Übersichtsarbeiten - OUP 05/2016

Die chirurgische Therapie der rheumatischen Fußdeformität

Sigmund Polzer1, Steffen Berlet1, Thomas Geyer1

Zusammenfassung: Der Fuß ist bei 80 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis betroffen. Er ist bei weiten die häufigste Ursache für die Gehbeeinträchtigung bei diesen Patienten. Durch moderne medikamentöse Behandlungsverfahren werden die Entzündungsaktivität und die knöchernen Destruktionen der Gelenke selber stark reduziert. Die Vorfußdeformitäten hingegen sind oft erheblich ausgeprägt, sodass bei entsprechenden Beschwerden Operationen durchgeführt werden. Dabei ergeben sich besondere Probleme, die mit der Grundkrankheit selber und der in der Regel fast immer durchgeführten systemischen Therapie zusammenhängen. Die Rate der postoperativen Komplikationen ist höher als bei vergleichbaren Operationen beim Nichtrheumatiker. Die klassischen Operationsprinzipien bei der rheumatischen Vorfußdeformität bestehen in Versteifung, Verkürzung, Resektions-Arthroplastiken. In jüngerer Zeit wird aber aufgrund der effektiven medikamentösen Therapien für gelenkerhaltende Operationen plädiert, sodass die resezierenden Verfahren nicht mehr standardmäßig durchgeführt werden. Damit steht auch für den Patienten mit rheumatoider Arthritis die gesamte Palette der operativen Rekonstruktionsverfahren der Fußchirurgie zur Verfügung.

Schlüsselwörter: besondere Probleme der rheumatischen Fußdeformität, Prinzipen der chirurgischen Therapie, stabiler erster Strahl, Resektionsarthroplastiken, gelenkerhaltende Verfahren

Zitierweise
Polzer S, Berlet S, Geyer T: Die chirurgische Therapie der rheumatischen Fußdeformität.
OUP 2016; 5: 294–299 DOI 10.3238/oup.2016.0294–0299

Summary : The foot is involved in 80 % of patients with rheumatoid arthritis. The improved pharmaceutical management of rheumatoid arthritis effectively controls pain and destruction of the bones by suppressing inflammation. Yet, instability of the joints due to damage of the stabilizers with the consequence of musculoskeletal imbalance still often leads to severe deformities of the forefoot. These regularly negatively affect gait. If surgery is indicated, joint preserving procedures should be considered and resection arthroplasties should be avoided whenever possible. All standard operative procedures applied in other degenerative foot disorders can be utilized. Nevertheless, specific problems in patients with rheumatoid arthritis must be encountered such as increased postoperative complication rate as well as the perioperative management of the systemic antirheumatoid medication.

Keywords: special problems of rheumatoid forefoot deformity, surgical treatment principles, stable first ray, resection arthroplasty, joint preserving procedures

Citation
Polzer S, Berlet S, Geyer T: Surgical treatment of the rheumatoid forefoot deformity.
OUP 2016; 5: 294–299 DOI 10.3238/oup.2016.0294–0299

In Deutschland sind 0,5–1 % der erwachsenen Bevölkerung an rheumatoider Arthritis erkrankt. Eine Untersuchung in Schweden hat bei 1000 Patienten mit rheumatoider Arthritis ergeben, dass zu Erkrankungsbeginn, d.h. zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, bei 45 % der Vorfuß und bei 17 % der Rückfuß und das Sprunggelenk betroffen waren. Zum Zeitpunkt der Untersuchung, d.h. im Verlauf, war bei 80 % der Fuß involviert, von diesen in 86 % der Vorfuß. 71 % der Patienten gaben aufgrund der Fußprobleme Einschränkungen der Gehfähigkeit an. Die Häufigkeit der wegen der Fußprobleme bestehenden Gehbeeinträchtigung war mit der Dauer der Erkrankung korreliert [1]. Patienten mit rheumatoider Arthritis haben häufiger Sturzereignisse als Menschen ohne diese Erkrankung [2], wobei u.a. das Ausmaß der Fußdeformität eine Rolle spielt [3]. Dabei wird die Vorfußdeformität als das Hauptziel der chirurgischen Therapie angesehen, vor den Fußwurzel- und Rückfußpathologien [4].

