Übersichtsarbeiten - OUP 09/2017

Die persistierende periprothetische Infektion
Gibt es noch eine Legitimation zur Anlage einer Fistula persistens?Is the fistula peristens a viable option as an ultima ratio procedure?

Florian Troendlin1, Jan Gessmann1, Thomas A. Schildhauer1, Hinnerk Baecker1

Zusammenfassung: Die Behandlung periprothetischer Infektionen erfährt seit einigen Jahren eine stetig wachsende Aufmerksamkeit. Moderne Behandlungsalgorithmen haben zu hohen Erfolgsraten mit dauerhafter Infektsanierung unter Gewährleistung einer bestmöglichen Funktion geführt.

Dennoch gibt es Patienten, bei denen eine Infektsanierung nicht möglich ist. Die Gründe hierfür sind vielfältig – Multimorbidität, nicht bestehende Operationsfähigkeit, fehlende Aussicht auf Therapieerfolg bei mangelnder Compliance oder Ablehnung einer aufwendigen operativen und antimikrobiellen Therapie durch den Patienten sind nur einige Gründe. Umso wichtiger erscheint es, Therapiealternativen für dieses Klientel aufzuzeigen und die Vor- und Nachteile zu diskutieren.

Im folgenden Artikel wird der Stellenwert der Fistula persistens diskutiert und die strenge Indikationsstellung als ultima ratio erläutert.

Schlüsselwörter: periprothetische Infektion, PPI, stabile Fistel, Fistula persistens, ultima ratio

Zitierweise
Troendlin F, Gessmann J, Schildhauer TA, Baecker H: Die persistierende periprothetische Infektion. Gibt es noch eine Legitimation zur Anlage einer Fistula persistens?
OUP 2017; 9: 453–458 DOI 10.3238/oup.2017.0453–0458

Summary: Interest in the treatment of periprosthetic infections has been steadily growing in recent years. Modern treatment algorithms have high rates of success in achieving permanent infection eradication.

However, there are always some patients remaining who fail to achieve therapeutic success. Reasons for this may include: multiple morbidities, inoperability and a lack of compliance or rejection of elaborate surgical and antimicrobial therapies by the patient, to name only a few. Therefore it is important to present alternative therapy options to these patients, highlighting the advantages and disadvantages of each.

The aim of this article is to examine the clinical role of the persistent fistula and explain the strict indication as an ultima ratio procedure.

Keywords: periprosthetic joint infection, PJI, stable fistula, fistula persistens, ultima ratio

Citation
Troendlin F, Gessmann J, Schildhauer TA, Baecker H: The persistent
periprosthetic infections. Is the fistula peristens a viable option as an ultima ratio procedure?
OUP 2017; 9: 453–458 DOI 10.3238/oup.2017.0453–0458

Einleitung

Nach Angaben der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung werden in Deutschland pro Jahr ca. 219.000 Hüftendoprothesen und 180.000 Knieendoprothesen implantiert [8]. Dabei kommt es bei etwa 1 % der primären Endoprothesen zu einem Infekt. In der Revisionsendoprothetik liegt der Prozentsatz periprothetischer Infektionen bei bis zu 4 % [6].

Die Behandlung periprothetischer Infektionen stellt eine der wesentlichen Herausforderungen der modernen septischen Revisionsendoprothetik dar. Verschiedene Behandlungsansätze sind hier etabliert, das übergeordnete Ziel jeder Therapie bleibt jedoch die dauerhafte Infektsanierung unter Gewährleistung einer bestmöglichen Funktion der Prothese [10].

Die häufigsten Erreger der PPI sind koagulase-negative Staphylokokken, Staphylococcus aureus, Streptokokken, Enterokokken und gramnegative Bakterien [12].

Ätiologisch lassen sich verschiedene Risikofaktoren bestimmen, die zu einer periprothetischen Infektion führen können. Dabei wird zwischen patientenspezifischen und unspezifischen Risikofaktoren unterschieden. Seitens der Patienten gelten neben Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus, Übergewicht, immunsuppressiver Therapie und Nikotin- oder Drogenabusus auch das Alter, die Länge des stationären Krankenhausaufenthalts und die Compliance als Risikofaktoren. Als patientenunspezifische Risikofaktoren gelten u.a. die iatrogen beeinflussten Aspekte, wie z.B. sämtliche Maßnahmen zur Vermeidung einer Surgical Site Infektion (SSI) oder einer periprothetischen Infektion [4, 11]. Hausintern definierte Standards wie die Durchführung einer präoperativen Dekolonisierung von Elektivpatienten sind hier ebenso wichtig wie die präoperative Antibiose, die OP-Dauer, die chirurgische Technik und die Nachbehandlung.

