Übersichtsarbeiten - OUP 01/2023

Die radiologische Beurteilung des Einheilungsverhaltens thermodesinfizierter Femurköpfe

Jörg Jerosch, Luisa Kuhlen, Rafael Peter

Hintergrund:
Die allogene Knochentransplantation mittels thermodesinfizierter Femurköpfe ist ein weit verbreitetes Verfahren. Die hohe Sicherheit, die weitgehend erhaltenen biologischen Wertigkeit sowie die guten biomechanischen Eigenschaften des behandelten Knochens sind beim Thermodesinfektionsverfahren bekannt.

Zielsetzung:
Ziel dieser retroperspektiven Studie war es, die Einheilung des thermodesinfizierten Knochentransplantates mittels Röntgenbildern zu beurteilen.

Methodik:
In einem Zeitraum von 11 Jahren wurden an 166 Patienten insgesamt 189 Transplantationsoperationen durchgeführt. Dabei fanden 207 allogenen thermodesinfizierte Spenderknochen Verwendung. Bei der Beurteilung der Einheilung wurden die Homogenität der Knochendichte, Ausrichtung der Trabekelstruktur, sowie Saumbildung oder Lysezonen zwischen dem Transplantat oder dem Empfängerknochen radiologisch bewertet. Ein klinischer Erfolg des allogenen Transplantates bestand dann, wenn dieses aufgrund einer Avitalität nicht entfernt werden musste und keine Revisionsoperation vor dem Sichtbarwerden von radiologischen Einheilungszeichen stattfand.

Ergebnisse:
Die Erfolgsrate der allogenen Transplantationsoperation wurde in der Studie mit 74 % angegeben. In knapp über 10 % kam es hingegen zu einer Avitalitätsentwicklung des Knochentransplantates. In weiteren 14 % der Operationen wurde eine Revisionsoperation aufgrund von Komplikationen angeschlossen, ohne dass vorher radiologische Einheilungszeichen ersichtlich waren. Bei 2 % der Fälle war eine Beurteilung nicht möglich.
Der Mittelwert der radiologischen Einheilungsdauer lag bei erfolgreicher Einheilung bei ca. 1000 Tagen. Transplantate unter 224 mm² in der radiologischen Flächenausmessung zeigten in 70 % der Röntgenbilder eine radiologische Einheilung, während es bei den größeren Transplantaten nur bei circa jedem
5. Röntgenbild der Fall war (21,2 %).

Schlussfolgerung:
Der Einsatz des thermodesinfizierten allogenen Knochenersatzmaterials zeigte eine gute Erfolgsrate und
in vielen Fällen konnte eine Einheilung radiologisch nachgewiesen werden.

Schlüsselwörter:
Knochentransplatation, Femurkopf, Thermodesinfektion

Zitierweise:
Jerosch J, Kuhlen L, Peter R: Die radiologische Beurteilung des Einheilungsverhaltens thermodesinfizierter Femurköpfe.
OUP 2023; 12: 29–34.
DOI 10.53180/oup.2023.0029-0034

Background: The allogen bone transplatation with thermodesinfected femoral heads is widely used. There is a high degree of safety, biological effects and biomechanic property.

Purpose: The purpose of this retrospective study was to present the radiological ingroth after implantation.

Material and methods: Within 11 years 166 patients had a total of 189 femoral head transplantations. In total 207 allogenen thermodesinfected bones were used. For judging the ingrowth we documented the homogenicity oft he bone, the alignment oft he trabecular structure, lucent lines and ostelysis. Cliical successful was the implant, if no graft related revision was necessary.

Results: The clinical succes rate was 74 %. In about 10 % it was avital. In 14 % there was a revision before graft healing was documented. In 2 % graft judgement was not possible. Radiologic healing lasted about 1000 days. Implant smaller than 224 mm² showed in 70 % a radiologic healing; bigger implants showed only in 21.2 % radiologic ingrowth.

Conclusion: The use of thermodesinfected femoral heads show good clinical results and in most cases a radiological realing could be dokumented.

