Übersichtsarbeiten - OUP 05/2013

Die Therapie distaler Radiusfrakturen beim älteren Menschen

Winkelstabile Systeme ermöglichen eine Abstützung der nach dorsal dislozierten Frakturen über ein palmar aufliegendes Implantat. Dadurch hat die palmare winkelstabile Plattenosteosynthese das dorsale Vorgehen weitgehend verdrängt. Mittlerweile sollten lediglich Frakturen mit dorsalen Fragmenten, die über ein palmar eingebrachtes Implantat nicht adressierbar sind, einer dorsalen Osteosynthese zugeführt werden. In diesen Fällen kann eine Kombination aus dosalem und palmarem Vorgehen eine sichere Retention bieten.

Winkelstabile palmare
Plattenosteosynthesen

Im Laufe der letzten 2 Jahrzehnte hat die Anwendung palmarer winkelstabiler Plattenosteosynthesen einen Aufschwung erlebt und stellt mittlerweile vielerorts den Standard der operativen Therapie dar [8, 9]. Neben guten Repositionsergebnissen sowohl extra- als auch intraartikulärer Frakturen und geringer Raten sekundärer Dislokationen ermöglicht die stabile subchondrale Verankerung eine frühzeitige funktionelle Therapie mit früher Mobilisierung der Handgelenke, sodass auch kurzfristig gute funktionelle Ergebnisse beobachtet werden [32, 33]. Darüber hinaus geht das palmare Vorgehen mit einer geringen Zugangsmorbidität einher, und zahlreiche klinische Studien konnten gute Ergebnisse der palmaren winkelstabilen Osteosynthese belegen [34–36].

Im Vergleich zur Stabilisierung mittels Kirschner-Drähten kann hierdurch bei vergleichbaren Komplikationsraten eine raschere Rückkehr zu Aktivitäten des täglichen Lebens erreicht werden [33]. Aufgrund signifikant höherer Raten sekundärer Frakturdislokationen ist die Verwendung nicht winkelstabiler Implantate obsolet [37]. Während durch die Einführung multidirektional winkelstabiler Plattensysteme über eine variable Schraubenpositionierung eine verbesserte Fragmentfixierung erreicht werden soll, konnten klinische Studien hierzu bisher keinen relevanten Vorteil nachweisen [38].

Eine von Hakimi et al. [34] durchgeführte Nachuntersuchung von 89 Patienten mit palmaren winkelstabilen Plattenosteosynthesen für dislozierte distale Radiusfrakturen wies nach durchschnittlich 12 Monaten eine relevante Radiusverkürzung in 5 Fällen und größere Dislokationen in 11 Fällen nach. In einer Untersuchung von 564 winkelstabilen palmaren Plattenosteosynthesen beschrieben Köck et al. [39] keine sekundäre Frakturdislokationen bei einer durchschnittlichen Radiusverkürzung von 0,5–1 mm zeigen, obwohl nur in 1,5 % der Fälle eine Anlage von Knochenersatzmaterial in der Defektzone erfolgte. Während geringe Komplikationsraten nach palmarem Vorgehen auftraten, wurde die dorsale Plattenosteosynthese wegen der häufig auftretenden Strecksehnenaffektionen aufgegeben. Jedoch können auch nach palmaren Plattenosteosynthesen Komplikationen im Sinne sekundärer Dislokationen und Schraubenfehllagen mit Strecksehnenaffektionen auftreten (s. Abbildungen 1, 2).

Verwendung von
Knochenzement

Während die autologe Spongiosaplastik und der Einsatz von Knochenersatzmarterialien im Rahmen von Korrekturosteotomien von in Fehlstellung verheilten distalen Radiusfrakturen gut etabliert sind, beschreiben einige Studien auch eine Anwendung in der primären Frakturtherapie.