Behandlungsalgorithmus

Laut aktuellen Studien kann bei strikter Umsetzung eines interdisziplinären Behandlungskonzepts eine Infektsanierung in 70–90 % aller periprothetischen Infektionen erzielt werden. Hierfür bedarf es einer konsequenten Zusammenarbeit von Chirurgen, Infektiologen, Mikrobiologen, Pathologen und plastischen Chirurgen, um sowohl in der operativen als auch in der sich anschließenden antimikrobiellen Therapie optimal aufgestellt zu sein [9].

Bereits die präoperative Diagnostik ist entscheidend für das weitere therapeutische Vorgehen. Je nach Vorliegen einer akuten oder chronischen Infektion schließen sich verschiedene Behandlungsstrategien an.

Es ist essenziell, eine ausführliche Anamnese des Patienten zu erheben, um wichtige Informationen zur Genese des Infekts zu sammeln. Wann erfolgte die Implantation der Prothese? Muss bei einer akut auftretenden Symptomatik und langer Liegedauer der Prothese von einer hämatogenen Streuung mit möglichem pulmonalen, urogenitalen oder anderweitigen Fokus ausgegangen werden? Könnte es sich um einen periprothetischen Frühinfekt auch bei schon seit Jahren implantierter Prothese handeln? Ist die Prothese gelockert und die Lockerung als Zeichen eines chronischen Infektgeschehens zu interpretieren?

Man unterscheidet zwischen akuten und chronischen periprothetischen Infekten. Der maßgebliche, die weitere Therapie festlegende Unterschied liegt in der Reife des Biofilms. Bei akuten Infektionen hat sich noch kein reifer Biofilm auf der Prothesenoberfläche gebildet und somit kann ein prothesenerhaltender Therapieversuch unternommen werden kann. Dieser sieht ein radikales chirurgisches Débridement, den Wechsel der mobilen Teile der Prothese [5] und eine sich anschließende biofilmwirksame, antimikrobielle Therapie vor.

Per definitionem liegt eine akute Infektion vor, wenn von Beginn der Symptome bis hin zum Revisionseingriff weniger als 3 Wochen verstreichen. Ist das Intervall zwischen Auftreten erster Symptome und nachfolgender Behandlung größer als 3 Wochen, so muss davon ausgegangen werden, dass der Biofilm ausgereift ist und es sich um eine chronische Infektion handelt. Demnach kann man es auch bei einer seit Jahren in situ befindlichen Prothese mit einem Frühinfekt zu tun haben, z.B. wenn es im Rahmen einer Bakteriämie zu einer hämatogenen Streuung gekommen ist [2]. Betroffene Patienten berichten dann in der Regel von plötzlich auftretenden Beschwerden mit deutlicher Verschlechterung der zuvor bestehenden Prothesenfunktion.

In bestimmten Situationen ist jedoch ein Prothesenerhalt nicht sinnvoll – trotz des Vorliegens eines akuten Infekts. Beim Nachweis von Problemerregern, sog. Difficult-to-treat-Erregern (z.B. Rifampicin- resistente Staphylokokken, Chinolon-resistente gramnegative Stäbchen und Candida spp.) fehlt eine hinreichende medikamentöse Therapie zur Keimeradikation. Auch bei Zeichen einer Prothesenlockerung und kompromittierten Weichteilverhältnissen wird der Erhalt der Prothese nicht gelingen, sondern eine Explantation und ein Vorgehen analog zur chronischen periprothetischen Infektion muss eingeleitet werden (Abb. 1) [5].

Bei einer chronischen periprothetischen Infektion kann aus o.g. Gründen nicht prothesenerhaltend operiert werden. Im ausgereiften Biofilm sind die Erreger in einen inaktiven Zustand übergegangen und somit einer antimikrobiellen Therapie nicht mehr zugänglich. Die Explantation der Prothese inklusive sämtlichen Fremdmaterials (Knochenzement, Cerclagen, Sequester) stellt die einzige Möglichkeit einer beginnenden Eradikationstherapie dar.

In Abhängigkeit vom klinischen Befund und dem nachgewiesenen Erregerspektrum wird ein ein-, zwei- oder in u.g. Sonderfällen ein dreizeitiger Prothesenwechsel vorgenommen (Abb. 1).

