Übersichtsarbeiten - OUP 02/2014

Das Facettensyndrom
Grundlagen, OP-Technik und Ergebnisse der perkutanen FacettenkoagulationBasics, surgical technique and results of the percutaneous coagulation

Dory führte die Arthrografie mit 1–3 ml Kontrastmittellösung durch und instillierte anschließend nach weitestgehender Reaspiration des Kontrastmittels 2–3 ml eines Lokalanästhetikums. Fast immer rupturierte die Gelenkkapsel während der Injektion oder bei anschließender Bewegung, und zwar im lateralen oder medialen Teil des unteren Recessus [20]. Wenn Flüssigkeitsaustritt auf der lateralen Seite erfolgt, diffundiert die Flüssigkeit in das benachbarte weiche Gewebe, wo die Zweige des Ramus posterior verlaufen. Medialer Austritt erfolgt durch das Ligamentum flavum in den Epiduralraum und manchmal in das Foramen intervertebrale.

Maldague et al. führten vor der Anästhetikagabe eine Arthrografie mit 2–4 ml 77 %iger Methylglukamin-Lösung und Kontrastmittel bei 51 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen von mehr als 6 Monaten durch [24]. Bei allen Patienten wurde mit einem Injektionsvolumen von mehr als 3–5 ml Diffusion des Kontrastmittels in die periartikulären Weichteile beobachtet. Dieser Flüssigkeitsaustritt erfolgte in verschiedene Richtungen vom unteren Recessus aus, gelegentlich auch vom Oberen. Schulitz und Lenz [1984] sowie Hildebrandt und Weyland [3, 8] empfehlen ebenfalls den Einsatz von höchstens 1 ml Injektionsvolumen pro Gelenk für diagnostische Zwecke und auch Paris [25] bestätigt die Beobachtungen der anderen Autoren. In seinen eigenen Untersuchungen stellte er fest, dass sogar eine geringe Injektionsmenge von nur 0,5 ml zu einem Flüssigkeitsaustritt aus dem unteren Recessus bis in das Foramen intervertebrale führen könne. Über die klinische Relevanz dieser Beobachtung von Paris kann bisher nur spekuliert werden.

Moran et al. [26] haben in einer prospektiven Studie den diagnostischen Wert der Facetteninjektion untersucht. Sie beziehen sich in ihrer Einschätzung des Gelenkvolumens von 1–2 ml ebenfalls auf Glover [23]. Mit einem Injektionsvolumen von 1,0–1,5 ml Bupivacain 0,5 % pro Facettengelenk behandelten sie 54 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen und weiteren klinischen Zeichen eines Facettensyndroms. In 9 Fällen (16,7 %) diagnostizierten sie ein Facettensyndrom. Für die Diagnose Facettensyndrom mussten die beiden Kriterien

  • a) Schmerzprovokation bei Einführen der Nadel in die Kapsel und
  • b) Schmerzfreiheit nach Injektion
  • erfüllt werden.

Moran et al. [26] weisen auf die sehr ähnlichen Resultate (16 %) von Raymond und Dumas [2] hin. Sie führen die mit Facetteninjektion erzielte wesentlich häufigere Diagnose eines Facettensyndroms (60 %) bei anderen Autoren darauf zurück, dass durch Flüssigkeitsaustritt aus dem Gelenk nach Injektion zu großer Volumina andere Schmerz auslösende Strukturen anästhesiert wurden, dass also sehr häufig eine falsch positive Diagnose gestellt wurde.

Einfluss des schmerzfreien Zeitraums nach Facetteninfiltration auf die Prognose der Thermokoagulation: In eigenen Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass 15 Patienten mit einem über 5 Tage anhaltenden schmerzfreien Intervall nach Facetteninfiltration eine signifikant höhere Erfolgsaussicht nach Thermokoagulation hatten. Bei einer über 12 Stunden anhaltenden Schmerzfreiheit nach Facetteninfiltration ließ sich kein günstiger Einfluss auf das Ergebnis einer nachfolgenden Thermokoagulation feststellen. Inwiefern diese Beobachtung verallgemeinert werden kann, bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten [27].