Der rheumatische Fuß – was ist besonders?

Der rheumatische Fuß weist im Unterschied zur Deformität beim Nichtrheumatiker Besonderheiten auf. Diese sind begründet in der spezifischen Pathogenese und Pathophysiologie der systemischen Erkrankung und in der verschiedenen Pathoanatomie der Deformitäten mit z.T. erheblichen Fehlstellungen der Kleinzehen. Hinzu kommt, dass in der Regel eine medikamentöse Therapie erfolgt, die in die Funktion des Immunsystems eingreift und möglicherweise den Heilungsprozess negativ beeinflusst, sodass postoperative Komplikationen häufiger auftreten können.

Die typische rheumatische Vorfußdeformität besteht im Spreizfuß mit Hallux valgus und Kleinzehendeformitäten mit horizontalen Fehlstellungen, kontrakten Krallenzehen, dorsalen Luxationen in den Grundgelenken mit meist starken Verkürzungen und ausgeprägten Verhornungen an der Fußsohle im Bereich der Metatarsalköpfe. Rheumaknoten können zusätzlich vorhanden sein. Arrosionen oder Destruktionen der Köpfe der Metatarsalia bestehen heutzutage eher seltener.

Durch die effektiven medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten werden die Entzündungsaktivität der Erkrankung und damit die Schmerzen sehr gut beeinflusst. Auch die Destruktion der Gelenke wird dadurch deutlich reduziert. Die einmal initiierte muskuloskelettale Dysfunktion hingegen schreitet fort und ist medikamentös nicht beeinflussbar. So kommt es vor allem im Vorfußbereich zu Fehlstellungen trotz erhaltener knöcherner Strukturen, weil die initial geschädigten Haltesysteme, wie die plantare Platte der Zehengrundgelenke und die Kapselbandapparate, die Stabilität der Gelenke nicht mehr aufrechterhalten können. Dann führt die Aktivität der intrinsischen und extrinsischen Muskeln, die normalerweise im Zusammenspiel mit den Haltesystemen die Stellung der Zehengelenke und die Bewegungen der Zehen ausbalancieren, dazu, dass erhebliche Fehlstellungen und Deformitäten auftreten. Diese wiederum führen dann zu mechanischen Problemen wie schmerzhafte Druckstellen, Schuhkonflikt, evtl. Ulzera, Nageldeformitäten, etc. (Abb. 1).

Letztlich resultieren die im Prinzip gleichen Deformitäten wie beim degenerativen Spreizfuß mit Hallux valgus [5], dorsalen Luxationen, Krallenzehen etc. Das Besondere beim rheumatischen Fuß in pathoanatomischer Hinsicht ist aber oft das große Ausmaß der Deformität und der Fehlstellungen, insbesondere die dorsale Luxation der Kleinzehen in den Grundgelenken.

Bei Langzeit-Kortisontherapie und stark ausgeprägten über lange Zeit bestehenden Fehlstellungen liegen oft ungünstige Hautverhältnisse vor.

Indikation zur operativen
Behandlung –
wann soll operiert werden?

Ebenso wie bei der Behandlung der degenerativen Fußdeformitäten sind operative Eingriffe nur bei Beschwerden indiziert. Eventuell gibt es Ausnahmen von dieser Regel.

In manchen besonderen Fällen könnte diskutiert werden, ob Operationen in einer Phase sinnvoll sind, in der trotz Deformität und Verhornungen wenig oder keine oder sogenannte beginnende Beschwerden vorliegen. Wenn beispielsweise zur Vermeidung von Druckulzera Einlagen und Schuhzurichtung lebenslang getragen werden müssen, könnte sich ein operationsbedürftiger Zustand entwickeln in einer Lebensphase des Patienten, in der wegen des Allgemeinzustands nur eine eingeschränkte oder gar keine Operabilität besteht durch Erhöhung allgemeiner Risiken. Dann wäre die Operation zu einem früheren Zeitpunkt sinnvoll gewesen. Erkenntnisse über den potenziellen weiteren Verlauf der Beschwerden, beispielsweise für die Entwicklung von Druckulzera, wären daher hilfreich.

