Übersichtsarbeiten - OUP 05/2013

Die Therapie distaler Radiusfrakturen beim älteren Menschen

Die Therapie distaler Radiusfrakturen muss auf die individuellen funktionellen Ansprüche des Patienten angepasst sein und sollte eine schmerzfreie Beweglichkeit der betroffenen Extremität zum Ziel haben. Insbesondere selbstständig lebende, ältere Patienten sind auf die Handfunktion angewiesen und größere funktionelle Einschränkungen können eine soziale Abhängigkeit zur Folge haben. Es ist jedoch anzunehmen, dass mit steigendem Lebensalter die an die obere Extremität gestellten Anforderungen abnehmen, eine vollständige Wiederherstellung der Funktionalität nach einer Verletzung von sekundärer Bedeutung ist und sich selbst bei Heilungen in Fehlstellung keine funktionellen Einbußen ergeben. Obwohl dies sicher für viele geriatrische Patienten zutrifft, besteht eine wachsende Diskrepanz zwischen kalendarischem und physiologischem Lebensalter, welches wiederum selbst keine Korrelation zur empfundenen Jugend aufweisen muss. Nicht zuletzt regen Lebenseinstellungen wie „man ist nur so alt, wie man sich fühlt“ immer mehr ältere Patienten zu hoher körperlicher Aktivität und individueller Lebensführung mit hohen funktionellen Ansprüchen an. Aus diesen Gründen fällt der individuellen, an funktionelle Ansprüche und biologische Faktoren des Patienten angepassten Therapieentscheidung eine große Bedeutung zu. Die Differenzierung zwischen einem geriatrischen Patienten mit geringen funktionellen Ansprüchen und einem aktiven und anspruchsvollem älteren Menschen sollte daher am Anfang der Therapieentscheidung stehen. So stellt das konservative Vorgehen im geriatrischen Patientengut ein komplikationsärmeres Vorgehen ohne funktionelle Konsequenzen dar [15, 18]. Hierbei sei besonders auf die bereits erwähnte hohe Rate sekundärer Dislokationen nach initialer Reposition sowie auf die Notwendigkeit frühzeitiger Mobilisierung der Finger zur Kontrakturprophylaxe hingewiesen.

Insbesondere bei aktiveren Senioren sollte dennoch, ähnlich wie in jüngeren Patientengruppen [13, 14], ein Zusammenhang zwischen radiologischem Bild und Funktionalität angenommen werden. So berichten Arora et al. [15] in der bereits erwähnten randomisierten Studie nach 12 Monaten über eine signifikant höhere Rate arthrotischer Veränderungen nach Heilung in Fehlstellung infolge konservativer Therapie. Dies korrelierte jedoch nicht mit der klinischen Beschwerdesymptomatik. Aussagen über langfristige klinische Beeinträchtigungen infolge von Handgelenkarthrosen ließen sich aus dieser Studie nicht ableiten. Es ist anzunehmen, dass aktive Senioren mit hohem funktionellen Bedarf eine klinische Manifestation dieser Arthrose erleben werden und daher analog zum jüngeren Patienten eher einer operativen Therapie zugeführt werden sollten.

Osteosynthesen mit
Kirschner-Drähten

In einem randomisierten Vergleich osteosynthetischer Versorgung distaler Radiusfrakturen in der von Kapandji beschriebenen intrafokalen Technik und in der Technik nach Willenegger mit radioulnar schräg eingebrachten Drähten konnte eine Überlegenheit der intrafokalen Technik festgestellt werden [24]. Bei einem Durchschnittsalter von 65 Jahren waren bei 100 konsekutiven Fällen sowohl radiologisches als auch funktionelles Ergebnis 10 Monate postoperativ signifikant überlegen. Mit einer Rate von 30 % traten insgesamt recht häufig Komplikationen auf. Darüber hinaus verschafft eine Osteosynthese mit Kirschner-Drähten in der Regel keine übungsstabile Situation und ermöglicht selten eine frühzeitige Mobilisierung des Handgelenks. Dennoch kommen Meier et al. [25] in einem systematischen Review zur Folgerung, dass die operative Versorgung mit Kirschner-Drähten zwar ein geeignetes Verfahren zur Versorgung distaler Radiusfrakturen darstellt, die winkelstabile palmare Plattenosteosynthese jedoch eine raschere Mobilisierungsmöglichkeit erlaubt. Sie wiesen jedoch auch darauf hin, dass ein klinischer Vorteil im Langzeitverlauf nicht mehr zu beobachten ist. Darüber hinaus sollten die signifikant höheren Kosten eines offenen Stabilisierungsverfahrens gegenüber der perkutanen Drahtosteosynthese ein zu beachtender Faktor sein [26].

Osteosynthesen mit
externem Fixateur mit
oder ohne Kirschner-Drähte

Esposito et al. [27] konnten in einer Metaanalyse bessere klinische und radiologische Resultate bei geringeren Infektionsraten nach Plattenosteosynthesen gegenüber externer Fixierung feststellen. Das Durchschnittsalter in allen eingeschlossenen Studien lag jedoch unter 60 Jahren, sodass diese Resultate nur bedingt auf geriatrische Patienten anzuwenden sind.

Zum Vergleich der Behandlung mittels Fixateur externe oder Kirschner-Drähten und Ruhigstellung wurden 90 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren in einer prospektiven randomisierten Studie untersucht. Obwohl keine Unterschiede in Patientenzufriedenheit und funktionellem Ergebnis gezeigt wurden, zeigte sich 2 Jahre nach Versorgung ein überlegenes radiologisches Resultat nach externer Fixierung. Wenngleich die Rate von Infekten der perkutanen Eintrittsstellen bei externer Fixierung geringer als bei Verwendung von Kirschner-Drähten war, so wiesen beide Verfahren mit 45 % eine hohe Komplikationsrate auf [28].

Eine prospektiv randomisierte Studie ging der Frage nach, ob Patienten mit sekundärer Frakturdislokation von einer erneuten Reposition und Stabilisierung mittels externem Fixateur profitieren. Im Vergleich zu weiter konservativ behandelten Patienten zeigte sich bei verbessertem radiologischen Ergebnis kein signifikanter Unterschied im funktionellen Resultat [29].

Osteosynthesen nach
offener Reposition durch
interne Stabilisierung

Dorsale Plattenosteosynthesen

Frakturen mit einer metaphysären Trümmerzone weisen üblicherweise eine dorsale Verkippung auf. Daher ist über ein dorsales Vorgehen eine exzellente Übersicht und eine gute Abstützung zu erreichen, die bei palmarem Vorgehen ohne winkelstabile Implantate nicht erreichbar ist. So berichten Keller et al. [30] in einer Serie von 49 Frauen jenseits des 60. Lebensjahres und einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 32 Monaten bei guter Patientenzufriedenheit und Funktionalität über nur einen einzigen Fall einer sekundären Dislokation und einen Fall einer Strecksehnenruptur. Aufgrund drohender Weichteilkomplikationen wird eine frühzeitige Materialentfernung nach Konsolidierung der Fraktur jedoch als unerlässlich angesehen. Diese Nachteile können wahrscheinlich durch moderne, niedrig profilierte Implantate vermieden werden. So berichten Yu et al. [31] in einer Untersuchung von 57 Fällen, in denen dorsale low-profile Plattenosteosynthesen der Stärken 1,2–1,5 mm eingesetzt wurden, dass trotz nicht-regelhaft durchgeführter Implantatentfernung nur in 3 Fällen Irritationen der Strecksehnen auftraten.

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