Hautmarkierung für die Zielpunkte (Abb. 6): Zunächst werden der Processus spinosus von L2 und S2 ertastet, mit einem sterilen Filzschreiber markiert und durch eine axiale Linie miteinander verbunden. Unter Bildwandlerkontrolle wird unter Zuhilfenahme einer Peonklemme – sie fungiert als Zeiger – der Punkt, an dem sich die laterale Seite des Pediculus mit dem Processus transversus vereinigen, identifiziert und auf der Haut auf beiden Seiten eines jeden zu behandelnden Niveaus markiert. Zusätzliche Markierungen werden in der Inzisur zwischen oberem Gelenkfortsatz von S1 und dem lateralen Kreuzbeinmassiv eingezeichnet. Die transversen Linien, welche die Pedikel-Zielpunkte miteinander verbinden, haben einen Abstand von ca. 3–3,5 cm.

Intraoperatives Vorgehen

Elektrodenpositionierung: Sind Zielpunkte in verschiedenen Ebenen zu koagulieren, werden bei beidseitigem Vorgehen erst die Äste nur einer Seite, dann die Äste der anderen Seite behandelt. Wir beginnen i.A. mit dem Koagulationsvorgang an den unteren Niveaus und schreiten in aufsteigender Reihenfolge fort. Bei der Koagulation der sakralen Äste wird zunächst der Gelenkast L5/S1 in der Inzisur zwischen oberem Gelenkfortsatz S1 und Kreuzbein thermokoaguliert, nachfolgend der aufsteigende Ast S1 an der unteren Zirkumferenz des Gelenks L5/S1, sodann der Ast vom S1-Foramen und der kraniale KDF-Ast (Abb. 7). Erst danach erfolgt Thermokoagulation der Lumbaläste in aufsteigender Reihenfolge.

L5/S1: Aufgrund der besonderen Nervenversorgung dieses Gelenks – zusätzlich zum medialen Zweig ein vom S1-Foramen aufsteigender Ast – werden 3 Koagulationspunkte benötigt:

  • a) die Inzisur zwischen Kreuzbeinmassiv und dem oberen Gelenkfortsatz S1,
  • b) der untere Rand der Facettengelenkskapsel von L5/S1 und
  • c) die obere Kante des Foramen posterior von S1.

Alle Koagulationspunkte können durch die gleiche Punktionsstelle der Haut erreicht werden. Diese liegt direkt über der Inzisur. Das Foramen von S1 liegt in direkter Linie unter sowohl der Inzisur als auch unter den Zielpunkten von L4/L5 und L5/S1. Es liegt auch streckenmäßig genauso weit unter der Inzisur, wie die Inzisur unter dem processus transversus von L5 liegt. Die Ziele an den sakralen Foramina müssen immer unter Einhaltung eines flachen Winkels angegangen werden, sodass die Elektrode nicht tief in das Foramen eindringen kann. Das Stimulationsfeld ist während des Vorschiebens laufend einzuschalten.

Iliosakralgelenk (S1): Bei offensichtlicher Schmerzbeteiligung aus dem S1-Gebiet werden nach Ray zusätzliche Koagulationsziele erforderlich:

  • a) Die obere Verbindung von Sacrum und Ilium. Die beste Darstellung dieses Koagulationspunkts gelingt, wenn der Patient 20° in Richtung zum Operateur gedreht wird.
  • b) Die mehr lateral gelegene Seite des Foramen von S1 und entlang des oberen lateralen Bereichs des Foramen von S2. Für den letzten Punkt ist eine erneute Hautpunktion direkt über dem Foramen von S1 notwendig, wobei die Elektrode unter einem kleinen Winkel vorgeschoben werden muss, da die Elektrode sonst in das Foramen von S2 geschoben wird.

Ergebnisse in der Literatur

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