Übersichtsarbeiten - OUP 05/2016

Die chirurgische Therapie der rheumatischen Fußdeformität

Bei Langzeit-Kortisontherapie und stark ausgeprägten über lange Zeit bestehenden Fehlstellungen liegen oft ungünstige Hautverhältnisse vor.

Indikation zur operativen
Behandlung –
wann soll operiert werden?

Ebenso wie bei der Behandlung der degenerativen Fußdeformitäten sind operative Eingriffe nur bei Beschwerden indiziert. Eventuell gibt es Ausnahmen von dieser Regel.

In manchen besonderen Fällen könnte diskutiert werden, ob Operationen in einer Phase sinnvoll sind, in der trotz Deformität und Verhornungen wenig oder keine oder sogenannte beginnende Beschwerden vorliegen. Wenn beispielsweise zur Vermeidung von Druckulzera Einlagen und Schuhzurichtung lebenslang getragen werden müssen, könnte sich ein operationsbedürftiger Zustand entwickeln in einer Lebensphase des Patienten, in der wegen des Allgemeinzustands nur eine eingeschränkte oder gar keine Operabilität besteht durch Erhöhung allgemeiner Risiken. Dann wäre die Operation zu einem früheren Zeitpunkt sinnvoll gewesen. Erkenntnisse über den potenziellen weiteren Verlauf der Beschwerden, beispielsweise für die Entwicklung von Druckulzera, wären daher hilfreich.

In einer Untersuchung an einem Kollektiv von 83 Patienten wurde das zusätzliche Vorhandensein einer Sensibilitätsstörung am Fuß als ein Risikofaktor für das Auftreten von Druckulzera identifiziert [6]. Bei dieser Patientengruppe wäre dann eine prophylaktische Operation unter Umständen zu empfehlen. Oder es könnte beispielsweise eher gelenkerhaltend operiert werden mit Arthrolyse und Synovektomie, wenn die Gelenkveränderungen nicht zu stark ausgeprägt sind [7]. Für die Beurteilung des Ausmaßes des Knorpelschadens und der daraus folgenden eventuellen Indikationsstellung zur frühzeitigen Operation sind derzeit diagnostische Ultraschall-Verfahren in Entwicklung [8].

Letztlich handelt sich bei der Indikationsstellung auch beim Patienten rheumatischer Fußdeformität um eine individuelle Entscheidung, die dem Lokalbefund und dem Allgemeinzustand des Patienten mit seinen Bedürfnissen und Erwartungen anzupassen ist.

Präoperative Maßnahmen – welche Untersuchungen
sollen präoperativ durchgeführt werden?

Die krankheitsbezogene präoperative Diagnostik entspricht dem Vorgehen wie bei allen geplanten Fußoperationen: Beurteilung der Beinachsen, der Beachtung der Rückfußstellung, der Fußform, der speziellen Deformität, Verhornungen, Druckschmerzhaftigkeit, Bewegungseinschränkungen der einzelnen Gelenke mit und ohne Schmerzen, Schwellungen, Kontrakturen von Gelenken. Die Haut wird vor dem Hintergrund einer eventuellen Langzeit-Kortison-Therapie genau auf ihre Beschaffenheit untersucht, auf das Vorliegen von Ulzera oder darauf, ob auch kleinere Läsionen bei Schwellungen und Spannungen bestehen. Eine der wichtigsten präoperativen Untersuchungen ist die Abklärung der Durchblutungssituation des Fußes. Als Faustregel gilt, dass bei palpablen Pulsen der A. dorsalis pedis und der A. tibialis posterior weitere Untersuchungen nicht erforderlich sind. Wenn es sich aber beim Patienten um einen Raucher und/oder Diabetiker handelt oder lange Zeit bestehende Deformitäten der zu korrigierenden Kleinzehen vorliegen, ist trotz palpabler Pulse ein angiologisches Konsil möglicherweise sinnvoll. Im Falle von eingeschränkter Durchblutung der Zehen selber wären eventuell präoperative durchblutungsfördernde Maßnahmen sinnvoll, neben der Einschränkung des Tabakkonsums, Optimierung des HbA1c etc.