Bei unklarem Erregerspektrum, schwierigen Weichteilverhältnissen oder bereits vorausgegangen Revisionseingriffen sollte ein zweizeitiger Wechsel erfolgen. Ob man einen zweizeitigen Wechsel im kurzen oder im langen Intervall durchführt, ist nicht nur vom nachgewiesenen Erreger abhängig, sondern wird unter ökonomischen Aspekten auch durch die Abrechnungsmöglichkeiten im DRG-System beeinflusst. Lieb et al. konnten in ihrer Arbeit zeigen, dass sich aktuell ein zweizeitiger Wechsel im kurzen Intervall in Deutschland unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht realisieren lässt [3].

Zeigt sich im Rahmen eines zweizeitigen Wechsels ein komplizierter Verlauf mit z.B. anhaltender oder neu aufgetretender Sekretion, die auf eine peristierende Infektsituation hinweisen kann, so ist ein erneutes chirurgisches Debridement vorzunehmen. Bei Nachweis einer periprothetischen Pilzinfektion empfehlen wir generell, einen dreizeitigen Prothesenwechsel durchzuführen. Diese Überlegung beruht auf der hohen Komplikationsrate und auf fehlenden biofilmwirksamen Behandlungsmöglichkeiten für Pilzinfektionen.

Persistierende
periprothetische Infektion –
Behandlungsstrategien bei Therapieversagen

Die Erfahrung lehrt uns, dass auch das beste Therapiekonzept nicht allen Patienten zur dauerhaften Infektfreiheit verhelfen kann. Daher ist es legitim und auch wichtig, nach Alternativen zu fragen und deren Berechtigung und Stellenwert kritisch zu prüfen.

Als Salvage-Prozeduren stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Zunächst sollte eruiert werden, ob die einliegende infizierte Prothese zugunsten einer möglichen Restfunktion des Gelenks erhalten bleiben soll. Eine Alternative dazu stellt der Ausbau der Prothese und die Anlage einer definitiven Girdlestone-Situation oder Arthrodese des betroffenen Gelenks dar.

Zum Erhalt der Prothese kann eine Langzeitsuppression oder die Anlage einer stabilen Fistel angewandt werden. Im Falle einer Langzeitsuppression besteht die Gefahr des Erregerwechsels oder einer Resistenzbildung. Auch müssen mögliche medikamentöse Neben- und Wechselwirkung berücksichtigt und engmaschig kontrolliert werden.

Neben der dauerhaften Infektsuppression ist die Anlage einer Fistula persistens als weitere Salvage-Prozedur zur Gewährleistung einer ausreichenden Restfunktion bei einliegender Prothese beschrieben. Es wird durch die Sicherstellung einer ausreichenden Drainage ein dauerhafter Abfluss generiert und der chronische periprothetische Infekt palliativ versorgt [12]. Für dieses Therapiekonzept sollten lediglich polymorbide Patienten mit kurzer Lebensspanne eingeschlossen werden, um eine Restmobilität und damit einhergehende Lebensqualität zu erhalten [12].

Hauptvorteil der Anlage einer Fistula persistens gegenüber einem mehrzeitigen Wechsel ist die kürzere und weniger invasive Operation. Damit soll eine schnellere Rekonvaleszenz der Patienten einhergehen. Ein Nachteil ist die hohe Komplikationsrate (z.B. Verlegung der Fistel, akute Infektion), der pflegerische Mehraufwand und die Einschränkung im alltäglichen Leben. Gleichzeitig besteht die Gefahr der hämatogenen Streuung. Scheint diese Komplikation beim multimorbiden Patienten zu groß, kann eine Arthrodese, Girdlestone-Situation oder Amputation in Betracht gezogen werden. Hierbei wird eine mögliche Immobilisation des Patienten akzeptiert.

Im Falle eines nicht zu sanierenden Infekts gibt es generell 2 Sichtweisen – die des Arztes und die des Patienten. Das medizinische Fachpersonal strebt oftmals nach dem Erreichen eines kurativen Therapiekonzepts. Der Grund des Therapieversagens sollte seitens der behandelnden Ärzte kritisch hinterfragt werden. Dabei gilt es zu klären, ob das operative Vorgehen oder das antibiotische Regime optimiert werden kann.

