Übersichtsarbeiten - OUP 06/2013

Der chronische Leistenschmerz des Sportlers

Im MRT ist der Nachweis einer Insertionstendinose möglich, wenn eine ödematöse Begleitreaktion besteht [25]. Wichtig für diese Fragestellung ist ein standardisiertes Untersuchungsprotokoll [22] mit zuvor festgelegter Schichtdicke von 3 mm in den flüssigkeitssensitiven Sequenzen.

Die Therapie der chronischen Ansatztendinose der Adduktorenmuskulatur ist zunächst konservativ [12]. Hierbei scheint die aktive physiotherapeutische Behandlung des Patienten der passiven Behandlungsstrategie überlegen zu sein [12]. Ergänzt werden kann diese physiotherapeutische Behandlung durch die Gabe nichtsteroidaler Antiphlogistika und durch die radiale extrakorporale Stoßwellentherapie. Auch lokale Injektionen (Lokalanästhetika, Kortison, Lokalanästhetika in Kombination mit Glukose und Traumeel) an den sehnigen Ansatz der Muskulatur kommen als therapeutische Maßnahme infrage.

Kommt es zu keiner Besserung der Beschwerden durch diese konservativen Therapien, ist eine Freilegung des M. adductor longus mit Tenotomie [2, 7] zu diskutieren. Eine strenge Patientenselektion vorausgesetzt, werden von diesem Eingriff sehr gute Ergebnisse berichtet [7].

Insertionstendinosen des M. rectus-abdominis-Ansatzes, ohne Tendenz der Besserung unter konservativer Therapie, sollten operativ behandelt werden. Häufig verbirgt sich hinter diesen chronischen Ansatzreizungen eine unerkannte Leistenpathologie. Die thermische Denervierung in Verbindung mit der Stabilisierung, der in unmittelbarer Nähe des Ansatzes liegenden Leistenregion, führt nahezu immer zu einer Besserung der Beschwerden.

Ostitis pubis

Die Symphyse stellt anatomisch ein straffes Gelenk dar. Sie wird kranial durch das Ligamentum pubicum superius, kaudal durch das Ligamentum pubicum inferius und ventral durch das Ligamentum pubicum anterius gebildet. Die ansetzenden Bauchmuskeln und die Adduktoren ergänzen sich zu einer gekreuzten myofazialen anterioren Kette. Sie können die Symphyse gleichzeitig dynamisieren und stabilisieren. Eine natürliche Mobilität der Symphyse von 2 mm und eine Rotation von 3° sowie eine Weite des Symphysenspalts von 8 mm gelten als normal [5]. Darüber hinausgehende Veränderungen müssen als pathologisch angesehen werden.

Degenerative Veränderungen an der Symphyse wie auch Überlastungsreaktionen am Os pubis, etwas unpräzise als Ostitis pubis bezeichnet, können durch ihre anatomische Nähe zur Leistenregion mit chronischen Leistenschmerzen einhergehen. Eine Mitbeteiligung der am Os pubis ansetzenden Muskulatur, begleitende trabekuläre Mikrofrakturen in der Spongiosa [29] oder ein Ermüdungsbruch im Os pubis lösen immer einen hartnäckigen Schmerz in der Leistenregion aus. Sie sind mit einem ausgeprägten Knochenödem im Os pubis verbunden. Allerdings haben Untersuchungen der Arbeitsgruppen von Lovell [17] zeigen können, dass die Ostitis pubis auch symptomlos bei Sportlern auftreten kann.

In diesen Fällen handelt es sich lediglich um eine Überlastungsreaktion des Knochens mit einem reaktiven Ödem. Der Nachweis eines Ödems im Schambeinknochen sollte deshalb nicht zu einer reflexhaften Zuschreibung der Leistenschmerzen auf diese Veränderungen verleiten. Andere einen Leistenschmerz auslösende Erkrankungen müssen sicher ausgeschlossen werden.

Klinisch lassen sich bei einer Ostitis pubis, wie bei den Insertionstendinosen, funktionelle Störungen der am Os pubis ansetzenden Adduktorenmuskulatur, aber auch der Hüftgelenksrotatoren nachweisen. Isometrische Spannungstests der Muskulatur sind hoch schmerzhaft und die Kraftentwicklung in der betroffenen Muskulatur deutlich vermindert.

Klinisch findet sich ein fließender Übergang zu den hartnäckigen Insertionstendopathien der Muskulatur.

In der MRT kann zusätzlich zum ausgedehnten Knochenödem gelegentlich ein Ödem in der angrenzenden Muskulatur nachgewiesen werden. In allen Fällen einer Ostitis pubis ist die Kontrolle des 25-Hydroxycholecalciferol-Spiegels sinnvoll. Nachgewiesene Vitamin D-Mangelzustände sollten substituiert werden. Diese Substitution kann zu einem Rückgang der Beschwerden und des Ödems in der MRT führen.

Der schwerwiegendste Befund im Zusammenhang mit einer Ostitis pubis ist die Symphyseninstabilität. Diese kann bereits klinisch vermutet werden, wenn bei der Abduktion des Beins in Seitenlage die vom Athleten angegebenen Schmerzen in den Beckenboden ausstrahlen.

Die Diagnostik einer Ostitis pubis sollte mit der MRT nach einem standardisierten Untersuchungsprotokoll [23] durchgeführt werden. Bei dem Verdacht einer muskulären Beteiligung sollte
eine zusätzliche Kontrastmitteluntersuchung durchgeführt werden, da sie eine muskuläre Beteiligung aufdecken kann [25].

Der kernspintomografische Nachweis von Flüssigkeit im Symphysenspalt mit subchondraler Zystenbildung muss als Hinweis auf eine Instabilität gewertet werden. Eine Objektivierung der Instabilität gelingt gut mit der sog. Flamingoaufnahme. Allerdings sollte diese technisch etwas anspruchsvollere Einbeinstand-Aufnahme unter standardisierten Bedingungen durchgeführt werden. Eine Stufenbildung an der Symphyse von mehr als 2 mm gilt als beweisend für eine Instabilität.

Um eine Vergleichbarkeit der Befunde einer Ostitis pubis zu gewährleisten, empfehlen wir die Einführung einer Stadieneinteilung (Tab. 2), die sowohl dem radiologischen Bild in der MRT, wie auch dem klinischen Befund beim Athleten Rechnung trägt [14].

Eine seltene Ursache des Leistenschmerzes stellen die ligamentären Verletzungen der Symphysenfuge dar, die mit einer Instabilität der Symphyse einhergehen können.

Oft ist das Ligamentum pubicum inferius und damit auch die tief am Os pubis ansetzende Muskulatur des Oberschenkels betroffen. Der Nachweis dieser Verletzung gelingt über die Darstellung der Symphysenfuge in der MRT oder mit einer röntgengestützten Injektion von Kontrastmittel in den Symphysenspalt. Diese Untersuchung zeigt die Verletzung des Ligamentum pubicum inferius (sog. Secondary-cleft-Syndrom).

Die Ostitis pubis, die Symphyseninstabilität wie auch die ligamentären Verletzungen der Symphyse werden zunächst konservativ behandelt. Die Therapie zielt auf eine Stabilisierung der Beckenmuskulatur und eine Stärkung der anterioren myofaszialen Kette durch eine aktive Trainingstherapie [11, 12].

Infrage kommen auch lokale Injektionen in die Symphysenfuge mit Kortison und Lokalanästhetika.

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