Keywords: bone transplantation, femoral head, thermodesinfection

Citation: Jerosch J, Kuhlen L, Peter R: Radiological ingrowth of thermodesinfected femoral heads.
OUP 2023; 12: 29–34. DOI 10.53180/oup.2023.0029-0034

Jörg Jerosch, Rafael Peter: Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss

Luisa Kuhlen: Doktorandin bei Prof. Jerosch, Studentin der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf

Einleitung

Bei der Behandlung von ausgedehnten Knochendefekten spielt die Knochenersatztherapie eine wichtige Rolle. In ca. 15 % aller Operationen des menschlichen Skelettsystems besteht der Bedarf zum Knochenersatz [29], wobei von einer stetigen Bedarfssteigerung auszugehen ist. 2004 betrug die Zahl der Knochengraft-Eingriffe in Deutschland 152.600 pro Jahr. Sechs Jahre später war diese Zahl schon auf 206.100 pro Jahr angestiegen [12]. Zur Verfügung steht den Operateuren neben dem autogenen Knochenersatz und dem allogenen Knochenersatz, auch verschiedene synthetische Knochenersatzmaterialien wie beispielsweise Keramiken aus Kalziumphosphaten [8, 29].

Ein optimaler Knochenersatz ist in der Lage, osteogenetische, osteoinduktive und osteokonduktive Wirkungen auszuüben und verfügt somit über eine hohe biologische Eigenpotenz. Auch geht von ihm keine Kanzerogenität, Toxizität, oder Infektiösität aus.

Der autologe Knochenersatz gilt als „golden standard“. Die Gefahr einer Infektion mit potentiellen Keimen und das Risiko einer immunologischen Reaktion sind vernachlässigbar [5, 26]. Auch die biologische Wertigkeit des autologen Knochens ist besonders hoch, denn er hat unter allen Knochenersatzmaterialien die höchste Regenerationsfähigkeit. In einem autogenen Knochenersatz sind osteogenetische Vorgänge, zumindest an der Transplantatoberfläche, durch überlebende Osteoblasten nachgewiesen und die osteoinduktive und osteokonduktive Wirkung wird ebenfalls als hoch eingestuft [3, 6, 7, 28].

Der allogene Femurkopf ist bei der Primärimplantation einer Hüfttotalendoprothese ein sogenanntes „Überschussgewebe“ [20]. Er führt bei seiner Beschaffung aufgrund des fehlenden zusätzlichen Eingriffs nicht zu einer Komorbidität und ist anders als die autologen Transplantate nicht nur in eingeschränkter Menge verfügbar [4, 9].

Neben den medizinisch-technischen Anforderungen an den Knochenersatz, beeinflussen im klinischen Alltag natürlich auch wirtschaftlich-ökonomische Faktoren die Verwendungsmöglichkeiten. Die ökonomischen Aspekte einer allogenen Knochenbank sind ebenfalls als attraktiv einzustufen [11].

Die Thermodesinfektion ist ein weit verbreitetes Sterilisationsverfahren für allogene Knochen. Der Festigkeitsverlust der thermodesinfizierten Knochentransplantate wird im Vergleich zu rein kryokonservierten Knochentransplantaten mit 10–15 % angegeben und ist somit gering [14, 16, 31]. Die osteoinduktiven Eigenschaften des Knochens bleiben zwischen 50 und 80 % erhalten, während die Osteokonduktivität durch die Thermodesinfektion überhaupt nicht beeinträchtigt wird [22, 31]. Neben der weitgehend erhaltenen biologischen Wertigkeit sind potenziell mutagene, kanzerogene oder toxische Wirkungen durch die Wärmebehandlung nicht zu erwarten [16, 17]. Das Thermodesinfektionsverfahren ist besonders aufgrund der hohen Sicherheit bezüglich Immunogenität, Kanzerogenität und Infektiösität und auch aufgrund der guten Steuerbarkeit im Vergleich zu anders hergestellten Knochentransplantaten deutlich hervorzuheben und somit anderen Desinfektionsmaßnahmen überlegen [16]. Die effektive Abtötung von vegetativen Bakterien, Viren und Pilzen durch das Thermodesinfektionsverfahren konnte mehrfach nachgewiesen werden [16, 17, 23–25, 30]. Eine Rhesusantigenität ist beim thermodesinfizierten Knochentransplantat nicht mehr zu erwarten [13, 31]. In der vorliegenden Arbeit werden die eigenen Ergebnisse mit diesem Verfahren dargestellt.

Material und Methodik

Verfahren der Thermodesinfektion nach dem Marburger Knochenbanksystem

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