Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Ellenbogenprothetik bei rheumatoider Arthritis

Andreas Niemeier1,2, Wolfgang Rüther1, 2

Zusammenfassung: Die rheumatoide Ellenbogendestruktion gehört herkömmlich zu den häufigsten Gründen für die Implantation einer Ellenbogenprothese. Aufgrund der effektiven medikamentösen Basistherapie seit Beginn der 2000er Jahre sind die schweren Verlaufsformen und somit die absoluten Implantationszahlen inzwischen jedoch deutlich rückläufig. Die Indikation zur Prothese beruht ganz vorwiegend auf dem subjektiven Leidensdruck und Funktionsanspruch der Patienten. Der beidseitige Befall des Ellenbogens sowie der ipsilaterale Befall von Schulter- und Handgelenken kommen regelmäßig vor. Daher ist es essenziell, den Ellenbogen als Teil der funktionellen Kette der gesamten oberen Extremität zu betrachten. Ungekoppelte Oberflächenersatzprothesen weisen ein höheres Komplikations- und Revisionsrisiko auf als gekoppelte (semi-constrained) Sloppy-hinge-Prothesen. Unter Verwendung bewährter Prothesenmodelle und Beachtung der Besonderheiten der rheumatoiden Arthritis, ist sehr zuverlässig mit guten funktionellen Ergebnissen und mit Standzeiten von mehr als 10–15 Jahren in über 90 % der Fälle zu rechnen.

Schlüsselwörter: Ellenbogenendoprothetik, rheumatoide
Arthritis

Zitierweise
Niemeier A, Rüther W: Ellenbogenprothetik bei Rheumatoider Arthritis. OUP 2016; 3: 160–165 DOI 10.3238/oup.2015.0160–0165

Summary: Rheumatoid arthritis of the elbow has traditionally been one of the most frequent indications for total elbow arthroplasty. Secondary to the introduction of more efficient medical treatment options, in particular with biologicals, the number of total elbow replacements for rheumatoid arthritis has been constantly declining over the last 10–15 years. The indication for total elbow arthroplasty in rheumatoid arthritis is more patient-driven (chronic pain, and functional disability) than based on objective assessment. Given the high incidence of ipsilateral shoulder and hand pathology, the rheumatoid elbow needs to be seen as part of the functional chain of the entire upper extremity. Semi-constrained sloppy hinge total elbow replacements have proven to be an excellent treatment option with reliable results, good long term outcome and survivorship of more than 90 % over 15 years, while avoiding potential complications such as instability which may occur secondary to the implantation of unconstrained surface replacements.

Keywords: total elbow arthroplasty, rheumatoid arthritis

Zitierweise
Niemeier A, Rüther W: Total elbow arthroplasty in rheumatoid arthritis. OUP 2016; 3: 160–165 DOI 10.3238/oup.2015.0160–0165

Einleitung

Das Ellenbogengelenk spielt in der funktionellen Kette der oberen Extremität eine entscheidende Rolle. Patienten mit chronisch inflammatorischen autoimmunen Synovialerkrankungen, insbesondere mit rheumatoider Arthritis, können im Endstadium der Erkrankung durch mutilierende Destruktion des Ellenbogengelenks mit Schmerz, Instabilität und Steife einen nahezu vollständigen Funktionsverlust der oberen Extremität erleiden. Obwohl das Ellenbogengelenk meist recht früh (binnen 5 Jahren nach Erstmanifestation der RA) eine Mitbeteiligung im Krankheitsverlauf zeigt, steht es für Patienten und behandelnde Ärzte oft nicht primär im Fokus. Der Ellenbogen kann auch bei früher Synovialitis lange relativ symptomarm sein, sodass die Aufmerksamkeit nicht selten auf die Beteiligung der Finger und Handgelenke als verhältnismäßig häufige Erstmanifestationsorte gelenkt wird und der Ellenbogen hinsichtlich Diagnostik und lokaler therapeutischer Maßnahmen relativ wenig beachtet wird. Es gilt also, frühzeitig nach einer Ellenbogenbeteiligung zu fahnden, um rechtzeitig effektive konservative oder operative Maßnahmen einleiten zu können. Für den Fall einer persistierenden Synovialitis trotz adäquater konservativer Therapiemaßnahmen über mehrere Monate, sollte relativ früh eine operative Synovialektomie indiziert werden, um einem ansonsten oft schleichenden Progress mit erheblichem destruktivem Potenzial bis hin zum schweren, mutilierenden Substanzverlust nicht nur des Gelenkknorpels, sondern auch des periartikulären Knochens und des Bandapparats vorzubeugen. Im Endstadium des chronisch schmerzhaften, instabilen, partiell oder vollständig gebrauchsunfähigen Ellenbogens besteht die einzige sinnvolle Operationsmethode in der Implantation eines endoprothetischen Ellenbogengelenkersatzes.

