Übersichtsarbeiten - OUP 05/2022

Diagnostische Kriterien und Stadieneinteilung als Basis für eine leitliniengerechte Therapie

Als reine diagnostische Maßnahme hat die Arthroskopie durch die Fortschritte und Verbreitung der MRT in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung verloren. Zu beachten ist zudem, dass in Deutschland im kassenärztlichen Bereich eine Arthroskopie bei der Gonarthrose (ICD10 M 17) nur gesondert zu begründenden Ausnahmeindikationen vorbehalten ist. In Bezug auf die Diagnostik ist die Arthroskopie aber im Zusammenhang mit chondroplastischen Maßnahmen oder bei der Indikationsstellung zur Umstellungsosteotomie nach wie vor anzuwenden.

Zu beachten ist zudem, dass bei der Diagnostik des Knorpelschadens auch die Arthroskopie eine erhebliche Inter-Observer-Varianz hat [33].

Andere Verfahren

Andere diagnostische Verfahren kommen zusätzlich zu den radiologischen Standardverfahren (Projektionsradiographie und Kernspintomografie) in Abhängigkeit von der individuell-konkreten Situation beim Patienten zur Anwendung. Sie stellen aber keineswegs Standardverfahren für die Arthrosediagnostik dar.

Zur Beurteilung der Ausdehnung von osteochondralen Schäden, insbesondere vor gelenkerhaltender Knorpeltherapie gilt die Computertomografie (CT) als Methode der Wahl. Mit dieser Methode ist es möglich, das gesamte Ausmaß des Schadens genau zu beurteilen und ggf. eine Chondroplastik mit einer notwendigen Spongiosaplastik zu kombinieren. Die CT ist zudem ein sicheres Instrument, präarthrotische Deformierungen genau zu detektieren, was bspw. bei gelenkerhaltenden Korrekturosteotomien der Fall ist. Für die Schweregradbestimmung der Arthrose allein ist jedoch die CT in der Regel verzichtlich.

Die Ultraschalluntersuchung der Gelenke ermöglicht die Beurteilung der Ausdehnung eines Gelenkergusses, ebenso wie die MRT eine rechtssichere Beurteilung der Weichteilstrukturen, insbesondere begleitender Schäden am Meniskus, den Busae, den Ligamenten und gelenknahen Sehnen. Eine generelle Ultraschalluntersuchung ist jedoch in der Arthrosediagnostik ebenso selten zwingend erforderlich [24].

Nuklearmedizinische Untersu-
chungen (Entzündungsszintigrafie) spielen ebenso eine untergeordnete Rolle. Sie sind jedoch geeignet, eine primäre degenerativ-bedingte Arthrose von einer entzündlich-verursachten Arthrose (z.B. Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises) zu differenzieren und kommen bei dieser Fragestellung gelegentlich als Zusatzdiagnostik zur Anwendung.

Die SPECT (single photon emission computed tomography) ist ein weiteres bildgebendes Verfahren, welches die Methode der Szintigrafie (Applikation eines radionuclides, die Detektion mit einer Gamma Kamera verbindet, aber bei ihr ist möglich ist, dreidimensionale Schnittbild-Bildrekonstruktionen (ähnlich der CT) vorzunehmen. Zarringam et al. publizierten 2021 ein systematisches Review zur Wertigkeit der SPECT, in das insgesamt 9 Studien zur Wertigkeit dieser Untersuchungsmethode einflossen. In allen dieser Untersuchungen konnte eine gute Korrelation von nativen radiologischen Befund bzw. der MRT in Bezug auf die SPECT nachgewiesen werden. Die Autoren gelangen schlussfolgernd zur Kenntnis, dass diese Methode eine zum Teil höhere diagnostische Ausbeute als die einzelnen Verfahren liefert und daher als hoffnungsvolles Verfahren in der OA-Diagnostik in Zukunft haben wird [42]. Allerdings wird diese Methode derzeit jedoch von der OARSI noch nicht als Standardmethode in der primären routinemäßigen Arthrosediagnostik empfohlen [20].

Biochemische Arthrosemarker

Seit vielen Jahren wurde versucht, biochemische Marker für die Arthrosediagnostik, Verlaufskontrolle und Schweregrad-Beurteilung zu finden. Dabei kamen früher allgemeine Entzündungsparameter (BSG, Blutbildveränderungen, CRP) zur Anwendung. Diese sind völlig unspezifisch und daher grundsätzlich kaum für eine Einzelfallentscheidung und Therapieplanung verwertbar. Es verwundert daher, dass die Erhöhung der BSG nach wie vor wesentliches diagnostisches Kriterium der ACR-Leitlinie für die Koxarthrose ist [2].

Hinsichtlich der Labordiagnostik wurden für die Arthrose bisher zahlreiche biochemische Marker detektiert, von denen die meisten im Zusammenhang mit dem Abbau der chondralen Matrix-Bestandteile, insbesondere des Kollagens stehen. Die größte Bedeutung hat dabei das Cartilage Oligomeric Matrix Protein (COMP) erlangt, welches im Rahmen der Degeneration des Gelenkknorpels vermehrt entsteht und sich sowohl in der Synovialflüssigkeit, als auch im Serum bzw. Urin nachweisen lässt. Kommerzielle Test-Kits stehen dafür zur Verfügung. Allerdings sind diese ausgesprochen kostenintensiv. Nachteilig ist bei diesen biochemischen Markern aber vor allem der Umstand, dass sie weder gelenksspezifisch sind, noch bislang eine sichere Korrelation von Erkrankungsschwere unter Beweis stellen konnten [5, 23].

Wertigkeit verschiedener diagnostischer Verfahren in Bezug auf die Diagnose: „Arthrose“

Bei der Beurteilung der einzelnen diagnostischen Verfahren für die Therapieentscheidung sind 2 wesentliche Umstände bedeutsam:

Diskrepanz zwischen individueller Symptomatik (Schmerzsituation, Einschränkung der Lebensqualität) und festgestellter Schweregrad der Erkrankung durch bildgebende oder sonstige Untersuchungsmethoden. Zudem ist es zu vermeiden, dass einfache Schweregrade jeweils konkret angeben, welche Klassifikation hier beurteilt wurde. Eine gewisse Diskrepanz besteht dabei z.B. zwischen den Röntgenbefunden und den Schweregradeinteilungen in der MRT (Tab. 3).

Inter-Observer-Varianz der verschiedenen Untersuchungsmethoden. Ein absolut sicheres diagnostisches Kriterium für die Bestimmung des Schweregrades der Arthrose im Sinne eines „Goldstandards“ gibt es bislang nicht.

So haben bereits Kellgren und Lawrence darauf hingewiesen, dass in etwa 30 % aller Fälle von Patienten, bei denen sich pathologische Röntgenbefunde fanden, keine oder nur ausgesprochen geringe Symptome vorhanden waren. Sie unterscheiden daher die Krankheitsbilder „Arthrose“, d.h. Symptomatik + radiologische Arthrosezeichen von einer alleinigen „ROA = radiologische Arthrose“. Umgekehrt finden sich häufig jedoch auch symptomatische Gelenke, bei denen sich keine oder allenfalls nur geringfügige Pathologien in den Zusatzuntersuchungen zeigen (sog. funktionelle Gelenkbeschwerden). Einer exakte Analyse der individuell-ausgeprägten Symptomatik bei jedem einzelnen Patienten kommt daher die entscheidende Bedeutung bei und die Bewertung der verschiedenen Arthrosestadien kann allenfalls Hilfestellung bei der individuellen Therapieplanung sein.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
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www.online-oup.de.

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