Übersichtsarbeiten - OUP 05/2020

Chronischer Kreuzschmerz ambulant, im Krankenhaus oder in der Rehabilitationsklinik
Wer behandelt wann?

Im Gegensatz zur kurativen Medizin wird in der Rehabilitation primär nicht die Krankheit behandelt, sondern es geht um das Management der Krankheits- und Verletzungsfolgen mit Wiederherstellung von Körperfunktionen, Aktivitäten und Partizipation. Die bedeutsamsten Einschränkungen der Partizipation (Teilnahme am sozialen Leben) beziehen sich in der Regel im erwerbsfähigen Alter auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (Kostenträger Rentenversicherung) und bei Menschen, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen (Kostenträger gesetzliche Krankenkassen) auf die Selbstversorgungsfähigkeit (Grundsatz Sozialgesetzbuch „Reha vor Rente“ und „Reha vor Pflege“).

Voraussetzung Einleitung
Rehabilitation

Aus einem Befundbericht für die Einleitung einer Rehabilitation ist die genaue Darstellung der Auswirkung der Erkrankung auf die Aktivitäten und die Partizipation von ganz besonderer Bedeutung und wichtiger als die Aufzählung zahlreicher körperlicher Befunde und Diagnosen sowie Ergebnissen der Bildgebung, um den Reha-Bedarf darzulegen. Die notwendige Diagnostik soll abgeschlossen sein. Ambulante Behandlung wurde durchgeführt und ist nicht mehr ausreichend. Eine Krankenhausbehandlung ist nicht oder nicht mehr erforderlich. Es sollte in der Abschätzung eine positive Reha-Prognose gegeben werden können. Weiterhin ist die Reha-Fähigkeit darzustellen, d.h. der Patient muss psychisch und physisch ausreichend belastbar für ein Rehabilitationsprogramm sein.

Stehen Einschränkungen der Aktivitäten und der Partizipation im Vordergrund, dann kann beim zuständigen Rehabilitationsträger eine Rehabilitationsmaßnahme beantragt werden. Die Rehabilitationsleistung kann sich aber auch an einen akut-stationären Aufenthalt anschließen, sofern noch Defizite dieser Art bestehen, die eine Rehabilitation begründen. Kurative Medizin und Rehabilitation ergänzen sich.

Durchführung und Inhalte der Rehabilitation

In der Regel dauert eine rehabilitative Maßnahme ca. 3 Wochen mit der Möglichkeit der Verlängerung.

Die Therapieinhalte werden in Abhängigkeit von den bestehenden Einschränkungen und den individuell gemeinsam mit dem Patienten festzulegenden und dem Reha-Team (bestehend aus Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten und weiteren Berufsgruppen in unterschiedlichen Zusammensetzungen) zu kommunizierenden Therapiezielen bestimmt. Die Zielerreichung wird im Behandlungsverlauf im Reha-Team besprochen, dokumentiert, evaluiert und ggf. angepasst.

Bestandteile der multimodalen Therapie in der Rehabilitation sind die medizinische ärztliche Behandlung. Diese wird ergänzt durch eine intensive Information und Schulung mit Inhalten zur Schmerzerkrankung und Bezug zur individuellen Problematik wie psychosoziale Risikofaktoren und Bewegungsmangel. Die Reha-Fähigkeit ist von besonderer Bedeutung, da das Behandlungsprogramm eine konsequente Steigerung der körperlichen Aktivität durch Bewegungstherapie und Sporttherapie vorsieht. Ziel muss es sein, dass der Patient motiviert wird, diese Inhalte im Alltag weiterzuführen und dass er Kompetenz zur eigenen Trainingssteuerung erhält. Die psychologischen Behandlungsmaßnahmen zielen ab auf eine Veränderung eines maladaptiven, auf Ruhe und Schonung oder Durchhalten ausgerichteten Krankheitsverhaltens sowie zur Stärkung von eigenen Ressourcen im Umgang mit Schmerz und Beeinträchtigung. Der Patient muss Entspannungs- und Stressbewältigungstechniken erlernen. Für Patienten im erwerbsfähigen Alter haben die Beratung im Hinblick auf den individuellen Arbeitsplatz sowie Trainingsprogramme unter Einbezug ergotherapeutischer Maßnahmen für den Einsatz am Arbeitsplatz einen besonderen Stellenwert.