In einer Untersuchung an einem Kollektiv von 83 Patienten wurde das zusätzliche Vorhandensein einer Sensibilitätsstörung am Fuß als ein Risikofaktor für das Auftreten von Druckulzera identifiziert [6]. Bei dieser Patientengruppe wäre dann eine prophylaktische Operation unter Umständen zu empfehlen. Oder es könnte beispielsweise eher gelenkerhaltend operiert werden mit Arthrolyse und Synovektomie, wenn die Gelenkveränderungen nicht zu stark ausgeprägt sind [7]. Für die Beurteilung des Ausmaßes des Knorpelschadens und der daraus folgenden eventuellen Indikationsstellung zur frühzeitigen Operation sind derzeit diagnostische Ultraschall-Verfahren in Entwicklung [8].

Letztlich handelt sich bei der Indikationsstellung auch beim Patienten rheumatischer Fußdeformität um eine individuelle Entscheidung, die dem Lokalbefund und dem Allgemeinzustand des Patienten mit seinen Bedürfnissen und Erwartungen anzupassen ist.

Präoperative Maßnahmen – welche Untersuchungen
sollen präoperativ durchgeführt werden?

Die krankheitsbezogene präoperative Diagnostik entspricht dem Vorgehen wie bei allen geplanten Fußoperationen: Beurteilung der Beinachsen, der Beachtung der Rückfußstellung, der Fußform, der speziellen Deformität, Verhornungen, Druckschmerzhaftigkeit, Bewegungseinschränkungen der einzelnen Gelenke mit und ohne Schmerzen, Schwellungen, Kontrakturen von Gelenken. Die Haut wird vor dem Hintergrund einer eventuellen Langzeit-Kortison-Therapie genau auf ihre Beschaffenheit untersucht, auf das Vorliegen von Ulzera oder darauf, ob auch kleinere Läsionen bei Schwellungen und Spannungen bestehen. Eine der wichtigsten präoperativen Untersuchungen ist die Abklärung der Durchblutungssituation des Fußes. Als Faustregel gilt, dass bei palpablen Pulsen der A. dorsalis pedis und der A. tibialis posterior weitere Untersuchungen nicht erforderlich sind. Wenn es sich aber beim Patienten um einen Raucher und/oder Diabetiker handelt oder lange Zeit bestehende Deformitäten der zu korrigierenden Kleinzehen vorliegen, ist trotz palpabler Pulse ein angiologisches Konsil möglicherweise sinnvoll. Im Falle von eingeschränkter Durchblutung der Zehen selber wären eventuell präoperative durchblutungsfördernde Maßnahmen sinnvoll, neben der Einschränkung des Tabakkonsums, Optimierung des HbA1c etc.

Bei Sensibilitätsstörung ist eine neurologische Konsiliaruntersuchung angezeigt Die jeweils aktuelle medikamentöse Therapie muss bekannt sein, weil möglicherweise perioperative Änderungen in Absprache mit dem behandelnden Rheumatologen notwendig sind.

Röntgenaufnahmen des Fußes dorsoplantar und streng seitlich jeweils im Stand und Schrägaufnahmen sowie die sogenannte Sprinteraufnahme zur Darstellung der Metatarsale-Köpfchen werden angefertigt. Weitere Bildgebung ist allenfalls in Ausnahmefällen nötig.