Pathologie und natürlicher Verlauf der rheumatoiden
Arthritis des Ellenbogens

20–50 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis weisen binnen 5 Jahren nach Erstmanifestation eine Ellenbogenbeteiligung auf, über 50 % nach 15 Jahren mit häufig bilateralem Befall [1, 2]. Die ersten Symptome einer Synovialitis des Ellenbogengelenks sind Bewegungs- und vor allem Ruheschmerzen sowie eine Ergussbildung, die über eine schmerzhafte Distension der anterioren Gelenkkapsel zur Schonhaltung in Flexion führt. Die Supination der Hand stellt die zweite Bewegungsrichtung dar, die schon frühzeitig limitiert wird – oft durch synovialitische Beteiligung des proximalen radioulnaren Gelenks. Die Folge einer chronischen Flexionsschonhaltung ist die Beugekontraktur mit fixiertem Streckdefizit, das meistens schmerzfrei allmählich zunimmt und ein Ausmaß von über 90° erreichen kann.

Zur Bewältigung des Alltags mit Be- und Entkleiden, Körperhygiene, Nahrungsaufnahme und ähnlichen Tätigkeiten ist ein minimaler „Range of Motion“ (ROM) von 100° erforderlich (sogenannter funktioneller Bogen nach Morrey) [2]. Dabei werden Streckdefizite von bis zu 30° von vielen Rheumakranken durch schleichende funktionelle Anpassung über die Jahre des Krankheitsverlaufs in der Regel recht gut toleriert. Ein Supinationsdefizit wird durch Adduktion im Schultergelenk, ein Streckdefizit durch Anteversion im Schultergelenk kompensierend vermindert. Hingegen ist eine Flexion von mindestens 100° erforderlich, um die Hand zum Gesicht führen zu können; Schulterbewegung kann den Verlust nicht ersetzen, allenfalls eine verstärkte Beugung im Handgelenk, die aber meist ebenfalls limitiert ist.

Diese Kapselmuster sind auch durch operative Maßnahmen nicht immer behebbar: nach endoprothetischem Ersatz des rheumatischen Ellenbogens verbleibt oft ein residuales Streckdefizit im Bereich zwischen 10 und 40°, welches jedoch kaum funktionelle Probleme verursacht, solange eine angemessene Flexionsfähigkeit erreicht wird. Das Erreichen der Flexionsfähigkeit nach Prothesenimplantation ist sicherer vorhersagbar und erreichbar als die Aufhebung des Streckdefizits. Der funktionelle Bogen von 100° ROM als Kriterium für eine hinreichende Gebrauchsfähigkeit ist bei rheumatischen Erkrankungen unbedingt im Kontext des individuellen Beteiligungsmusters von Schulter und Hand der jeweiligen Extremität zu betrachten. Eine gesunde Schulter kann durch glenohumerale und skapulothorakale Ausgleichsbewegungen dazu beitragen, Funktionsdefizite des Ellenbogens zu kompensieren, während eine schwere Affektion der Schulter viel höhere Anforderungen an einen gut funktionierenden Ellenbogen stellt, um die Gebrauchsfähigkeit der Extremität zu erhalten. Besteht an mehreren Gelenken einer Extremität eine Operationsindikation, so gilt als Faustregel, dass zunächst das stammnähere Gelenk operiert wird.