Seitens der Patienten hat die klinische Praxis gezeigt, dass die Motivation für einen Revisionseingriff mit der Anzahl der Voroperationen nachlässt. Besteht die Möglichkeit der Infektsanierung, muss diese mit dem Patienten ausführlich besprochen werden. Es muss geklärt werden, ob der Patient tatsächlich von einer erneuten Revision in dem Maße profitiert, dass mögliche therapeutische Komplikationen und Nebenwirkungen gerechtfertigt sind. Jede therapeutische Option, von der Infektsanierung hin zur Langzeitsuppression oder Anlage einer stabilen Fistel, muss abgewägt und ein patientenspezifischer, individueller Therapieplan entwickelt werden.

Am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum wurden im Rahmen einer retrospektiven Datenanalyse Patienten mit einem chronischen periprothetischen Infekt und stabiler Fistel nachuntersucht. Die Studie wurde aufgrund der komplikationsträchtigen Verläufe nach Anlage einer stabilen Fistel im eigenen Patientengut ebenso wie bei zugewiesenen Patienten durchgeführt, um den Stellenwert dieses Behandlungskonzepts kritisch zu hinterfragen. Die Erfassung diente neben der Charakterisierung des Patientenkollektivs auch der Darstellung ökonomischer Aspekte, die in der Behandlung solch komplexer Fälle eine wichtige Rolle spielen.

Methode

In der retrospektiven Analyse wurden alle Patienten erfasst, die innerhalb der Jahre 2005 bis 2015 aufgrund des Vorhandenseins oder der Etablierung einer stabilen Fistel bei chronisch persistierender, periprothetischer Infektion in domo behandelt wurden. Ausgeschlossen wurden Patienten mit falscher Diagnose oder unvollständiger Dokumentation.

Es wurden die klinischen Basisparameter (Alter, Geschlecht, BMI) und weitere deskriptive Daten (Anzahl der Voroperationen, Erregerspektrum, ASA-Klassifikation, Primärbehandlung vor Anlage der stabilen Fistel) erfasst. Die Funktion des betroffenen Gelenks wurde anhand des Harris Hip Score und Knee Society Score dokumentiert. Zur Beschreibung der Lebensqualität wurde der SF-36 verwendet.

Die Datenanalyse wurde unter Verwendung der Software Statistical Package for Social Sciences (IBM SPSS Statistics, Chicago, IL) durchgeführt. Deskriptive statistische Ergebnisse (Mittelwert, Standardabweichung, Spanne und Prozente) wurden erhoben, um Gruppen, Komplikationen und chirurgische Ergebnisse zu beschreiben. Der T-Test wurde zur Bestimmung von Unterschieden zwischen den Therapie-Untergruppen und einzelnen Parametern herangezogen. Das Signifikanzniveau wurde bei p < 0,05 festgesetzt.

Ergebnisse

Während des erfassten Untersuchungszeitraums wurden 180 Patienten mit der Diagnose „stabile Fistel“ behandelt. Nach Berücksichtigung der Ausschlusskriterien konnten 145 Patienten in die Studie eingeschlossen werden.

Das Patientenkollektiv wurde in verschiedene Gruppen untergliedert: nach dem Vorliegen einer Hüft- oder Knieprothese, Girdlestone-Hüfte oder Kniearthrodese.

Die klinischen Basispararmeter (Tab. 1) bestehend aus Alter, Geschlecht und BMI zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Im Mittel waren die Patienten 80 Jahre alt, knapp zwei Drittel waren weiblich. Bei einem durchschnittlichen ASA-Wert von 3 zeigte das Patientenkollektiv in allen Gruppen eine deutliche Einschränkung des Gesundheitszustands (Tab. 2).

Die Auswertung der mittleren Verweildauer betrug durchschnittlich 109 Tage für die Summe der stationären Aufenthalte pro Patient. In der Analyse ließ sich ein signifikanter Unterschied der Verweildauer zwischen der Gruppe „Hüft-Prothese“ und „Girdlestone-Situation“ (77 Tage vs. 146 Tage, p < 0,05) zeigen. Analog zeigte sich eine längere Verweildauer zwischen der Gruppe „Knie-Prothese“ und „Kniearthrodese“ (80 Tage vs. 135 Tage, p = 0,36).

Durchschnittlich wurden alle Patienten 4-mal stationär behandelt. Weiterhin wurden 6 Operationen pro Patient durchgeführt. Nach Anlage einer stabilen Fistel wurden die Patienten im Mittel einem Revisionseingriff unterzogen.