Es wird auch empfohlen, eine klinische und radiologische Abklärung der Halswirbelsäule (HWS) durchzuführen Die Wirbelsäule ist in bis zu 80 % von der rheumatischen Erkrankung betroffen, meistens an der HWS. Gschwend fand in einer Reihenuntersuchung von Patienten mit chronischer Polyarthritis in zwei Drittel der Fälle einen Befall der kleinen Wirbelgelenke im gesamten HWS-Bereich und in einem Drittel der Fälle Subluxationen in einem oder mehreren Segmenten [zitiert nach 9]. In einer Arbeit wird berichtet, dass in einem Zeitraum von 5 Jahren 2 Fälle mit mechanischer atlantoaxialer Instabilität festgestellt wurden. Diese konnten vor der Fußoperation neurochirurgisch stabilisiert werden [10].

Postoperative
Komplikationen

Wundheilungsstörungen sind nach der Literatur die häufigsten Komplikationen nach Operationen am rheumatischen Fuß, wobei die Interpretation der Zahlen schwierig ist, weil oft unterschiedliche Kollektive beschrieben sind, die noch andere Operationen als Vorfußoperationen umfassen. Im Vergleich zu elektiven Vorfußeingriffen mit einer Rate von 1,2 % Wundheilungsstörungen [11] sind diese Komplikationen beim Rheumafuß sicher höher. Einige Autoren beschreiben die Wundheilungsstörung (delayed wound healing) als „relative Komplikation“, die im normalen postoperativen Verlauf sozusagen erwartet und eingerechnet wird [12]. Die Komplikationsraten in Form von verzögerten Wundheilungen und oberflächlichen Infekten, werden in der Literatur mit 4–24 % Wundheilungsstörungen und 0–14 % Infekten angegeben [13]. In mehreren Arbeiten werden bei Vorliegen einer rheumatoiden Arthritis allerdings keine höheren Wundheilungsstörungen und Infektraten angegeben [14, 15]. Als Risikofaktoren für Wundheilungsstörungen und Infekte werden Rauchen, Alter und Operationsdauer angegeben [16]. Bei der präoperativen Antibiotikagabe ist der zeitliche Abstand zum Anlegen der Blutsperre/-leere zu beachten. Anhand von intraoperativen Messungen des Cephalosporin-Spiegels in den Metatarsalia wurde festgestellt, dass eine ausreichende Konzentration gegen Staphylokokkus aureus erst nach einer Stunde vor der Blutsperre/-leere erreicht war [17].

Es wird angenommen, dass aufgrund der bei den meisten Patienten durchgeführten medikamentösen antirheumatischen Therapie möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Wundheilungsstörungen und Infektionen besteht. Insbesondere die sogenannten Biologicals, wie die TNF-a-Blocker , IL-6-Inhibitor und andere, werden dafür angeschuldigt.

Obwohl Studien widersprüchlich sind und ein genereller Konsens in der Frage der perioperativen Gabe der Biologicals nicht besteht [18], wird in der Regel empfohlen, diese Medikamente für die Zeit von 2 Halbwertzeiten vor der Operation abzusetzen und nach erfolgter Wundheilung wieder anzusetzen [19]. Diese hinweisgebende Empfehlung ist aber insbesondere vor dem Hintergrund der uneinheitlichen Studienaussagen dem jeweiligen individuellen Risiko des Patienten anzupassen. Denn eine Unterbrechung dieser Medikation könnte zu einem Entzündungsschub führen und wäre dann eher ungünstig. Für ein Absetzen der Biologicals in der perioperativen Phase spricht auf jeden Fall die Konstellation von multipler antirheumatischer Medikation in Verbindung mit Rauchen, Alkohol und erhöhten HbA1c-Werten [10].

Wie bei der „normalen“ Chirurgie ist beispielsweise die Operationsdauer ein signifikanter Risikofaktor für postoperative Komplikationen [15] ebenso wie Rauchen [16] und das Ausmaß der Operation im Hinblick auf die Größe des Gewebetraumas [20].