Abweichungen von der Regel können sich durch die prominente Symptomatik eines Gelenks oder drohende Schäden wie neurologische Defizite oder Sehnenrupturen ergeben. Von gleichzeitigem endoprothetischen Ersatz mehrerer Gelenketagen einer Extremität sollte man aus Gründen der postoperativen Behinderung während der Rehabilitationsphase, der Einschränkung der gezielten Rehabilitation einzelner Gelenke durch zusätzliche Operationswunden sowie des allgemein erhöhten Komplikationspotenzials absehen. Der Befall der unteren Extremität muss präoperativ ebenfalls in Betracht gezogen werden. Nach Operation eines rheumatischen Ellenbogens unterliegt zum Beispiel der Gang an Unterarmgehstützen einem generellen Vorbehalt, es bleibt befundabhängig die Option zur Verwendung von Achselgehstützen. In jedem Fall bedarf der relative Zeitpunkt der Indikationsstellung zur Operation einzelner Gelenke einer sorgfältigen Abwägung im Kontext aller betroffenen Lokalisationen; und es gilt zu bedenken, dass die RA meist symmetrisch verläuft, sodass der kontralaterale Ellbogen oft in ähnlicher Weise verändert ist.

Mit den frühen 2000er Jahren begann eine neue Ära sehr effektiver Basistherapie durch den kontinuierlich zunehmenden Einsatz von Antikörper-basierter Biologika-Therapie [3, 4]. Das Idealziel der Behandlung einer rheumatoiden Arthritis ist heute eine vollständige Remission [3–5]. Ohne eine gesichert effektive Basistherapie nach aktuellen Richtlinien sollte keine Operationsindikation gestellt werden. Frühdiagnostik nach den neuen ARC-Kriterien und aggressive medikamentöse Basistherapie in den Frühstadien der Erkrankung durch den Paradigmenwandel im Sinne von „hit hard and early“ haben dazu beigetragen, dass erstens sämtliche Operationsindikationen rheumatischer Gelenke, einschließlich des Ellenbogens, spürbar seltener geworden sind, und zweitens insbesondere die sehr schweren mutilierenden Verlaufsformen seltener werden [4–6]. Diese Entwicklung mag auch darin begründet sein, dass die generelle Absenkung der humoralen Entzündungsaktivität den Patienten und den Therapeuten soweit zufriedenstellt, dass eine persistierende aber verminderte Lokalaktivität nicht mehr als Operationsindikation erkannt wird.

Unter persistierender chronischer Synovialitis lassen sich verschiedene Verlaufsformen beobachten. Die frühe Sekundärarthrose resultiert aus einem Knorpelsubstanzverlust ohne größere Destruktion des periartikulären Knochens und der ligamentären Strukturen und führt zur schmerzhaften Bewegungseinschränkung (stiff elbow) aber letztlich gut erhaltener Ellenbogenstabilität, hier ist eine Ellenbogenprothese nicht erforderlich. Die fortschreitende rheumatische Destruktion der genannten Strukturen mündet hingegen in einem instabilen Gelenk (flail elbow).

Charakteristische Details betreffen die Destruktion des Ligamentum anulare mit konsekutiver anteriorer Instabilität des Radiusköpfchens durch den Zug der Bizepssehne ventral sowie im fortgeschrittenen Stadium ein dorso-lateraler Ulnarvorschub gegenüber dem distalen Humerus (Abb. 1). Die im deutschsprachigen Raum gängige Larsen-Klassifikation [7] richtet sich nach den nativradiologisch sichtbaren strukturellen Schäden. Die Mayo-Clinic-Klassifikation nach Morrey et al [2, 8] hingegen bezieht zusätzlich das Ausmaß der Synovialitis in die Klassifikation mit ein und bietet daher eine noch differenzierte Entscheidungshilfe, die für die operative Indikationsstellung noch vor der Prothese im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit einer Synovialektomie mit herangezogen werden kann (Tab. 1).