Eine aktuelle Literaturübersicht hierzu kommt zu dem Schluss, dass durch eine Knochentransplantation das radiologische Ergebnis und kurzfristig auch klinische Resultate positiv beeinflusst werden können, während sich keine Vorteile in den Langzeitergebnissen ergeben [22]. Diese Ergebnisse finden sich auch in einem aktuellen Cochrane-Review wieder, in welchem 10 Studien mit insgesamt 874 Patienten berücksichtigt wurden [40]. Unter Berücksichtigung der zusätzlichen Kosten durch die Verwendung von Knochenersatzmaterialien und der mit einer autologen Transplantation einhergehenden erhöhten Morbidität, sollte diese Option den Korrekturosteotomien vorbehalten bleiben.

Fazit

Distale Radiusfrakturen sind häufige Verletzungen im höheren Lebensalter und Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten. Dennoch liegen bis zum jetzigen Zeitpunkt wenige evidenzbasierte Empfehlungen zur Therapie vor. Durch Unterschiede in der Konzeption der Studien ist die Vergleichbarkeit nur eingeschränkt möglich, dennoch lassen sich einige Schlussfolgerungen ableiten: Während jüngere, aktive Patienten von einer möglichst anatomischen Ausheilung profitieren [13, 14], scheint bei geriatrischen Patienten keine Korrelation zwischen radiologischem und klinischem Resultat zu bestehen [15–18]. Obwohl eine Entscheidung in diesen Fällen mit ausreichender Evidenz zu stützen ist, bleibt die Frage unbeantwortet, wo die Grenze zwischen diesen beiden Patientengruppen gezogen wird und an welchen Parametern die Therapieentscheidung im Zweifelsfalle ausgerichtet werden soll.

Nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung auf Basis qualitätskorrigierter Lebensjahre (QALY) stellt sich eine operative Therapie dennoch auch nach wirtschaftlichen Kriterien als vertretbar dar. Während das weitgehend akzeptierte Kostenlimit für ein qualitätskorrigiertes Lebensjahr bei 50.000 $ gesehen wird, konnte die Modellrechnung zeigen, dass die operative Therapie Mehrkosten in Höhe von 15.330 $ pro QALY gegenüber der konservativen Therapie nach sich zieht und damit deutlich unter dieser Grenze liegt [23].

Ältere Patienten mit geringer körperlicher Aktivität können selbst bei höhergradigen Deformitäten nach konservativer Therapie mit einem guten funktionellen Ergebnis rechnen. Durch eine konservative Therapie können Komplikationen wie Infektionen, Nerven- und Sehnenläsionen sowie die damit verbundene Minderung des funktionellen Ergebnisses weitestgehend vermieden werden. In diesem Kollektiv besteht die Herausforderung darin, durch die frühzeitige Einleitung von Bewegungsübungen der Fingergelenke einer Gelenkeinsteifung vorzubeugen. Hingegen wird bei aktiven älteren Patienten die Versorgung mit winkelstabilen palmaren Plattenosteosynthesen aufgrund guter radiologischer und funktioneller Ergebnisse, der Möglichkeit einer frühzeitigen Mobilisierung mit hoher Patientenzufriedenheit und niedrigen Komplikationsraten als Verfahren der Wahl angesehen. Osteosynthesen mit dorsalen Implantaten gehen mit einem erhöhten Risiko von Strecksehnenirritationen einher und erfordern eine regelhafte Implantatentfernung. Sie sollten daher Einzelfällen, in denen von palmar nicht adressierbare Fragmente ein rein dorsales oder eine kombiniert dorso-palmares Vorgehen erfordern, vorbehalten bleiben.

Die Stabilisierung mit Kirschner-Drähten oder Fixateur externe stellt sich beim aktiven älteren Patienten gegenüber der winkelstabilen Osteosynthese als unterlegen dar und geht mit hohen Komplikationsraten einher, sodass diese Verfahren beispielsweise offenen Frakturen vorbehalten bleiben sollten.

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