Übersichtsarbeiten - OUP 02/2014

Das Facettensyndrom
Grundlagen, OP-Technik und Ergebnisse der perkutanen FacettenkoagulationBasics, surgical technique and results of the percutaneous coagulation

Anderson et al. [6] behandelten 47 Patienten mit der Radiofrequenztechnik nach Shealy. Alle Patienten hatten statische und kinetische Schmerzen, 90 % hatten Ausstrahlung der Schmerzen bis in die Beine, keiner hatte klinische oder radiologische Anzeichen für einen Bandscheibenvorfall, keiner zeigte Besserung durch konservative Maßnahmen. Alle Patienten waren von der Arbeit zurückgestellt oder bezogen Arbeitsunfähigkeitsrente. Nur 5 Patienten hatten ihre Symptome kürzer als 3 Monate.

Die als prognostisch günstiges Zeichen geltende Provokation der üblichen Schmerzen durch Facetteninjektion der relevanten Gelenke oder/und intraoperative Elektrostimulation vor der Facettenkoagulation gelang bei allen Patienten. Dennoch wurden nach einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 8 Monaten nur in 17 % (8 Fälle) gute bis sehr gute Ergebnisse erzielt. Selbst bei den 21 nicht voroperierten Patienten waren nur 2 mindestens gute Behandlungserfolge zu verzeichnen.

Damit stehen ihre Ergebnisse völlig im Gegensatz zu den von anderen Autoren beschriebenen Erfahrungen. Ihre wenig zufriedenstellenden Ergebnisse führen die Autoren auf die mögliche Kapselruptur aufgrund zu großer Injektionsvolumina in die Facettengelenke zurück [6]. Durch Austritt der Injektionslösung aus den Gelenken hätte eine Anästhesie anderer für die Schmerzauslösung relevanter Strukturen eine falsch positive Diagnose ergeben [2].

Andererseits stellt sich dann die Frage, warum die Facetteninjektion mit großen Injektionsvolumina nicht häufiger eine therapeutische Wirkung hatte, wie z.B. von [28] beobachtet. Beachtenswert ist einerseits, dass die Autoren sich nicht zur psychogenen Schmerzbeteiligung oder Feststellung untypischer Krankheitszeichen („inappropriate signs“) geäußert haben. Aufgrund der guten sozialen Absicherung werden die Behandlungserfolge bei Patienten mit Versicherungsansprüchen oder Rentenverfahren sehr schlecht ausfallen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte geht der Interpretationsversuch der Autoren möglicherweise in die falsche Richtung.

Demirel [29] veröffentlichte als erster Operateur in Deutschland seine Erfahrungen mit der Facettenkoagulation an 56 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. Eine Facetteninjektion zur Patientenselektion wurde nicht durchgeführt. 78 % (32 von 41) der nicht Voroperierten und 13 von 15 Patienten mit Postdiskotomie-Syndrom waren initial schmerzfrei, nach 3 Monaten hatten sich 6 Postdiskotomiepatienten wieder verschlechtert, wobei die Rezidive jeweils im ersten Monat aufgetreten waren; 5 Patienten waren nicht nachuntersucht worden.

Fassio et al. [30] erzielten mit der Facettenkoagulation bei 60 % der 30 Patienten eine anhaltende Schmerzreduktion (Nachuntersuchungszeitpunkt ca. 1 Jahr im Mittel). Interessant ist seine Mitteilung über die chirurgische Facettendenervation, die in 15 Fällen einer erfolglosen perkutanen Thermokoagulation durchgeführt wurde und in 90 % der Fälle (1–4-Jahres Follow-up) mindestens gute Ergebnisse brachte.