Die deutsche Rentenversicherung hat auf wissenschaftlicher Basis Reha-Therapiestandards für die Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen etabliert [7], deren Einhaltung im Rahmen eines externen Qualitätsmanagements überprüft wird. Konkrete Vorgaben im Hinblick auf Leistungen zur Rehabilitation bei Patienten, bei denen eine gesetzliche Krankenversicherung Kostenträger ist, existieren in dieser Form nicht.

Rehabilitation bei besonderen Problemlagen –
MBOR und VOR

Jede Einrichtung der medizinischen Rehabilitation muss diagnostische und therapeutische Kompetenz auf dem Feld der beruflichen Integration entwickeln und vorhalten. Allerdings gibt es Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problemlagen ohne manifeste psychische Komorbidität, die spezifischer Angebote bedürfen. In der Regel handelt es sich um Versicherte mit problematischen sozialmedizinischen Verläufen (z.B. lange oder häufige Zeiten Arbeitsunfähigkeit und/oder Arbeitslosigkeit), negativer subjektiver beruflicher Prognose, verbunden mit der Sorge, den Anforderungen des Arbeitsplatzes nicht gerecht werden zu können und bei aus sozialmedizinischer Sicht erforderlicher beruflicher Veränderung. Für diese Versicherten wurde auf wissenschaftlicher Grundlage das Konzept der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) entwickelt und etabliert [6]. Im Rahmen der MBOR lernen die Rehabilitanden Strategien, die ihnen helfen, die Anforderungen ihres Arbeitsplatzes zu bewältigen.

Wenn in einem reharelevanten somatischen Indikationsbereich eine gravierende Funktionseinschränkung im Vordergrund steht und diese von einer wesentlichen psychischen Komponente der Fähigkeitseinschränkung begleitet wird, dann kann die Indikation für eine verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation (VOR) gegeben sein. In diesem seit 2001 entwickelten Reha-Konzept tritt besonders die psychosoziale Belastung bei chronischen Schmerzerkrankungen in den Vordergrund. Das verhaltensmedizinische Behandlungskonzept erfolgt vorwiegend im Bereich Psychologie/Psychotherapie und Bewegungs-/Sporttherapie.

Steht die psychische Störung im Vordergrund der gefährdeten Erwerbsfähigkeit, dann ist VOR nicht geeignet und es sollte der Bedarf einer psychosomatisch psychotherapeutischen Rehabilitation geprüft werden. Liegt eine reharelevante somatische Funktionsstörung mit einer besonderen beruflichen Problemlage ohne psychische Komorbidität vor, dann ist vorrangig die Indikation der oben erwähnten medizinischberuflich orientierten Rehabilitation (MBOR) zu prüfen. Selbstverständlich können bei entsprechender Problemlage die Verfahren auch kombiniert werden.

Dem einleitenden Arzt sollen diese Ausführungen nur zur Information über die Verfahren dienen. Die Indikationsstellung wird in der Regel bei und durch die DRV auf Grundlage der Zusammensicht der ärztlichen Befunde und der Stellungnahmen der Versicherten getroffen.

Ambulante Rehabilitation

Rehabilitationsleistungen werden sowohl ambulant als auch stationär erbracht. Die ambulante ganztägige Durchführung hat prinzipiell Vorrang vor stationären Verfahren. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Voraussetzungen für eine ambulante Rehabilitation gegeben sind (Tab. 4).

Rehabilitation und Multimodale Schmerztherapie

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