Übersichtsarbeiten - OUP 06/2024

Diagnostik und Klassifikation der HKB-Ruptur
Wann konservativ und wann operativ?

Johannes Zellner, Dustin Franke, Peter Angele

Zusammenfassung:
Rupturen des hinteren Kreuzbands (HKB) stellen eine schwere Verletzung des Kniegelenks dar. Da sie zu einer erheblichen Instabilität des Kniegelenks mit deutlicher Funktionseinschränkung führen können, müssen sie frühzeitig erkannt werden, um die optimale Therapie einleiten zu können. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die klinische und radiologische Diagnostik einer HKB-Verletzung und die sich daraus ergebenden therapeutischen Möglichkeiten. Frische isolierte HKB-Rupturen können konservativ behandelt werden, wohingegen Kombinationsverletzungen zusammen mit posteromedialen bzw. posterolateralen Instabilitäten oder chronische Verletzungen operativ therapiert werden sollten.

Schlüsselwörter:
Hinteres Kreuzband, HKB-Verletzung, gehaltene Aufnahmen, HKB-Ersatzplastik, posteromediale
Instabilität, posterolaterale Instabilität

Zitierweise:
Zellner J, Franke D, Angele P: Diagnostik und Klassifikation der HKB-Ruptur. Wann konservativ und wann operativ?
OUP 2024; 13: 278?283
DOI 10.53180/oup.2024.0278-0283

Summary: Ruptures of the posterior cruciate ligament (PCL) are severe injuries of the knee. As they may cause an instability of the knee with a significant loss of function, they have to be detected at an early stage to initiate the optimal therapy. This article gives an overview about essential clinical and radiological diagnostic tools and the different treatment options. Acute isolated PCL injuries can be treated conservatively whereas PCL lesions in combination with instabilities of the posteromedial and/or the posterolateral corner or chronic injuries should be treated operatively.

Keywords: Posterior cruciate ligament, PCL rupture, stress x-ray, PCL reconstruction, posteromedial instability, posterolateral instability

Citation: Zellner J, Franke D, Angele P: Diagnostics and classification of PCL ruptures. When should they be treated conservatively or operatively?
OUP 2024; 13: 278?283. DOI 10.53180/oup.2024.0278-0283.

J. Zellner, D. Franke: Sporthopaedicum Regensburg

P. Angele: Sporthopaedicum Regensburg & Universitätsklinikum Regensburg, Klinik für Unfall- Hand und Wiederherstellungschirurgie

Einführung

Verletzungen des hinteren Kreuzbands (HKB) isoliert oder in Kombination mit anderen Instabilitäten z.B. posteromedial oder posterolateral kommen im Gegensatz zur vorderen Kreuzbandverletzung seltener vor, werden jedoch leider auch relativ häufig übersehen. Die Prävalenz einer HKB-Verletzung liegt bei 2:100000 pro Jahr, wobei isolierte Verletzungen lediglich bei einem Drittel der Patientinnen und Patienten vorliegen, hingegen Kombinationsverletzungen mit zusätzlichen peripheren Instabilitäten den Hauptanteil ausmachen [1].

Das HKB ist der Hauptstabilisator des Kniegelenks, vor allem in der posterioren tibialen Translation und wirkt so gegen eine hintere Schublade. Von vorne betrachtet, weist es femoral eine breite Insertion von 9 Uhr (links) bzw. 3 Uhr (rechts) bis jeweils 12 Uhr auf. Tibial setzt das Band relativ zentral in der Fossa intercondylaris am posterioren Aspekt der Tibia mit Übergängen in das Periost an. Das Band kann in ein kräftigeres anterolaterales Bündel und ein posteromediales Bündel unterteilt werden. Zusätzlich entspringen vom Außenmeniskushinterhorn ein anteriores (Humphrey) und ein posteriores (Wrisberg) meniskofemorales Ligament. Diese zeigen jeweils bis zum femoralen Ansatz der HKB.

Das HKB ist keine isometrische Struktur, da das posteromediale Bündel in Extension gespannt ist, sich im Laufe der Flexion entspannt und erst in tiefen Beugegraden wieder auf Spannung kommt. Das anterolaterale Bündel ist hingegen strecknah entspannt und nimmt im Laufe der Flexion Spannung auf und ist somit in zunehmender Flexion der Hauptstabilisator gegen die posteriore Translation [2].

Im Gegensatz zum VKB besitzt das HKB eine bessere synoviale Ummantelung und eine vermehrte Durchblutung, was als Grund für das verbesserte Regenerationspotential herangeführt werden kann.

Der typische Verletzungsmechanismus ist eine von vorne nach posterior einwirkende Kraft bei meist flektiertem Kniegelenk, wie es z.B. bei einem Verkehrsunfall im Rahmen einer Dashboard Injury beim Aufprall des Kniegelenks gegen das Armaturenbrett vorkommt. Dies ist auch der Grund, warum HKB-Verletzungen zusammen mit Tibiakopffrakturen, Patellafrakturen und dorsalen Acetabulumfrakturen vorkommen können. Noch häufiger kommen HKB-Rupturen jedoch bei Sporttraumata bei Kontaktsportarten vor. Beim Fußball scheint vor allem der Torwart gefährdet zu sein.

Bei der klinischen Evaluation ist auf Kontusionsmarken im Bereich der Patella und der proximalen Tibia sowie auf einen Erguss zu achten. Des Weiteren finden sich häufig, jedoch nicht immer, Hämatome in der Kniekehle oder bei Kombinationsverletzungen auch medial und/oder lateral. Diese können bei verzögerter Diagnostik bereits in Resorption begriffen sein. Eine Belastungsfähigkeit des Beins ist in der Regel bei isolierten Verletzungen gegeben. Generell gilt jedoch, dass bei einer hinteren Kreuzbandverletzung ein erheblicher Krafteinfluss stattgefunden haben muss und deshalb immer Begleitverletzungen im Bereich anderer Bandstrukturen des Kniegelenks sowie der Menisken oder des Knorpels abgeklärt werden müssen. Im Rahmen von Luxationen oder erheblichen Kapsel-Band-Rupturen muss auch an Gefäß-Nerven-Verletzungen gedacht werden. Eine N. peroneus-Läsion muss klinisch ausgeschlossen werden. Eine besondere Gruppe stellen hier besonders adipöse Patientinnen und Patienten dar, bei denen teilweise auch ein geringer Impakt ausreicht, um schwere Verletzungen am hinteren Kreuzband bis hin zu Knieluxationen zu erleiden.

Klinische Diagnostik

Die oben beschriebenen Begleitumstände der Verletzung sollten natürlich abgefragt werden. Für die Therapieentscheidung ist vor allem das Alter der Verletzung (akut oder chronisch) ein wichtiger Faktor und muss in die Therapieüberlegungen miteinfließen.

Eine hintere Kreuzbandverletzung ist in der Regel eine klinische Diagnose, für die verschiedene Tests zur Verfügung stehen. Das klinische Bild stellt sich jedoch bei akuten und chronischen Verletzungen meist unterschiedlich dar.

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