppelten Umschlingung einer geringeren Zugbelastung ausgesetzt und es wird eine längere Strecke benötigt, um eine Lockerung der Cerclage herbeizuführen als bei der einfachen Umschlingung [40]. Lässt sich wie oben beschrieben eine stufenlose Reposition der Schaftfraktur erzielen, kann der Knochenschaft vor Anlegen einer Platte mit Cerclagen armiert und die Fraktur in sich durch radiäre Kompression stabilisiert werden. Eine Befestigung der Platte am Schaftknochen nur durch Cerclagen, wie durch Ogden vorgeschlagen, hat sich bei einer Komplikationsrate von 30 % in der Klinik nicht bewährt [41]. Eine vergleichbare Komplikationsrate (24 %) weisen kortikale Knochentransplantate auf, die ähnlich einem Doppelplattenkonstrukt lateral und anterior am langen Röhrenkochen platziert und ausschließlich mittels Cerclagen gesichert werden [42]. Unter Einwirkung einer axialen oder torsionalen Last kommt es bei vorgenannten Konstrukten zu einem Hindurchgleiten des Knochens unter der Cerclage [32], sofern dies nicht durch die Verzahnung der Frakturfragmente in sich selbst verhindert wird. Durch Hinzufügen winkelstabiler Schrauben in das distale und proximale Hauptfragment kann bei Cerclage-Plattenkonstrukten eine Stabilisierung in axialer und torsionaler Richtung erreicht werden [32, 43]. Auf Höhe des Prothesenschafts können Schrauben monokortikal oder bikortikal innerhalb des schmalen Korridors seitlich des Prothesenschafts platziert werden. Eine tangentiale intrakortikale Schraubenlage, die eine verminderte Schraubenverankerung im Knochen zur Folge hat, sollte bei bikortikaler Schraubenplatzierung vermieden werden [43, 44].

Bei nicht winkelstabilen Platten kann der Insertionswinkel der Schraube innerhalb des Plattenlochs variiert werden und so eine bikortikale Schraubenlage seitlich des Prothesenschafts erzielt werden. Jedoch beruht das Verankerungsprinzip der nicht winkelstabilen Platte auf einer festen Koppelung der Platte an den Knochen durch Reibung und ist daher weniger für die Anwendung am osteoporotischen Knochen geeignet [45, 46]. Der Einsatz von Plattensystemen mit multiaxialen winkelstabilen Schrauben ist eine Lösungsmöglichkeit dieses Problems [30, 47]. Die Verwendung einer breiteren Platte mit exzentrisch angeordneten Schraubenlöchern [30] oder das Hinzufügen eines verriegelbaren Plattenaufsatzes, der den Schraubeneintrittspunkt weit nach lateral verschiebt und so eine den Prothesenschaft umgreifende bikortikale Schraubenplatzierung ermöglicht, sind weitere effektive Methoden zur Steigerung der Verankerungsstabilität [43, 48]. Es konnte gezeigt werden, dass die umgreifende bikortikale Schraubenanordnung des verriegelbaren Plattenaufsatzes gegenüber der Verwendung von Cerclagen plus monokortikaler winkelstabiler Schrauben speziell bei Frakturen mit fehlender kortikaler Abstützung eine erhöhte Verankerungsstabilität der Platte aufweist [48].

Monokortikale und bikortikale winkelstabile Schrauben weisen gegenüber axialer Kompressionskraft, die rechtwinkelig zur Schraubenschaftachse gerichtet ist, eine vergleichbare Verankerungsstabilität auf, da in beiden Fällen der größte Lastanteil an der plattennahen Kortikalis abgetragen wird [32]. Bei einem Versagenstest unter diesem Lastfall kam es zu einer ovalen Aushöhlung des plattennahen Schraubenlochs und einer Fissur im plattennahen Kortex. Da die Fissur unterhalb der Osteosyntheseplatte lokalisiert ist, entzieht sie sich meist der konventionellen Röntgenbilddiagnostik. Die ovaläre Aushöhlung des Schraubenlochs ist gelegentlich bei genauer Bildanalyse auf konventionellen Bildern erkennbar [32]. Die sichere Neutralisation von Torsionskräften hingegen erfordert eine bikortikale winkelstabile Schraubenverankerung im distalen und im proximalen Hauptfragment [32].

Bis zum heutigen Zeitpunkt wird es kontrovers diskutiert, ob Schrauben im Zementmantel von zementierten Prothesen verankert werden können, ohne dessen Integrität zu beschädigen und damit eine Prothesenlockerung herbeizuführen [49]. Das Potenzial dieser Technik ist bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abschließend erforscht, jedoch zeigen erste Versuche, dass die Verankerung von Schrauben im Zementmantel der Prothese speziell im osteoporotischen Knochen einen erhöhten Schraubenhalt bietet [49].

Entsprechend dem aktuellen Stand ist – wie bereits oben beschrieben – der Schaftwechsel bei periprothetischen Schaftfrakturen mit gelockertem Schaft (Vancouver Typ B2) die beste Therapieoption. Bei schlechter Knochenqualität (Vancouver Typ B3) können jedoch Megaprothesen erforderlich sein, deren Implantation häufig an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit älterer Patienten geht. Unter diesem Aspekt mag die weitere Erforschung der Schraubenverankerung im Prothesenschaft eine interessante Alternative darstellen [50]. Obwohl bisher nicht etabliert, zeigen erste Versuche vielversprechende Resultate dieses Verfahrens, das unabhängig von der lokalen Knochenqualität ist und im Gegensatz zur Megaprothese eine minimalinvasive Chirurgie erlaubt [50]. Das Bohren vom metallischen Prothesenschaft erfordert spezielle Bohrer und eine Absaugvorrichtung, um die Bohrspäne zu entfernen, die in situ eine Prothesenlockerung induzieren würden. Schraubenverankerungsmöglichkeiten könnten in zukünftigen Schaftdesigns berücksichtigt werden, um eine Aufbohrung des Schafts in situ zu umgehen. Jedoch besteht bei Koppelung der Osteosynthese an die Prothese ein anderer Lastfall im Prothesenschaft, der zu einem ähnlichen Versagensmuster wie bei den Interpositionsprothesen beobachtet [18], führen könnte.

Osteosynthesen des großen Trochanters (Vancouver Typ AG) zeigen traditionell eine hohe Versagensrate [33]. Derzeit angewendete Fixationsverfahren beinhalten Cerclagen, Zuggurtungen und Platten, jedoch bieten diese häufig nur eine unidirektionale Stabilität in laterosuperiorer Richtung. Die meisten biomechanischen Studien zu diesem Frakturtypus unterstützen das oben beschriebene Fehlverständnis, da sie ebenfalls nur eine Lastrichtung berücksichtigen. Die Glutealmuskulatur übt jedoch multidirektionale Zugkräfte auf den großen Trochanter aus, speziell bei Aktivitäten aus der Beugestellung der Hüfte heraus, wie Treppensteigen und Aufstehen vom Stuhl [51]. Neuere klinische und biomechanische Untersuchungen konnten zeigen, dass eine Doppelplatte, an der anterioren und lateralen Facette des Trochanters platziert, eine verbesserte Frakturstabilisierung sowie eine geringere klinische Versagensrate aufweist [52, 53].

Schlussfolgerung

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