Operationsindikation zur
Ellenbogenprothese bei
rheumatoider Arthritis

Grundsätzlich lässt man sich bei der Indikationsstellung zur Endoprothetik vom Leidensdruck der Patienten leiten. Auch ein höherer Destruktionsgrad oder die Tatsache, dass ein solcher einzutreten droht, rechtfertigt eine rekonstruierende Operation nicht, sofern die klinische Symptomatik nur mild und für die Patienten im tolerablen Bereich ist. Es gilt, dass die Resistenz gegenüber einer effektiven medikamentösen und physikalisch-krankengymnastischen Therapie gegeben sein muss. Unabhängig davon hat die krankengymnastische Therapie auch vor operativen Eingriffen eine Bedeutung, da für die postoperative Beweglichkeit der Prothese der präoperative Bewegungsumfang ein wichtiger Prädiktor ist. Es gilt, eine patientenzentrierte Entscheidungsfindung herbeizuführen, die sich nicht nur an objektivierbaren Befunden orientiert, sondern insbesondere auf einer klaren Einigung über die funktionellen Ziele der OP basiert.

Die fortgeschrittene rheumatoide Arthritis des Ellenbogengelenks (Mayo Grad 3 und 4) stellt in der Historie der Ellenbogenprothetik die häufigste Indikation zur Prothesenimplantation dar (vgl. Abb. 1).

Prothesentypen

Von allen Prothesenentwicklungen und -konzepten hat sich im Langzeitverlauf für die rheumatoide Arthritis das gekoppelte „Sloppy-hinge“-Prinzip als jenes mit den besten funktionellen Ergebnissen und Standzeiten erwiesen. Gängige Prothesenmodelle dieser Art im deutschsprachigen Raum sind die Coonrad-Morrey-Prothese (Fa. Zimmer), die Latitude (Fa. Tornier) oder die Discovery (früher Fa. Biomet, jetzt Fa. Lima) (Abb. 2).

Auch bei höhergradiger Ellenbogendestruktion sind im mittel- bis langfristigen Verlauf mit diesen Implantaten gute bis exzellente klinische Ergebnisse in über 90 % der Fälle erreichbar, wobei trotz insgesamt höherer Komplikationsraten die Revisionsraten aus spezialisierten Zentren unter 10 % nach über 15 Jahren und damit nicht relevant über denen der Knie- und Hüftendoprothetik liegen [11, 12]. Der ungekoppelte Oberflächenersatz des Ellenbogens hingegen ist weichteilig insbesondere bei RA sehr schwierig zu balancieren.

In rheumatypischen Situationen mit ausgeprägtem Knochenverlust humeral und/oder ulnar oder vorbestehender ligamentärer Instabilität ist die Positionierung eines ungekoppelten Oberflächenersatzes nicht immer ohne Kompromiss hinsichtlich Rekonstruktion des Drehzentrums und oder hinsichtlich der ligamentären Stabilität durchführbar. Hieraus resultiert eine höhere Komplikationsrate und Revisionswahrscheinlichkeit für ungekoppelte Oberflächenersatzprothesen (Abb. 3) gegenüber Sloppy-hinges,[13, 14] was wiederum dazu geführt hat, dass die Implantationszahlen der ungekoppelten Prothesen insgesamt leicht rückläufig sind.

Besonderheiten der
perioperativen Medikation

Es ist zu beachten, dass verschiedene Biologika aufgrund ihrer spezifischen Wirkmechanismen negative Auswirkung auf die Wundheilung post operationem haben können. Daher gibt es – trotz der Tatsache, dass es zu dieser Thematik für die meisten Substanzen keine eindeutige Datenlage existiert – Konsens in den Empfehlungen der meisten Fachgesellschaften (DGRH, DGORh, EULAR, ACR), dass die Biologika-Therapie vor einem operativen Eingriff für eine Dauer von 2–4 Halbwertzeiten pausiert werden sollte [9, 10]. Wir praktizieren in unserer Klinik eine Pause von 2 Halbwertzeiten für alle Substanzen und haben unter diesem Regime keine erhöhte Rate von Wundheilungsstörungen beobachtet.