Bei Patienten mit lange Zeit bestehenden kontrakten Kleinzehen besteht darüber hinaus das Risiko, dass aufgrund der unelastischen und brüchigen Gefäßsituation nach der Korrektur Durchblutungsstörungen auftreten. Diese können sowohl den arteriellen Einstrom („weiße Zehe“) als auch den venösen Abstrom („blaue Zehe“) betreffen. Die Durchblutungsstörung wird spätestens nach Öffnen der Blutsperren-Manschette bemerkt. Dann müssen die entsprechenden Maßnahmen getroffen werden, um das Problem zu beheben [10]. Vor allem müssen gegebenenfalls Kirschner-Drähte entfernt werden, auch wenn dann die Deformität wieder eintreten sollte.

Operationsverfahren

Prinzipien der operativen Strategie sind die Stabilisierung, die Stellungskorrektur und Entlastung der Weichteile durch Verkürzung.

Probleme bereiten evtl. die Weichteilverhältnisse der Haut und der kleinen Gefäße, insbesondere bei lang bestehenden und ausgeprägten Dislokationen und Kontrakturen, die instabilen Gelenke und die möglicherweise bestehende Destruktion der Gelenke.

Die zur Korrektur der Fehlstellungen und der Druckentlastung lange Zeit als Standardoperation durchgeführte, mit den Namen Clayton und Tillmann verbundene Vorfußrekonstruktion mit Resektions-Arthroplastiken aller Zehengrundgelenke, einschließlich des Großzehengrundgelenks ist sicher nicht mehr zeitgemäß [21, 22]. Die dabei durchgeführte Arthroplastik des Großzehengrundgelenks hat sich zunehmend als problematisch herausgestellt [23], weil vor allem der Hallux valgus rezidiviert, sodass stattdessen die Arthrodese des Großzehengrundgelenks durchgeführt wurde [24]. Bei Instabilität des ersten Strahls mit vorhandenem Pes planovalgus ist die Korrekturarthrodese des TMT-I-Gelenks (Lapidus-Arthrodese) der Großzehengrundgelenk-Arthrodese vorzuziehen [25, 26]. Selbst bei röntgenologisch vorhandenen Veränderungen im Großzehengrundgelenk ist eine Arthrodese nicht immer erforderlich, wenn hier keine Beschwerden bestehen.

Im Vergleich zwischen stabilem ersten Strahl und Resektionsarthroplastik des Großzehengrundgelenks waren die Patienten mit der Arthrodese zufriedener [27]. Eine jüngst veröffentlichte prospektive Studie an 52 Patienten zum Vergleich Arthrodese gegen Arthroplastik des Großzehengrundgelenks mit einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von über 4 Jahren zeigte im Hinblick auf die Bildung von neu aufgetretenen Verhornungen keinen signifikanten Unterschied. Allerdings waren die Anzahl der Verhornungen und das Ausmaß der Hallux valgus-Deformität in der Arthroplastik-Gruppe deutlich höher. In der Arthrodesen-Gruppe waren die Patienten auch wesentlich zufriedener [22]. Die Resektionsarthroplastik des Großzehengrundgelenks resultiert offenbar in schlechteren Ergebnissen, sodass sie nicht mehr empfohlen wird.

Die Beurteilung des Operationsergebnisses fußt auf der Schmerzbeeinflussung und Beseitigung der Verhornungen. Die Ergebnisse diesbezüglich sind in den einzelnen Arbeiten durchaus verschieden. Wenn beispielsweise in Publikationen nach Resektions-Arthroplastiken der Kleinzehengrundgelenke eine hohe Rezidiv-Rate der Verhornungen beschrieben wird, zeigen die abgebildeten Röntgenaufnahmen relativ lange Stümpfe der Metatarsalia [28], sodass die Rezidive möglicherweise in diesem Operationsdetail begründet ist und nicht im Prinzip der Resektionsarthroplastik selbst.

Weder die Resektionsarthroplastik der Kleinzehengelenke noch die gelenkerhaltenden Weil-Operationen sind frei von Rezidiven der Verhornungen und Metatarsalgien [29, 30]. Die derzeitige Studienlage ist nicht ausreichend, um den Stellenwert der gelenkerhaltenden Verfahren einschätzen zu können [31]. Sie bieten aber die Möglichkeit des Rückzugs auf Arthrodese und Resektion, wenn Beschwerden fortbestehen oder neu auftreten.

