Übersichtsarbeiten - OUP 01/2024

Coccygodynie
Ein Überblick

Im ersten Anlauf sollten nicht-steroidale entzündungshemmende Medikamente in Kombination mit einem Ringsitzkissen oder Keilkissen verordnet werden. Zudem kann Krankengymnastik zum Haltungstraining eingesetzt werden. Beweise in der Literatur für die Behandlung sind spärlich.

Manuelle oder physikalische Therapie mit Manipulation
des Steißbeins und
Beckenbodentraining

Je nach dargestellter Instabilität in der Bildgebung gibt es 2 Ansätze für die manuelle Therapie. Bei geringer Instabilität kann von einem Spasmus der Beckenbodenmuskulatur (M. levator ani) ausgegangen werden. Thiele beschrieb eine zentrale Rolle des Levator-ani-Spasmus; Steißbeinkrämpfe verschlimmern zusätzlich Schmerzen und Degeneration der Kreuzbein- und Steißbeingelenke, was wiederum zu mehr Krämpfen führt. So spielt das Massieren der langen Fasern des Levator ani eine Rolle bei der Linderung der Muskelkrämpfe und der Unterbrechung des Teufelskreises der Schmerzen [17].

Bei Patientinnen und Patienten mit erheblicher Instabilität dagegen führen Massagen zu einem eher schlechten Ergebnis, sodass Maigne in diesen Fällen eine Steißbeinmanipulation empfiehlt. Dabei sollte mit dem Finger innerhalb des Rektums und dem Daumen außen das Steißbein umgriffen werden. Weiterhin sollte die Steißbeinstreckung nach Manipulation für einige Minuten aufrechterhalten werden, indem mit dem Zeigefinger Gegendruck auf das Steißbein und mit der anderen Hand Druck nach hinten auf das untere Kreuzbein ausgeübt wird [24]. Diese Behandlungen werden auch von Osteopathen häufig erfolgreich durchgeführt.

Injektionen und
Ganglion-Impar-Block

Sollten diese nicht-invasiven Behandlungsmethoden nicht zum Erfolg führen, sollten Injektionen mit einem Lokalanästhetikum und Steroiden zum Einsatz kommen. Dabei hat die Lokalanästhetikagabe auch eine diagnostische Funktion, um ein mögliches operatives Ergebnis abzuschätzen. In der Literatur werden bildwandlergestütze, CT-gesteuerte oder Freihandinjektionen beschrieben. Ziel ist dabei die Umflutung des schmerzhaften Areals [2, 7].

Eine Sonderform der Injektion ist der Ganglion-Impar-Block. Dieser ist ebenfalls mit unterschiedlichen Techniken in der Literatur vertreten. Unter Bildgebung (CT, Bildwandler) wird dabei das ventral des ersten Bandscheibenfaches gelegene Ganglion entweder direkt durch die Bandscheibe oder von seitlich kommend, zunächst mit Kontrastmittel dargestellt (reversed C-sign) und dann infiltriert. Eine Sonderform ist dabei die Thermodenervierung oder Dextrose-Prolotherapie [25–28].

Weitere Methoden aus der
Literatur

Es gibt einzelne Fallberichte zur erfolgreichen perkutanen Sakralnervenstimulation unter Verwendung eines Burst-SCS-Systems, die den Patientinnen und Patienten eine verbesserte Fähigkeit verleiht, längere Zeit zu sitzen [29]. Giordano et al. demonstrierten einen erfolgreichen Fall, in dem die Dorsal-Root-Ganglion-(DRG-)Stimulation zur Behandlung von chronischer Coccygodynien erfolgreich eingesetzt wurde [30].

Eine Studie zeigte einen positiven Effekt der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT). Es wurde gezeigt, dass die ESWT die Schmerz- und Behinderungswerte senkt und sich als überlegen gegenüber physikalischen Maßnahmen darstellt [31, 32].

Operative Therapie

Die Entfernung des Steißbeins wird trotz guter Studienlage immer noch sehr kritisch gesehen, da sich nur wenige mit der Thematik intensiv beschäftigen. Nach Ausschöpfen der konservativen Maßnahmen zeigt die Literatur eine Erfolgsrate von 85–100 % bei richtig ausgewähltem Patientinnen- und Patientengut [8, 33–37]. Zur guten Auswahl der Patientinnen und Patienten gehören für den Autor auch eine ausführliche Aufklärung und eine deutliche Instabilität in den Funktionsaufnahmen sowie eine wenigstens kurzfristig erfolgreiche Testinfiltration mit einem Lokalanästhetikum.

Technisch sind verschiedene Methoden beschrieben. Prinzipiell unterscheidet man die totale von einer partiellen Coccygektomie. Je nach Literatur sind beide gleich erfolgreich, wobei bei der partiellen Coccygektomie Rezidive beschrieben sind. Der Autor setzt das Steißbein immer an der instabilen Stelle ab, um möglichst wenig Kollateralschaden zu verursachen.

Die Coccygektomie wird üblicherweise über einen hinteren Mittellinienschnitt direkt über dem Steißbein, wie von Key 1937 beschrieben, durchgeführt [38]. Die Dissektion erfolgt durch Einschneiden der Bandscheibe cranial des instabilen Segmentes und ein knochennahes nach caudal gerichtetes Abpräparieren, um eine Verletzung der Rektumwand zu vermeiden. Idealerweise werden alle Segmente en-bloc herausgetrennt. Die cranio-caudale Vorgehensweise hat sich als sicherer herausgestellt als die Präparation von caudal nach cranial.

Um Wundheilungsstörungen zu minimieren, wurden in letzter Zeit unterschiedliche Möglichkeiten der Hautinzision veröffentlicht. Kulkarni et al. fügen dem Einschnitt eine Z-Plastik hinzu, um die auf den Einschnitt wirkenden Spannungen und Zentrifugalkräfte zu reduzieren und somit das Auftreten von Wundkomplikationen zu reduzieren [39]. Bei seiner Fallserie von 10 Patientinnen und Patienten (männlich 6) betrug das Durchschnittsalter 40,78 Jahre (19–55 Jahre). Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 1,75 Jahre. Alle Wunden heilten gut, ohne dass es zu Wunddehiszenzen oder Wundinfektionen kam. Die mittlere VAS (visuelle Analogskala) verbesserte sich von 7,33 ± 0,5 auf 2,11 ± 1,2 (P < 0,05). Neun Patientinnen und Patienten berichteten über hervorragende Ergebnisse und ein Patient über schlechte Ergebnisse in Bezug auf Schmerzlinderung.

Nagappa et al. haben einen curved-paramedian Schnitt verwendet, um damit die Rima ani zu schonen [40]. Das Durchschnittsalter dieser Population betrug 39 Jahre mit einer mittleren Dauer der Symptome vor der Operation von 7,4 Jahren. Der mittlere VAS-Schmerz verbesserte sich von 8 auf 2 (p < 0,001) und der Medianwert der Zufriedenheit der Patientinnen- und Patienten betrug 8 (von 10), was auf ein gutes bis ausgezeichnetes Ergebnis hindeutet. Es gab insgesamt 5 (11 %) Wundinfektionen bei 45 operierten Patientinnen und Patienten, von denen 2 eine chirurgische Revision brauchten, die anderen konnten mit Antibiotikagabe über 14 Tage behandelt werden.

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