Methotrexat ist ein sehr breit eingesetztes Basistherapeutikum, welches im Gegensatz zu den Antikörper-basierten Biologika nach aktuellem Kenntnisstand ohne Sicherheitsrisiko kontinuierlich weitergegeben werden kann. Die meisten Rheumatiker erhalten eine chronische orale Kortisonmedikation, was zu einer Inhibition der Fähigkeit zur endogenen Kortisonproduktion in Stresssituationen führt. Daher benötigen diese Patienten zur Vermeidung eines Kortisonmangels perioperativ eine Kortisonstoß-Therapie, die sich hinsichtlich der Höhe der initialen Dosis und des Ausschleichens an der regulären präoperativen Dosis orientiert.

OP-Technik

Die Operation kann je nach gewähltem Zugangsweg in Rücken- oder Seitlagerung erfolgen. Wir bevorzugen die Seitlagerung mit dem Ellenbogen in 90° Flexion über einem gepolsterten Armhalter, was dem Operateur eine exzellente Übersicht über sämtliche relevante Strukturen bei Verwendung eines dorsalen Zugangs ermöglicht (Abb. 4).

Der Zugang sowohl zum distalen Humerus als auch zur proximalen Ulna wird durch die Schwerkraft des hängenden Unterarms auf diese Weise sehr erleichtert. Der längsverlaufende Hautschnitt bei dorsalem Zugang erfolgt leicht nach radial um das Olecranon geschwungen, der Weichteillappen bis zur Faszie sollte in seiner gesamten Schichtdicke erhalten und möglichst wenig manipuliert werden, um Wundheilungsstörungen vorzubeugen. Es ist unbedingt empfehlenswert, den N. ulnaris am proximalen medialen Trizepsrand aufzusuchen sowie eine schonende Neurolyse zumindest durch Spaltung des Sulcusdachs, befundabhängig auch durch Mobilisierung bis zum Abgang des ersten motorischen Astes und Ventraltransposition in eine subkutane Fettgewebstasche anterior des ulnaren Epicondylus vorzunehmen. In jedem Fall muss der Nerv auf dem Zugangsweg eindeutig identifiziert und während des weiteren OP Verlaufs sorgfältig geschont werden.

Während des Eingriffs sollte eine komplette Synovialektomie erfolgen. Der Nervus ulnaris ist durch die Synovialektomie sowie durch die in der Regel präexistente chronische Druckschädigung besonders gefährdet. Durch die chronische rheumatische Synovialitis entsteht regelhaft ein erhöhter Gelenkbinnendruck mit Kapseldistension. Im Sulcus ulnaris liegt der N. ulnaris der Gelenkkapsel unmittelbar auf, kann jedoch aufgrund des straff fibrösen Sulcusdachs dem kapselseitigen Druck nicht nachgeben und erfährt somit bei RA fast regelhaft eine chronische, wenn auch manchmal subklinische Druckläsion.

Es besteht durchaus das Risiko, durch die intraoperative Manipulation des chronisch vorgeschädigten Nervs eine (temporäre) Verschlechterung der Nervenfunktion herbeizuführen. Das Perineurium ist im Sulcus durch den chronischen Druck häufig mit der ausgedünnten Gelenkkapsel regelrecht verwachsen und lässt sich makroskopisch nicht immer sicher von Kapsel und Synovialitis trennen. In diesen Fällen ist das Risiko der iatrogenen Nervenschädigung deutlich erhöht.

Eine präoperative Röntgenplanung mit Prothesenschablonen hilft durch ungefähre Bestimmung der avisierten Prothesengrößen, unliebsamen intraoperativen Überraschungen vorzubeugen. Insbesondere bei Patienten mit juveniler rheumatoider Arthritis sind die knöchern anatomischen Verhältnisse oft erheblich kleiner als durchschnittlich zu erwarten. In Kombination mit der regelhaft bestehenden Osteoporose bedingt dies die Notwendigkeit zu einer sehr sorgfältigen Auswahl der Implantat-Größen und eine äußert schonende OP-Technik, um Frakturen zu vermeiden.

