Übersichtsarbeiten - OUP 06/2013

Der chronische Leistenschmerz des Sportlers

Eine operative Stabilisierung der instabilen Symphyse mittels Plattenosteosynthese und Zuggurtung, wie sie von Williams [30] beschrieben wurde, ist problematisch, insbesondere hinsichtlich langfristig auftretender, nicht absehbarer funktioneller Störungen bei den zumeist jungen Patienten.

Finden sich während der Diagnostik weitere Pathologien der Leistenregion oder des Hüftgelenks, sollten diese unserer Ansicht nach, auch beim Vorliegen einer Ostitis pubis, immer korrigiert werden. Im Rahmen einer Doppelpathologie können sie an der Entstehung des Leistenschmerzes beteiligt sein.

Hüfterkrankungen

Dass Erkrankungen des Hüftgelenks in die Leistenregion ausstrahlen, ist seit Langem bekannt. In der bereits erwähnten Arbeit von Larsson [15] fanden
sich bei ca. 50 % der Patienten mit
Leistenschmerzen Hüfterkrankungen als Schmerzursache. Von diesen sind nicht nur ältere, sportlich aktive Patienten betroffen, die eine Arthrose des Hüftgelenks ausgebildet haben.

Immer öfter finden sich auch bei jungen Sportlern Hüfterkrankungen, die durch einen chronischen, immer wieder unter Belastung auftretenden Leistenschmerz symptomatisch werden.

Der Verdacht auf eine arthrogene Ursache des Leistenschmerzes ergibt sich dabei aus dem klinisch auffälligen Befund bei der Untersuchung des Hüftgelenks und dem fehlenden Nachweis einer sicheren Leistenpathologie.

Ein Kapselmuster nach Cyriax, der positive CAM-Test und ein sog. schmerzhaftes Snapping-hip-Syndrom, das auf intraartikuläre Hüftgelenksveränderungen hinweist, sollten immer eine entsprechende Hüftgelenksdiagnostik auslösen [6, 19]. Mit dem Röntgenbild des Hüftgelenks und einer nativen MRT der Hüfte können Pathologien des Hüftgelenks, wie ein femoro-acetabuläres Impingement (FAI), Coxarthrosen, Hüftkopfnekrosen und Epiphysiolysen, aber auch Bursitiden nachgewiesen werden [19]. Bei dem Verdacht auf eine Labrumläsion oder einen Knorpeldefekt kann die probatorische Injektion eines Lokalanästhetikums in das Hüftgelenk unter sonografischer oder radiologischer Kontrolle durchgeführt werden. Findet sich nach dieser Injektion eine temporäre Besserung der Beschwerden, ergänzt man die Diagnostik mit einer intraartikulären Kontrastmittel-MRT.

Die Therapie der verschiedenen Hüfterkrankungen ist abhängig von der gestellten Diagnose und nicht Gegenstand dieser Arbeit. Neben einem konservativen physiotherapeutischen Behandlungsansatz in Kombination mit der Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika gibt es die verschiedensten operativen Therapiemöglichkeiten [6, 15].

Wirbelsäulenerkrankungen

Immer wieder kann man im klinischen Alltag beobachten, dass Leistenschmerzen in Kombination mit Veränderungen in der unteren Wirbelsäule auftreten. Pathologien der Wirbelsegmente, die – wenn auch selten – für Leistenschmerzen verantwortlich gemacht werden können, sind

  • 1 der Bandscheibenvorfall,
  • 2 die Discopathie und
  • 3 das Facettensyndrom [22].

Leistenschmerzen mit immer wieder anamnestisch auftretenden pseudoradikulären oder radikulären Symptomen müssen an diese Veränderungen denken lassen. Aber auch unspezifische Rückenschmerzen können ein Hinweis sein. Auf eine streng segmentale Zuordnung der Schmerzen sollte man sich klinisch nicht verlassen.

Im Röntgenbild lassen sich die degenerativen Veränderungen der unteren Wirbelsäule gut nachweisen. Ergänzende MRT-Untersuchungen bestätigen die Verdachtsdiagnose einer Bandscheiben- oder Wirbelgelenkspathologie.

Die Behandlung dieser Pathologien reicht von einer konservativ physiotherapeutischen Behandlung in Kombination mit einer Schmerzmittelgabe über lokale Infiltrationen in die paravertebrale Rückenmuskulatur bis zu periradikulären und Facetteninfiltrationen. Bei anhaltenden Schmerzen mit neurologischer Symptomatik kommen auch operative Behandlungen infrage.

Fazit

Der chronische Leistenschmerz des Sportlers ist ein häufiges Symptom, das einer differenzierten Diagnostik bedarf. Als Schmerz auslösende Ursache kommen in erster Linie die hier beschriebenen Leistenpathologien, Muskelaffektionen, Hüfterkrankungen und die degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule infrage.

Darüber hinaus ist es im klinischen Alltag wichtig, beim chronischen Leistenschmerz Doppelpathologien in Betracht zu ziehen.

 

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internatinal Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. Jens Krüger

Sportchirurgische Praxis

Potsdamer Straße 132

10783 Berlin

info@praxis-krueger.com

Literatur

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3. Amid KP, Chen CD. Surgical treatment of chronic groin and testicular pain after laparoscopic and open preperitoneal inguinal hernia repair. J Amer Coll Surg 2011; 213: 531–536

4. Bradshaw C, McCrory P, Bell S, Bruckner P. Obturator nerve entrapment. A cause of groin pain in athletes. Am J Sports Med 1997; 25: 402–408

5. Dihlmann W, Stäbler A. Gelenke-Wirbelverbindungen. Stuttgart, New York: Thieme, 2010

6. Dienst M. Lehrbuch und Atlas der Hüftarthroskopie: Diagnostik-Technik-Indikationen. München: Urban & Fischer, 2009

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8. Ekstrand J, Hägglund M, Walden M. Epidemiology of muscle injuries in professional football (soccer). Am J Sports Med 2011; 39: 1226–1232

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11. Hölmich P. Long standing groin pain in sportspeople falls into three primary patterns, a “clinical entity“ approach: a prospective study of 207 patients. Br J Sports Med 2007; 41: 247–252

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