Übersichtsarbeiten - OUP 05/2020

Chronischer Kreuzschmerz ambulant, im Krankenhaus oder in der Rehabilitationsklinik
Wer behandelt wann?

Aufklärung über die leistungsangepasste Dosierung körperlicher Aktivität und Regeln für die Dosissteigerung

Aufklärung über die Verbesserung von Kraft und Ausdauer

Bedeutung der regelmäßigen Aktivität (mindestens 2x pro Woche mehr als 15 Minuten)
für den Trainingseffekt

Hinweis auf die Bedeutung
persönlicher Präferenzen bei
der Wahl der Aktivitäten

Bedeutung regelmäßiger kurzer Erholungspausen im Alltag

Bedeutung einer ausgewogenen Balance zwischen Be- und Entlastung

  • Thematisieren möglicher
    sozialer Risikofaktoren
    (s. yellow, blue und black flags):
  • ggf. unterstützende
    medikamentöse Therapie
    unter folgenden Grundsätzen
    (gilt auch für die medikamentöse Therapie subakuter und chronischer Kreuzschmerzen):

Aufklärung, dass Medikamente nur eine unterstützende Therapieoption darstellen

Festlegung eines realistischen und relevanten Therapieziels auch unter Berücksichtigung
der körperlichen Funktion
(z.B. Verbesserung der Gehstrecke oder Belastbarkeit, relevante Schmerzlinderung (> 30 oder 50 %))

Individuelle Auswahl der Medikation unter Berücksichtigung der Begleiterkrankungen, Begleitmedikation, Unverträglichkeiten, Vorerfahrungen und
Präferenzen des Patienten

Stufenweise Dosistitration der Medikation zum Erreichen des Therapieziels mit der geringsten effektiven Dosierung

Überprüfen des Auftretens
von Nebenwirkungen und
des klinischen Effekts in regelmäßigen Intervallen

Bei akuten Schmerzen zeitiges Ausschleichen bzw. Absetzen mit Besserung der Symptomatik

Fortführung der Therapie nur bei guter Wirksamkeit und Verträglichkeit, Überprüfung in regelmäßigen Intervallen (alle 3 Monate)

Ausschleichen/Absetzen der Therapie bei nicht ausreichender Wirksamkeit (trotz angemessener Dosierung) oder relevanten Nebenwirkungen

  • ggf. begleitende nicht
    medikamentöse Therapie

Akupunktur
(Empfehlungsgrad ??)

Bewegungstherapie
(Empfehlungsgrad ??)

Progressive Muskelentspannung (PMR) bei erhöhtem Chronifizierungsrisiko
(Empfehlungsgrad ??)

Manuelle Therapie
(Empfehlungsgrad ??)

Wärmetherapie im Rahmen des Selbstmanagements in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen (Empfehlungsgrad ??)

Subakuter und chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerz

Halten Kreuzschmerzen länger als 6 bis maximal 12 Wochen an, so werden sie als subakute Kreuzschmerzen klassifiziert, bei einer Zeitdauer ab 12 Wochen spricht man von chronischen Kreuzschmerzen. Beim Erreichen eines subakuten Stadiums mit 6 Wochen Schmerzdauer, alltagsrelevanter Aktivitätseinschränkungen und unzureichendem Therapieerfolg trotz leitliniengerechter Therapie und dem Vorliegen psychosozialer und/oder arbeitsplatzbezogener Chronifizierungsfaktoren soll (starke Empfehlung ??) ein multimodales Assessment mit Abklärung einer Indikation für eine multimodale Behandlung durchgeführt werden. Ein multimodales Assessment soll ebenfalls generell ab 12 Wochen Schmerzdauer, alltagsrelevanter Aktivitätseinschränkung und unzureichendem Therapieerfolg trotz leitliniengerechter Therapie und auch bei Vorliegen eines chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzes mit erneuter therapieresistenter Exazerbation veranlasst werden.

Wichtiges Ziel bei Kreuzschmerzen mit einer Beschwerdesymptomatik von mehr als 4–6 Wochen Dauer und längerer Arbeitsunfähigkeit ist die Vermeidung einer Chronifizierung. Neben der nochmaligen Evaluation auf eine spezifische Kreuzschmerzursache und der Überlegung, inwiefern weitere Fachrichtungen in die Behandlung miteinbezogen werden müssen, sollte im subakuten Stadium eine ambulante Therapieintensivierung insbesondere der begleitendenden nichtmedikamentösen Therapiemaßnahmen vorgenommen werden. Hier benennt die NVL nicht-spezifischen Kreuzschmerz folgende Maßnahmen [3]:

  • Begleitende nicht
    medikamentöse Therapie

Bewegungstherapie kombiniert mit edukativen Maßnahmen nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien (??)