Bei Sensibilitätsstörung ist eine neurologische Konsiliaruntersuchung angezeigt Die jeweils aktuelle medikamentöse Therapie muss bekannt sein, weil möglicherweise perioperative Änderungen in Absprache mit dem behandelnden Rheumatologen notwendig sind.

Röntgenaufnahmen des Fußes dorsoplantar und streng seitlich jeweils im Stand und Schrägaufnahmen sowie die sogenannte Sprinteraufnahme zur Darstellung der Metatarsale-Köpfchen werden angefertigt. Weitere Bildgebung ist allenfalls in Ausnahmefällen nötig.

Es wird auch empfohlen, eine klinische und radiologische Abklärung der Halswirbelsäule (HWS) durchzuführen Die Wirbelsäule ist in bis zu 80 % von der rheumatischen Erkrankung betroffen, meistens an der HWS. Gschwend fand in einer Reihenuntersuchung von Patienten mit chronischer Polyarthritis in zwei Drittel der Fälle einen Befall der kleinen Wirbelgelenke im gesamten HWS-Bereich und in einem Drittel der Fälle Subluxationen in einem oder mehreren Segmenten [zitiert nach 9]. In einer Arbeit wird berichtet, dass in einem Zeitraum von 5 Jahren 2 Fälle mit mechanischer atlantoaxialer Instabilität festgestellt wurden. Diese konnten vor der Fußoperation neurochirurgisch stabilisiert werden [10].

Postoperative
Komplikationen

Wundheilungsstörungen sind nach der Literatur die häufigsten Komplikationen nach Operationen am rheumatischen Fuß, wobei die Interpretation der Zahlen schwierig ist, weil oft unterschiedliche Kollektive beschrieben sind, die noch andere Operationen als Vorfußoperationen umfassen. Im Vergleich zu elektiven Vorfußeingriffen mit einer Rate von 1,2 % Wundheilungsstörungen [11] sind diese Komplikationen beim Rheumafuß sicher höher. Einige Autoren beschreiben die Wundheilungsstörung (delayed wound healing) als „relative Komplikation“, die im normalen postoperativen Verlauf sozusagen erwartet und eingerechnet wird [12]. Die Komplikationsraten in Form von verzögerten Wundheilungen und oberflächlichen Infekten, werden in der Literatur mit 4–24 % Wundheilungsstörungen und 0–14 % Infekten angegeben [13]. In mehreren Arbeiten werden bei Vorliegen einer rheumatoiden Arthritis allerdings keine höheren Wundheilungsstörungen und Infektraten angegeben [14, 15]. Als Risikofaktoren für Wundheilungsstörungen und Infekte werden Rauchen, Alter und Operationsdauer angegeben [16]. Bei der präoperativen Antibiotikagabe ist der zeitliche Abstand zum Anlegen der Blutsperre/-leere zu beachten. Anhand von intraoperativen Messungen des Cephalosporin-Spiegels in den Metatarsalia wurde festgestellt, dass eine ausreichende Konzentration gegen Staphylokokkus aureus erst nach einer Stunde vor der Blutsperre/-leere erreicht war [17].

Es wird angenommen, dass aufgrund der bei den meisten Patienten durchgeführten medikamentösen antirheumatischen Therapie möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Wundheilungsstörungen und Infektionen besteht. Insbesondere die sogenannten Biologicals, wie die TNF-a-Blocker , IL-6-Inhibitor und andere, werden dafür angeschuldigt.

Obwohl Studien widersprüchlich sind und ein genereller Konsens in der Frage der perioperativen Gabe der Biologicals nicht besteht [18], wird in der Regel empfohlen, diese Medikamente für die Zeit von 2 Halbwertzeiten vor der Operation abzusetzen und nach erfolgter Wundheilung wieder anzusetzen [19]. Diese hinweisgebende Empfehlung ist aber insbesondere vor dem Hintergrund der uneinheitlichen Studienaussagen dem jeweiligen individuellen Risiko des Patienten anzupassen. Denn eine Unterbrechung dieser Medikation könnte zu einem Entzündungsschub führen und wäre dann eher ungünstig. Für ein Absetzen der Biologicals in der perioperativen Phase spricht auf jeden Fall die Konstellation von multipler antirheumatischer Medikation in Verbindung mit Rauchen, Alkohol und erhöhten HbA1c-Werten [10].

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