Übersichtsarbeiten - OUP 05/2016

Die chirurgische Therapie der rheumatischen Fußdeformität

Sigmund Polzer1, Steffen Berlet1, Thomas Geyer1

Zusammenfassung: Der Fuß ist bei 80 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis betroffen. Er ist bei weiten die häufigste Ursache für die Gehbeeinträchtigung bei diesen Patienten. Durch moderne medikamentöse Behandlungsverfahren werden die Entzündungsaktivität und die knöchernen Destruktionen der Gelenke selber stark reduziert. Die Vorfußdeformitäten hingegen sind oft erheblich ausgeprägt, sodass bei entsprechenden Beschwerden Operationen durchgeführt werden. Dabei ergeben sich besondere Probleme, die mit der Grundkrankheit selber und der in der Regel fast immer durchgeführten systemischen Therapie zusammenhängen. Die Rate der postoperativen Komplikationen ist höher als bei vergleichbaren Operationen beim Nichtrheumatiker. Die klassischen Operationsprinzipien bei der rheumatischen Vorfußdeformität bestehen in Versteifung, Verkürzung, Resektions-Arthroplastiken. In jüngerer Zeit wird aber aufgrund der effektiven medikamentösen Therapien für gelenkerhaltende Operationen plädiert, sodass die resezierenden Verfahren nicht mehr standardmäßig durchgeführt werden. Damit steht auch für den Patienten mit rheumatoider Arthritis die gesamte Palette der operativen Rekonstruktionsverfahren der Fußchirurgie zur Verfügung.

Schlüsselwörter: besondere Probleme der rheumatischen Fußdeformität, Prinzipen der chirurgischen Therapie, stabiler erster Strahl, Resektionsarthroplastiken, gelenkerhaltende Verfahren

Zitierweise
Polzer S, Berlet S, Geyer T: Die chirurgische Therapie der rheumatischen Fußdeformität.
OUP 2016; 5: 294–299 DOI 10.3238/oup.2016.0294–0299

Summary : The foot is involved in 80 % of patients with rheumatoid arthritis. The improved pharmaceutical management of rheumatoid arthritis effectively controls pain and destruction of the bones by suppressing inflammation. Yet, instability of the joints due to damage of the stabilizers with the consequence of musculoskeletal imbalance still often leads to severe deformities of the forefoot. These regularly negatively affect gait. If surgery is indicated, joint preserving procedures should be considered and resection arthroplasties should be avoided whenever possible. All standard operative procedures applied in other degenerative foot disorders can be utilized. Nevertheless, specific problems in patients with rheumatoid arthritis must be encountered such as increased postoperative complication rate as well as the perioperative management of the systemic antirheumatoid medication.

Keywords: special problems of rheumatoid forefoot deformity, surgical treatment principles, stable first ray, resection arthroplasty, joint preserving procedures

Citation
Polzer S, Berlet S, Geyer T: Surgical treatment of the rheumatoid forefoot deformity.
OUP 2016; 5: 294–299 DOI 10.3238/oup.2016.0294–0299

In Deutschland sind 0,5–1 % der erwachsenen Bevölkerung an rheumatoider Arthritis erkrankt. Eine Untersuchung in Schweden hat bei 1000 Patienten mit rheumatoider Arthritis ergeben, dass zu Erkrankungsbeginn, d.h. zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, bei 45 % der Vorfuß und bei 17 % der Rückfuß und das Sprunggelenk betroffen waren. Zum Zeitpunkt der Untersuchung, d.h. im Verlauf, war bei 80 % der Fuß involviert, von diesen in 86 % der Vorfuß. 71 % der Patienten gaben aufgrund der Fußprobleme Einschränkungen der Gehfähigkeit an. Die Häufigkeit der wegen der Fußprobleme bestehenden Gehbeeinträchtigung war mit der Dauer der Erkrankung korreliert [1]. Patienten mit rheumatoider Arthritis haben häufiger Sturzereignisse als Menschen ohne diese Erkrankung [2], wobei u.a. das Ausmaß der Fußdeformität eine Rolle spielt [3]. Dabei wird die Vorfußdeformität als das Hauptziel der chirurgischen Therapie angesehen, vor den Fußwurzel- und Rückfußpathologien [4].

Der rheumatische Fuß – was ist besonders?

Der rheumatische Fuß weist im Unterschied zur Deformität beim Nichtrheumatiker Besonderheiten auf. Diese sind begründet in der spezifischen Pathogenese und Pathophysiologie der systemischen Erkrankung und in der verschiedenen Pathoanatomie der Deformitäten mit z.T. erheblichen Fehlstellungen der Kleinzehen. Hinzu kommt, dass in der Regel eine medikamentöse Therapie erfolgt, die in die Funktion des Immunsystems eingreift und möglicherweise den Heilungsprozess negativ beeinflusst, sodass postoperative Komplikationen häufiger auftreten können.

Die typische rheumatische Vorfußdeformität besteht im Spreizfuß mit Hallux valgus und Kleinzehendeformitäten mit horizontalen Fehlstellungen, kontrakten Krallenzehen, dorsalen Luxationen in den Grundgelenken mit meist starken Verkürzungen und ausgeprägten Verhornungen an der Fußsohle im Bereich der Metatarsalköpfe. Rheumaknoten können zusätzlich vorhanden sein. Arrosionen oder Destruktionen der Köpfe der Metatarsalia bestehen heutzutage eher seltener.

Durch die effektiven medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten werden die Entzündungsaktivität der Erkrankung und damit die Schmerzen sehr gut beeinflusst. Auch die Destruktion der Gelenke wird dadurch deutlich reduziert. Die einmal initiierte muskuloskelettale Dysfunktion hingegen schreitet fort und ist medikamentös nicht beeinflussbar. So kommt es vor allem im Vorfußbereich zu Fehlstellungen trotz erhaltener knöcherner Strukturen, weil die initial geschädigten Haltesysteme, wie die plantare Platte der Zehengrundgelenke und die Kapselbandapparate, die Stabilität der Gelenke nicht mehr aufrechterhalten können. Dann führt die Aktivität der intrinsischen und extrinsischen Muskeln, die normalerweise im Zusammenspiel mit den Haltesystemen die Stellung der Zehengelenke und die Bewegungen der Zehen ausbalancieren, dazu, dass erhebliche Fehlstellungen und Deformitäten auftreten. Diese wiederum führen dann zu mechanischen Problemen wie schmerzhafte Druckstellen, Schuhkonflikt, evtl. Ulzera, Nageldeformitäten, etc. (Abb. 1).

Letztlich resultieren die im Prinzip gleichen Deformitäten wie beim degenerativen Spreizfuß mit Hallux valgus [5], dorsalen Luxationen, Krallenzehen etc. Das Besondere beim rheumatischen Fuß in pathoanatomischer Hinsicht ist aber oft das große Ausmaß der Deformität und der Fehlstellungen, insbesondere die dorsale Luxation der Kleinzehen in den Grundgelenken.

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