In einer Serie von 49 konsekutiven Patienten mit SCARF- und WEIL-Operation waren 88 % mit dem Ergebnis zufrieden. Bei 12 % wurden die Schmerzen auf anhaltende bzw. neu aufgetretene Artikulo-Synovialitis zurückgeführt [32].

Bei Instabilität des ersten Strahls mit vorhandenem Pes planovalgus ist die Korrekturarthrodese des TMT-I-Gelenks (Lapidus-Arthrodese) der Großzehengrundgelenk-Arthrodese vorzuziehen. Selbst bei röntgenologisch vorhandenen Veränderungen im Großzehengrundgelenk ist eine Arthrodese nicht immer erforderlich, wenn hier keine Beschwerden bestehen. Die Lapidus-Arthrodese des TMT-I-Gelenks in Verbindung mit Resektions-Arthroplastiken der Kleinzehengelenke zeigte gute Ergebnisse [25].

Barouk berichtet über eine Serie von 60 Patienten, die mit gelenkerhaltenden SCARF- und WEIL-Osteotomien behandelt wurden, knapp 10 % des Kollektivs allerdings mit primärer Großzehengrundgelenk-Arthrodese und Metatarsaleköpfchen-Resektion. Über einen durchschnittlichen Nachbehandlungszeitraum von über 6 Jahren werden in 95 % Ergebnisse ohne erneut aufgetretene Fehlstellungen [30] mitgeteilt. Die Indikation für die Arthrodese und die Metatarsaleköpfchen-Resektion machte er abhängig vom knöchernen Zustand der Gelenke und nicht von der Dauer und dem Ausmaß der Fehlstellung und der Dislokationen.

Die Operationstaktik beim rheumatischen Fuß generell besteht in der Verkürzung, Entlastung der Weichteile und Herstellung eines stabilen ersten Strahls. Barouk hat gezeigt, dass die Umsetzung dieses Prinzips auch unter Erhaltung aller nicht zu schwer geschädigten Gelenke möglich ist. Allerdings muss die Verkürzung der Metatarsalia ausreichend vorgenommen werden. Bei Barouk betrug die Verkürzung des Metatarsale I im Durchschnitt 11 mm, die der Metatarsalia II–V 13 mm [30].

Die gelenkerhaltenden Operationen sind offenbar im Ergebnis nicht schlechter als die Verfahren mit Resektion der Kleinzehengrundgelenke [33].

Wenn die Gelenke aus anatomischen Gründen nicht erhalten werden können, wird oben beschriebenes Prinzip in der sogenannten Vorfußrekonstruktion umgesetzt (Abb. 2). Dabei wird das Großzehengrundgelenk versteift. Der ursprünglich stark vergrößerte Intermetatarsalwinkel verkleinert sich dadurch erheblich [34]. Die Köpfe der Metatarsalia II–V und die Basen der Grundgliedknochen der Zehen II–IV werden entfernt. Die Metatarsalia werden in einer nach lateral abfallenden Länge reseziert. Die Grundphalanx der Kleinzehe bleibt in ganzer Länge erhalten Die Zehen II und III einerseits und die Zehen IV und V andererseits werden bis zum Mittelgelenk syndaktilisiert. Damit kommt es zur Ausrichtung der Kleinzehen, wobei die ansonsten notwendige temporäre Kirschner-Drahtfixierung vermieden wird. Dies trägt wesentlich zum höheren postoperativen Komfort des Patienten bei [35]. An den Kleinzehenmittelgelenken werden bei Bedarf Resektions-Arthroplastiken durchgeführt.

Die Abb. 3 zeigt ein gelenkerhaltendes Vorgehen bei einer jungen Frau mit nahezu schmerzfreiem und sehr gut beweglichem Großzehengrundgelenk.