Die Platzierung der Ulnakomponente mit korrekter Rekonstruktion des Drehzentrums kann bei ausgewalzt deformierter Trochlea, ausgeprägter oberflächlicher Sklerose, aber gleichzeitig fortgeschrittener Osteoporose eine Herausforderung darstellen (Abb. 1b, 1c). Die Orientierung an der Olecranonspitze sowie die Relation zum proximalen Radius kann für die korrekte Positionierung der Ulna auch bei fortgeschrittener Destruktion eine gute Hilfe sein. Bei Zementierung der Ulnakomponente ist darauf zu achten, nicht zu viel intraossären Druck aufzubauen, um Ulnafrakturen (regelhaft Osteoporose, ausgedünnte Kortikalis) zu vermeiden. Die Kollateralbänder müssen zumindest dorsal partiell und zumindest einseitig abgelöst werden, um durch Luxation des Unterarms gegenüber dem Humerus ausreichend Platz zur Eröffnung und Präparation des Humerusmarkraums zur Aufnahme der Humeruskomponente zu schaffen.

Wenn nur ein Seitenband abgelöst wird, empfehlen wir zur Schonung des N. ulnaris, das ulnare Kollateralband abzulösen und den Unterarm nach radialseits zu luxieren. Nach Prothesenimplantation sind die Seitenbänder stabil transossär zu refixieren. Eine Einheilung des Seitenbandapparats ist geboten, um das Prinzip des Sloppy-hinge nicht überzustrapazieren, da anderenfalls verfrühter PE-Verschleiß, Schäden des Kopplungsmechanismus sowie zu hohe Auslockerungskräfte auf die zementierte Stielverankerung einwirken würden.

Zur Behebung des Streckdefizits ist eine komplette anteriore Kapsulotomie mit ausgedehntem subperiostalem Release am anterioren proximalen Humerus sowie Abtragung des Processus coronoideus hilfreich. Ein residuales Streckdefizit verbleibt trotz dieser Maßnahmen relativ häufig. Der endoprothetische Ersatz des Radiusköpfchen bei Implantation einer Sloppy-hinge-Prothese bietet für den rheumatischen Ellenbogen keinen Mehrwert. Wir bevorzugen die regelhafte Radiusköpfchenresektion ohne Ersatz.

Postoperative
Nachbehandlung

Postoperativ hat es sich bewährt, eine sehr dicke Wattepolsterung des Ellenbogens („bulky dressing“) zur strikten Vermeidung punktuellen Drucks auf die fragilen Weichteile anzulegen, auch zum Zweck einer schonenden Immobilisierung. Eine weitere Gipsschiene ist so unserer Erfahrung nach oft gar nicht mehr erforderlich. Zur Reduktion der postoperativen Schwellung hat sich ein konsequentes Hochlagern des Ellenbogens für die ersten 48 Stunden post-OP bewährt.

Anschließend sollte die physiotherapeutische passive Mobilisierung des Ellenbogens zügig beginnen, um Bewegungsdefiziten vorzubeugen. Wir sehen hier keine Notwendigkeit zur vorgegebenen Limitation des Bewegungsausmaßes. Nach Abschluss der Wundheilung kann der Ellenbogen auch zunehmend aktiv mobilisiert werden, wobei nach Zugängen mit Ablösung und Refixation der Trizeps-Sehne die aktive Extension gegen Widerstand für mindestens 6 Wochen post-OP konsequent zu vermeiden ist. Wir empfehlen den Patienten, den Ellenbogen dauerhaft mit nicht mehr als 2–3 kg zu belasten.