Rehabilitationssport- bzw.
Funktionstrainingsgruppe bei anhaltenden alltagsrelevanten Aktivitätseinschränkungen und Gefährdung der beruflichen Wiedereingliederung (?)

PMR bei erhöhtem Chronifizierungsrisiko (?)

Manuelle Therapie (??)

Massage (in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen) (??)

Rückenschule auf biopsychosozialen Ansatz basierend (??)

Wärmetherapie im Rahmen
des Selbstmanagements in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen (??)

  • Kognitive Verhaltenstherapie
    (auf das individuelle Risikoprofil bezogen) bei Vorliegen psychosozialer Risikofaktoren (??)

Erreicht der nicht-spezifische Kreuzschmerz mit einer Schmerzdauer von größer als 12 Wochen das chronische Stadium, soll (??) ein multimodales Assessment durchgeführt werden. Dieses wird in der Regel in spezialisierten Einrichtungen vorgenommen. Theoretisch kann nach der NVL auch der koordinierende Arzt ein solches Assessment im Rahmen eines interdisziplinären (ggf. telefonischen) Austausch mit den konsultierten Physiotherapeuten und dem Psychotherapeuten sowie ggf. weiteren konsultierten Fachärzten durchführen. Allerdings gibt es derzeit für dieses zeitintensive multidisziplinäre Assessment aktuell keine Vergütungsstruktur im ambulanten Versorgungssektor. Zudem ist die Qualität eines eher nicht gleichzeitigen telefonischen Austauschs nicht der eines echten gleichzeitigen interdisziplinären Austauschs vergleichbar. Ziel des multimodalen Assessment ist das Festlegen der weiteren Therapie, entweder im Rahmen einer intensivierten hausärztlichen/orthopädischen Behandlung, einer multimodalen Schmerztherapie oder einer Rehabilitation.

Für die intensivierte ambulante Behandlung im chronischen Stadium stehen neben Edukation und Beratung sowie einer psychotherapeutischen Mitbehandlung folgende Maßnahmen der nicht medikamentösen Therapie zur Verfügung [3]:

  • – Akupunktur (??)
  • – Bewegungstherapie kombiniert mit edukativen Maßnahmen nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien (??)
  • – Rehabilitationssport- bzw.
    Funktionstrainingsgruppe bei
    anhaltenden alltagsrelevanten
    Aktivitätseinschränkungen und Gefährdung der beruflichen
    Wiedereingliederung (?)
  • – PMR bei erhöhtem Chronifizierungsrisiko (?)
  • – Manuelle Medizin (??)
  • – Massage (??)
  • – Rückenschule (??)
  • – Kognitive Verhaltenstherapie im Rahmen von Bewegungsprogrammen multimodaler Behandlungskonzepten (??)

Auf die detaillierten Möglichkeiten der medikamentösen Therapie soll hier wie beim akuten und subakuten Kreuzschmerz aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden, sondern nochmals auf die oben und im folgenden aufgeführten Grundsätze zum Einsatz einer Schmerzmedikation verwiesen werden. Ergänzend ist bei der Verwendung von Opioiden die S3-Leitlinie „Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen – „LONTS“ einzubeziehen [1]. In der Langzeitbetreuung ist der kontinuierliche Austausch mit den weiteren behandelnden Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten und Angehörige weiter beteiligter Fachgruppen wichtig.

Für den Betreuungsbedarf in verschiedenen besonderen Situationen hat die NVL Nicht-Spezifischer Kreuzschmerz folgende Empfehlungen aufgestellt (Tab. 2):

Spezifischer chronischer
Kreuzschmerz

Die Leitlinie Spezifischer Kreuzschmerz [4] gibt Hinweise auf mögliche spezifische Kreuzschmerzursachen, welche differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehen sind. Sie umfasst neben morphologischen auch funktionelle Entitäten, für spezifische psychosoziale Kreuzschmerzursachen wird auf die S3-Leitlinie „Umgang mit Patienten mit nicht-spezifischen, funktionellen und somatoformen Körperbeschwerden“ (aktualisierte Fassung 2018: Leitlinie „Funktionelle Körperbeschwerden“[2]) sowie auf die S3-Leitlinie „Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms“ [5] verwiesen.

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