Unser aktuelles Konzept der operativen Behandlung der Vorfußdeformität beim Rheumatiker

Aus der vorliegenden Literatur haben wir für unser Vorgehen unter Berücksichtigung der oben beschriebenen operationstaktischen Prinzipien das folgende Konzept abgeleitet mit dem Ziel, möglichst gelenkerhaltend zu verfahren:

1. Herstellen eines stabilen ersten Strahls mit Beseitigung der Hallux-valgus-Deformität

  • 1.1 Erhaltung des Großzehengrundgelenks
  • Wenn die Erhaltung des Großzehengrundgelenks möglich ist, wird eine Umstellung des Metatarsale I durchgeführt. Wenn der Intermetatarsal-Winkel I/II für eine Umstellung zu groß ist oder eine TMT-I-Instabilität und/oder ein Pes planovalgus vorliegt, erfolgt die Lapidus Korrekturarthrodese des TMT-I-Gelenks.
  • 1.2 Arthrodese
  • In allen anderen Fällen wird die Arthrodese des Großzehengrundgelenks durchgeführt. Die Arthrodese erfolgt auch, wenn Resektions-Arthroplastiken von Kleinzehengrundgelenken durchgeführt werden.

2. Entlastung der plantaren Druckstellen unter den Köpfen der Mittelfußknochen II bis evtl. V und Korrektur der Fehlstellung der Kleinzehen.

  • 2.1 Erhaltung der Grundgelenke
  • Wenn die Deformierung der Köpfe der Metatarsalia der betroffenen Strahlen nicht oder nicht zu ausgeprägt vorhanden ist, erfolgt die Verkürzung und Dorsalisierung der entsprechenden Strahlen mit der Weil-Osteotomie. wobei eine 2 mm dicke Knochenscheibe aus dem distalen Metatarsale entfernt wird. Meistens ist mindestens die Verlängerung der jeweils langen Strecksehne erforderlich, oft ein Beugesehnentransfer. In neuerer Zeit führen wir alternativ zum Transfer die Refixation der plantaren Platte (plantar plate repair) durch, falls dies anatomisch möglich ist. Die Gelenkerhaltung wird insbesondere bei jüngeren Patienten angestrebt. Fehlstellungen der Kleinzehen selber werden ebenfalls korrigiert.
  • 2.2 Resektion der Metatarsale-Köpfchen
  • Wenn aufgrund der knöchernen Situation der Gelenkerhalt nicht möglich ist oder es sich um ein Rezidiv der Fehlstellung handelt, führen wir die Resektion der Köpfchen durch. Auch bei lange bestehenden dorsalen Luxationen der Grundgelenke und sehr ausgeprägten Fehlstellungen der Kleinzehen insbesondere bei sportlich nicht aktiven und eher älteren Patienten erfolgt die Resektionsarthroplastik. In solchen Fällen führen wir die oben schon beschriebene sog. Vorfußrekonstruktion mit Zugängen von dorsal durch, die Arthrodese des Großzehengrundgelenks und partielle Syndaktilisierung der Zehen II und III einerseits und IV und V andererseits. Durch diese Maßnahme wird die Verwendung von Kirschner-Drähten vermieden und die Ausrichtung der Kleinzehen sichergestellt. Die Basis des Grundgliedknochens der Kleinzehe wird zur Vermeidung der ulnaren Deviation der Kleinzehen erhalten und nicht reseziert.

Postoperative Maßnahmen

Die postoperative Behandlung entspricht derjenigen bei den sonstigen Fußoperationen und wird in Abhängigkeit von den Weichteilverhältnissen modifiziert.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Sigmund Polzer

Praxis in der ATOS-Klinik für Hand-,
Ellenbogen- und Fußchirurgie

ATOS Klinik GmbH & Co KG

Bismarckstraße 9–15

69115 Heidelberg

sigmund.polzer@atos.de

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Fussnoten

1 Praxis in der ATOS-Klinik für Hand-, Ellenbogen- und Fußchirurgie, ATOS Klinik GmbH & Co KG, Heidelberg

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