Übersichtsarbeiten - OUP 01/2021

Die ulnare Neuropathie bei Ellenbogensteifen
Ein Präventions- und Lösungsalgorithmus

Zusammenfassend lässt sich das Risiko einer Ulnaris-Neuropathie nach einer Ellenbogenarthrolyse durch eine Revision des N. ulnaris reduzieren, aber nicht immer vollständig verhindern. Eine solche Revision muss auf jeden Fall den Nerv langstreckig dekomprimieren. Bei Einschränkung der Gleitfähigkeit durch perineurale Vernarbungen muss der Nerv mit einer zirkulären Neurolyse mobilisiert werden. Auf jeden Fall sollte intraoperativ eine mögliche Instabilität des Nervs überprüft werden. Sollte der Nerv aus dem Sulcus ulnaris subluxieren oder ein Schnappen im Nervenverlauf beim Durchbewegen auftreten, ist eine Transposition des Nervs sinnvoll. Auch der Lokalbefund sollte in die Entscheidung einbezogen werden, ob der N. ulnaris nur dekomprimiert oder verlagert wird. Ein großflächig vernarbtes Nervenbett nach vorausgegangener Operation, ein schlechter Zustand des N. ulnaris selbst, z.B. mit fehlender Abgrenzbarkeit des Epineuriums, eine direkte Nachbarschaft zu heterotopen Ossifikationen oder Osteosynthesematerial sowie ein deformierter Sulcus ulnaris, z.B. durch Osteophyten, sind eine sinnvolle Indikation, den N. ulnaris in ein neu geschaffenes Weichteilbett ohne knöchernes Widerlager zu verlagern, wo er möglichst wenig von Gelenkbewegungen und äußerem Druck beeinflusst wird [17, 21, 25, 30].

Die submuskuläre Transposition wird von einigen Autoren gerade in Revisions-Situationen empfohlen, hat sich aber zumindest bei Revisionen des klassischen Kubitaltunnel-Syndroms nicht als vorteilhaft erwiesen [3, 12]. Während beim klassischen Kubitaltunnel-Syndrom auch eine endoskopische Neurolyse eine effiziente und sichere Therapieoption darstellt, ist diese Methode nach einem relevanten Trauma oder nach einer Operation im Bereich des N. ulnaris wegen der wahrscheinlich vorhandenen perineuralen Vernarbung nicht zu empfehlen.

Bei einer neu aufgetretenen Ulnaris-Neuropathie oder wesentlichen Verschlechterung vorbestehender Symptome in Folge einer Ellenbogenarthrolyse wurde das therapeutische Vorgehen bei Blonna und Kollegen [5] abhängig von Ausprägung der Symptome gehandhabt: Leichte Par- und Hypästhesien postoperativ, ohne Progression oder Schmerzhaftigkeit bei der Beübung, wurden konservativ mit Modifizieren der Physiotherapie und Motorschienenbeübung behandelt. Auch jene Patienten, die erst nach 2–6 Wochen leichte sensomotorische Ausfälle des N. ulnaris entwickelten, die die Ellenbogenbeweglichkeit nicht beeinträchtigten, wurden zunächst nur überwacht. Bei einer frühzeitig postoperativ aufgetretenen, progredienten Symptomatik mit motorischen Störungen, schmerzhafter Einschränkung der Beübung und Verschlechterung der Ellenbogenbeweglichkeit, wurde der N. ulnaris relativ rasch innerhalb von 1–2 Tagen mit einer subkutanen Transposition des N. ulnaris operativ revidiert. Ring und Kollegen [21] berichteten über 4 Patienten, die 7–30 Monate postoperativ eine elektrophysiologisch bestätigte Ulnaris-Neuropathie mit sensomotorischen Störungen nach einer von lateral durchgeführten Ellenbogenarthrolyse entwickelten. Diese wurden dann mit einer Ulnaris-Transposition behandelt (3 subkutan, 1 submuskulär).