Die retrospektive Datenanalyse zeigte, dass der überwiegende Anteil der periprothetischen Infekte auf den Nachweis grampositiver Staphylokokken zurückgeführt wurde. Es konnten insgesamt 98 Patienten hinsichtlich des Erregerspektrums analysiert werden. Patienten mit unvollständiger Dokumentation wurden aus der Analyse ausgeschlossen (Tab. 3).

Klinisch wurden 38 Patienten nachuntersucht. Die funktionellen Ergebnisse zeigten insgesamt schlechte Ergebnisse. Auch die Patientenzufriedenheit und die Lebensqualität ist massiv eingeschränkt (Tab. 4).

Diskussion

Das steigende Interesse an der Behandlung periprothetischer Infektionen spiegelt sich in der wachsenden Anzahl an Publikationen wider. Mit dem Aspekt des Therapieversagens haben sich bisher jedoch wenige Arbeitsgruppen beschäftigt.

Thieman A et al. hat sich 2007 mit dem klinischen und funktionellen Outcome bei Patienten mit stabiler Fistel aufgrund eines chronischen, persistierenden, periprothetischen Infekts auseinandergesetzt [12]. In die Studie wurden 12 Patienten eingeschlossen mit einem Durchschnittsalter von 79 Jahren. Die Auswertung der ASA-Klassifikation erbrachte einen durchschnittlichen Wert von 3 Punkten. Somit deckt sich das Patientenkollektiv der zitierten Studie mit dem Kollektiv der am Universitätsklinikum Bergmannsheil behandelten Patienten.

Die Studiengruppe um Kapadia et al. hat ökonomische Aspekte einer periprothetischen Infektion nach primärer Hüft-TEP Implantation analysiert. Er konnte zeigen, dass sich bereits durch die erste Revision die durchschnittliche stationäre Liegedauer verdoppelt und die Behandlungskosten verdreifacht haben [2].

Dieser Effekt potenziert sich im Patientengut der vorliegenden Studie, denn jeder eingeschlossene Fall stellt einen Therapieversager dar, der zuvor nicht mit dem zugrunde gelegten Behandlungsregime saniert werden konnte. Es handelt sich um komplexe Fälle mit komplizierten Verläufen und prolongierter Krankengeschichte. Durchschnittlich waren 4 stationäre Aufenthalte notwendig und die mittlere Liegedauer lag bei 109 Tagen. Das Ergebnis war dennoch nicht die angestrebte Infektsanierung, sondern als ultima ratio die stabile Fistel.

Die Gründe für die Anlage einer stabilen Fistel waren vielseitig. Es gab Patienten, die aufgrund ihres allgemeinen Gesundheitszustands aus ärztlicher Sicht nicht mehr operationsfähig waren. Es gab Patienten, die aufgrund des Erregernachweises und Mischinfektionen mit Difficult-to-treat-Erregern (DTT) nicht saniert werden konnten. Den Hauptanteil mit über 80 % der untersuchten Patienten bildete jedoch die Gruppe, die nach leidensreichem Krankheitsverlauf jede weitere Art der operativen Intervention abgelehnte. Diese Patienten akzeptierten die Risiken, Einschränkungen und Nachteile der stabilen Fistel und wollten nur eins – das Krankenhaus verlassen.

Als behandelnder Arzt sollte man diese Patienten eng über die Sprechstunde anbinden, denn es zeigen sich bei nahezu 100 % der Fälle im Verlauf weitere Komplikationen. Es kommt häufig zum Verschluss der Fistel oder zu einem Keimwechsel vom niedrig virulenten Erreger hin zum hoch-virulenten Keim, der sich für die Anlage einer stabilen Fistel per se nicht eignet. Es können sich abszedierende Infekte mit ausgeprägter Weichteilbeteiligung bilden. Es sind häufig diese Patienten, die dann über die Notaufnahme wieder aufgenommen und operiert werden müssen, da sich ein beginnender septischer Verlauf abzeichnet.

Schlussfolgerung

Während moderne Therapiealgorithmen in der Behandlung von periprothetischen Infekten optimistische Prognosen zulassen, findet sich in der Literatur kaum ein Hinweis für den Umgang mit Therapieversagern.

Der Umgang mit diesem selektionierten und meist schwierigen Patientenklientel bedarf vermehrter Aufmerksamkeit. Neben optimierten innerklinischen Behandlungspfaden muss auch außerhalb des Krankenhauses die weitere Versorgung gewährleistet sein.