Ignelzi und Cummings [31] haben eine bemerkenswerte statistische Studie über subjektive Schmerzempfindung, tägliche Aktivität und Medikamenteneinahme von 61 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen nach Thermokoagulation vorgenommen. Nach einem durchschnittlichen Follow-up von 19 Monaten mit 41 % guten bis sehr guten Behandlungserfolgen stellten sie fest, dass bei Patienten, bei denen das subjektive Schmerzempfinden wieder erheblich zugenommen hatte, Aktivität signifikant höher und Medikamenteneinnahme signifikant niedriger als vor Thermokoagulation geblieben waren. Es konnte also eine zunehmende Diskrepanz zwischen subjektiv empfundenen und objektiv beobachtbarem Behandlungserfolg festgestellt werden.

Katz und Martin [32] berichten über 115 Facettenkoagulationen an 56 voroperierten und 59 nicht voroperierten Patienten einer Vorortpraxis. Eine Facetteninjektion zur Vorselektion wurde nicht durchgeführt. Kein Patient hatte Hinweise auf neurologische Defizite oder einen Bandscheibenvorfall, konservative Behandlungsmaßnahmen hatten längere Zeit keinen Erfolg gebracht. Die Denervation wurde immer beidseits an den 3 unteren Facettengelenken durchgeführt. Eine Nachuntersuchungszeit von mindestens einem Jahr war erforderlich, um in die Studie aufgenommen zu werden. Die Beurteilung des Behandlungserfolges erfolgte nach einem starren und eingeschränkten Schema, wonach 66 % der Patienten gute bis sehr gute Schmerzerleichterung erreichten. 75 % der nicht voroperierten Patienten und 58 % der zuvor Laminektomierten profitierten von der Behandlung.

Lora und Long [18] führten die Facettenkoagulation an 82 nicht voroperierten (Kategorie I) und 67 voroperierten (Kategorie II) Patienten aus, wobei auch zervikal und thorakal behandelte Patienten berücksichtigt wurden. Behandlungserfolge mit zumindest 50 %iger Schmerzreduktion werden bei diesen Fällen mit 40 % der Fälle angegeben. Von den 119 im Lumbosakral-Bereich denervierten Patienten – eine Unterscheidung nach voroperiert/nicht voroperiert wird hier nicht mehr vorgenommen – führte in 46 Fällen (38 %) zu zumindest guten Ergebnissen.

Die Nachuntersuchung der Patienten erfolgte 6–30 Monate nach Facettenkoagulation. Bei 61 % der Patienten aus Kategorie I wurden mindestens 50 % subjektive Schmerzerleichterung erzielt, dagegen nur bei 26 % der Patienten aus der Kategorie II. Alle Patienten hatten kurzzeitig von einer Facetteninjektion mit 1,0 ml Lokalanästhetikum profitiert, wobei nur 14 länger als 48 Stunden und ein Patient länger als 2 Monate Schmerzerleichterung verspürt hatten. Bemerkenswert ist die hohe Erfolgsquote (17 von 18) bei wiederholter Thermokoagulation.

Mooney [15] berichtet über wenig überzeugende Ergebnisse mit der Facettendenervation an eigenen Patienten, macht aber keine weiteren Angaben. Hildebrandt und Weyland [3] äußerten die Vermutung, Mooney’s schlechte Erfahrungen mit der Denervationsmethode hingen mit seinem aus Problemfällen bestehenden Patientengut zusammen.

Überraschend sind allerdings Mooney’s gute Ergebnisse mit der Facetteninjektion (68 % Schmerzfreiheit bei 50 Patienten nach mindestens 6 Monaten), die er in der gleichen Veröffentlichung vorstellt. Diese Angaben stehen im Gegensatz zu unseren eigenen Beobachtungen, wonach lang anhaltende Schmerzfreiheit nach Facetteninfiltration mit verbesserter Prognose einer anschließenden Thermokoagulation einhergeht [27]. Auch unser Kollektiv besteht retrospektiv betrachtet aus Problemfällen (therapeutisch angewandte Facetteninfiltration bei allen Patienten erfolglos, dennoch je nach Patienteneigenschaften in bis zu über 40 % deutliche Beschwerdereduktion noch nach 6 Jahren).

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