Ziel einer operativen Intervention ist es, die Ursache(n) der Ulnaris-Neuropathie, soweit möglich, zu beheben um damit eine Erholung der eingeschränkten Nervenfunktionen zu ermöglichen und damit die klinische Situation für den Patienten zu verbessern. Je nach Ausmaß der Nervenschädigung sind die Ausfälle allerdings nicht immer bzw. nicht vollständig reversibel, selbst wenn sich die auslösende Pathologie vollständig beheben lässt. Ein höheres Lebensalter scheint einen negativen Einfluss auf die Regenerationsfähigkeit zu haben [27]. Insbesondere wenn der N. ulnaris bereits durch eine vorausgegangene Operation direkt adressiert wurde, birgt der Revisionseingriff auch das Risiko einer Verschlechterung der Symptomatik durch die intraoperative Manipulation, eventuell sogar mit einer iatrogenen Schädigung des Nervs. Dies muss mit dem Patienten präoperativ besprochen werden. Trotzdem scheinen die meisten Patienten von einer erneuten Revision zu profitieren [21, 27]. In Fällen mit extremer perineuraler Vernarbung kann die Verwendung einer Lupenbrille oder eines Operationsmikroskopes notwendig werden. Bei einem kompletten Funktionsausfall des N. ulnaris ist der Eingriff durch einen in Neurochirurgie erfahrenen Operateurs ratsam, falls eine Nerventransplantation erforderlich wird.

OP-Technik [19, 27]

Sofern der N. ulnaris bei der Ellenbogenarthrolyse adressiert werden soll, besteht die Option den Gelenk- und Nerveneingriff von medial über einen einzelnen Zugang durchzuführen. Besteht bereits aus einer vorausgegangenen Operation ein dorsaler Zugang, der ohnehin z.B. für eine Metallentfernung am Humerus wieder genutzt werden muss, kann der N. ulnaris über diesen Zugang adressiert werden. Ist die Ellenbogenarthrolyse von lateral oder arthroskopisch vorgesehen, wird der N. ulnaris über einen zusätzlichen, medialen Zugang behandelt [9, 20, 21].

Soll eine Operation am Nervus ulnaris zeitversetzt erfolgen, wenn bereits eine Arthrolyse vorausgegangen und postoperativ eine Ulnaris-Neuropathie aufgetreten ist, empfiehlt sich auf jeden Fall, einen medialen Zugang anzulegen.

Die offene Neurolyse des N. ulnaris, mit oder ohne Transposition, erfordert eine langstreckige Freilegung des Nervs. Sofern medialseitig keine Narbe einer vorausgegangenen Operation vorliegt, erfolgt diese über einen bogenförmigen, 8–10 cm langen Hautschnitt über dem des Epikondylus humeri medialis, etwas ventral des Sulcus ulnaris. Nach direkter Präparation auf die Faszie wird der Haut-Weichteillapen nach ventral und dorsal im Verlauf des Septum intermusculare mediale und über der Flexorenmuskulatur mobilisiert. Am besten ist der N. ulnaris proximal des Epikondylus humeri medialis, direkt dorsal des Septum intermusculare mediale, aufzufinden. Nach vorsichtiger Inzision der Faszie wird der Nerv identifiziert und bis 10 cm proximal der Epikondylus-Spitze freigelegt. Es muss sichergestellt werden, dass ca. 8 cm proximal des Epikondylus keine Struther´sche Arcade den N. ulnaris einengt [26]. Um ein freies Gleiten des Nervs sicherzustellen, wird dieser zirkulär mobilisiert, wobei begleitende Gefäße soweit als möglich geschont werden. Den Nerv mit einem gedoppelten Loop anzuschlingen, erleichtert die Präparation. Nach distal wird das Dach des Sulcus ulnaris, das Osborne-Ligament, gespalten. Selten findet sich ein M. epitrochleoanconaeus, welcher über dem N. ulnaris liegt. Im weiteren Verlauf des Nervs wird die Muskelfaszie des M. flexor carpi ulnaris (FCU) längs inzidiert und die Muskelfasern werden bis auf den Nerv mit der Schere stumpf gespalten. Zur Darstellung und Mobilisierung des Nervs muss meist eine feine, perineurale Hülle inzidiert werden. In diesem Schritt muss die Präparation besonders vorsichtig erfolgen, weil in den FCU abgehende Muskeläste unbedingt geschont werden müssen.

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