Wir empfehlen zunächst bei jedem periprothetischen Infekt, die Möglichkeiten einer Infektsanierung zu überprüfen. Hier spielen nicht nur die Erreger, die Weichteile und die chirurgische Machbarkeit eine Rolle, sondern es sind auch die Wünsche der Patienten und die realistische Einschätzung der Therapieergebnisse zu beachten. Aus diesem Grund sollten die Anamnese des Patienten und der Behandlungsverlauf nachvollzogen werden, um so mögliche Gründe einer bisher insuffizienten Therapie zu eruieren. Erfolgte das operative Vorgehen im geeigneten Ausmaß? Wurde eine resistogrammgerechte antimikrobielle Therapie durchgeführt? Ist der Patient compliant? Gibt es Kontraindikationen für einen Sanierungsversuch? Ist in Anbetracht der individuellen Situation des Patienten eine Salvage-Prozedur in Erwägung zu ziehen? Kann der chronische persistierende Infekt supprimiert werden? Muss eine stabile Fistel angelegt werden oder ist sogar die Amputation die beste Behandlungsmöglichkeit. Das kritische Hinterfragen der bisherigen Maßnahmen ist notwendig, um Schwachstellen der vorausgegangenen Therapie aufzudecken und eine realistische Planung der weiteren Behandlung vorzunehmen.

Neben der ärztlichen Sicht und dem Anspruch, den Infekt zu sanieren, muss realistisch abgeschätzt werden, ob der Patient operabel ist, ob der Patient von einem Sanierungsversuch profitiert oder ob man eine Salvage-Prozedur in Erwägung zieht. Häufig sind es die Patienten, die sich einer weiteren operativen Therapie verweigern und es vorziehen, mit einem zwar fistelnden Gelenkinfekt bei jedoch noch erhaltender Restfunktion zu leben. Die schlechten klinischen Scores und die niedrige Patientenzufriedenheit zeigen jedoch eindeutig, dass die Indikationsstellung zur Anlage einer stabilen Fistel extrem eng zu stellen ist und nur als ultima ratio in begründeten Ausnahmefällen beim multimorbiden Patienten angewandt werden sollte.

Das Therapiekonzept der stabilen Fistel stellt somit ein absolutes Reserveverfahren dar, mit dem sich chronische periprothetische Infekte bei einem sehr umschriebenen Patientenkollektiv kontrollieren lassen. Es sollte lediglich nach gründlicher Abwägung und genauer Einzelfallprüfung zur Anwendung kommen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Hinnerk Baecker

Chirurgische Klinik und Poliklinik

Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

hinnerk.baecker@bergmannsheil.de

Literatur

1. Boraiah S, Joo L, Inneh IA et al.: Management of Modifiable Risk Factors Prior to Primary Hip and Knee Arthroplasty. J Bone Jt Surgery-American 2015; 97: 1921–28

2. Kapadia BH, Berg RA, Daley JA, Fritz J, Bhave A, Mont MA: Periprosthetic joint infection. Lancet 2016; 387: 386–94

3. Lieb E, Hanstein T, Schuerings M, Trampuz A, Perka C: Eine Verkürzung der Behandlungsdauer von periprothetischen Infektionen durch ein Fast-Track-Konzept ist ökonomisch unmöglich. Z Orthop Unfall 2015; 153: 618–23

4. Organization WH: Global guidelines on the prevention of surgical site infection. World Health Organization; 2016

5. Osmon DR, Berbari EF, Berendt AR et al.: Diagnosis and Management of Prosthetic Joint Infection: Clinical Practice Guidelines by the Infectious Diseases Society of America. Clin Infect Dis 56 2013; (1): e1–e25

6. Perka C, Haas N: Periprothetische Infektion. Chirurg 2011; 82: 218–26

7. Renz N, Perka C, Trampuz A: Management periprothetischer Infektionen des Kniegelenks. Orthopade 2016; 45: 65–71

8. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2014

9. Trampuz A, Zimmerli W: Diagnosis and treatment of implant-associated septic arthritis and osteomyelitis. Curr Infect Dis Rep 2008; 10: 394–403

10. Winkler T, Trampuz A, Hardt S, Janz V, Kleber C, Perka C: Periprosthetic infection after hip arthroplasty. Orthopade 2014; 43: 70–8

11. Youssef B, Pavlou G, Tsiridis E: Philadelphia 2013: International Consensus Meeting on Periprosthetic Joint Infection. Hip Int 2014; 24: 3–4

12. Zimmerli W, Trampuz A, Ochsner PE: Prosthetic-Joint Infections. N Engl J Med 2004; 351: 1645–54

Fussnoten

1 Chirurgische Klinik und Poliklinik, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum

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