Zusammenfassung

Der endoprothetische Ellenbogengelenkersatz stellt für das chronisch schmerzhafte, funktionseingeschränkte rheumatischen Ellenbogengelenk mit höhergradigem Destruktionsgrad eine zuverlässige und sicherer Operationsmethode mit guten Langfristresultaten dar. Die Leidensbereitschaft der Patienten hinsichtlich des rheumatischen Ellenbogens ist hoch: Häufig klagen Patienten erst dann über den Ellenbogen, wenn bereits ein erheblicher Destruktionsgrad eingetreten ist und die Funktion der gesamten Extremität empfindlich beeinträchtigt wird. Die Implantation von Ellenbogenprothesen verfolgt die Ziele der Schmerzreduktion und/oder Wiederherstellung der Ellenbogenfunktion. Durch Verwendung von Sloppy-hinge-Prothesen in der Gelenkrekonstruktion sind Überlebensraten von über 90 % nach 15–25 Jahren eine realistische Zielgröße geworden, unter der Voraussetzung, dass die Prothesen dauerhaft mechanisch nicht überbelastet werden. Die Neurolyse des Nervus ulnaris durch Ulnaris-Tunnel-Release mit oder ohne Transposition sollte als begleitender Eingriff der Prothetik regelhaft erfolgen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Andreas Niemeier

Klinik und Poliklinik für Orthopädie

Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf

Martinistraße 52

20246 Hamburg

niemeier@uke.uni-hamburg.de

Literatur

1. Lehtinen JT, Kaarela K, Ikävalko M et al.: Incidence of elbow involvement in rheumatoid arthritis. A 15 year endpoint study. J Rheumatol 2001; 28: 70–74

2. Morrey BF, Sanchez-Sotelo J: The elbow and its disorders – fourth edition. Philadelphia: Saunders, Elsevier, 2009

3. Nam JL, Ramiro S, Gaujoux-Viala C et al.: Efficacy of biological disease-modifying antirheumatic drugs: a systematic literature review informing the 2013 update of the EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 2014; 73: 516–528

4. Smolen JS, Landewé R, Breedveld FC et al.: EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2013 update. Ann Rheum Dis 2014; 73: 492–509

5. Ruderman EM: Treating to target in rheumatoid arthritis – challenges and opportunities. Bull Hosp Jt Dis 2013; 71: 214–217

6. Weiss RJ, Ehlin A, Montgomery SM, Wick MC, Stark A, Wretenberg P: Decrease of RA-related orthopaedic surgery of the upper limbs between 1998 and 2004: data from 54,579 Swedish RA inpatients. Rheumatology 2008; 47: 491–494

7. Larsen A, Dale K, Eek M: Radiographic evaluation of rheumatoid arthritis and related conditions by standard reference films. Acta Radiol Diagn 1977; 18: 481–491

8. Morrey BF, Adams RA, Semiconstrained arthroplasty for the treatment of rheumatoid arthritis of the elbow. J Bone Joint Surg Am 1992; 74: 479–490

9. Goh L, Jewell T, Laversuch C, Samanta A, Should anti-TNF therapy be discontinued in rheumatoid arthritis patients undergoing elective orthopaedic surgery? A systematic review of the evidence, Rheumatol Int 2012; 32: 5–13

10. Polachek A, Caspi D, Elkayam O: The perioperative use of biologic agents in patients with rheumatoid arthritis. Autoimmun Rev 2012; 12: 164–168

11. Gill DR, Morrey BF: The Coonrad-Morrey total elbow arthroplasty in patients who have rheumatoid arthritis. A ten to fifteen-year follow-up study. J Bone Joint Surg Am 1998: 80: 1327–1335

12. van der Lugt JC, Rozing PM, Systematic review of primary total elbow prostheses used for the rheumatoid elbow. Clin Rheumatol 2004; 23: 291–298

13. Little CP, Graham AJ, Karatzas G, Woods DA, Carr AJ: Outcomes of total elbow arthroplasty for rheumatoid arthritis: comparative study of three implants.
J Bone Joint Surg Am. 2005; 87: 2439–48

14. Dalemans A, De Smet L, Degreef I: Long-term outcome of elbow resurfacing. J Shoulder Elbow Surg. 2013; 22: 1455–60

Fussnoten

1 Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

2 Klinik für Orthopädie und Orthopädische Rheumatologie, Klinikum Bad Bramstedt

3 Dieser Artikel enthält Auszüge des Buchkapitels „Chirurgie des rheumatischen Ellenbogengelenkes“ der Autoren in dem Buch „Chirurgie des Ellenbogens“. Herausgeber M. C. Müller, C. Burger, Deutscher Ärzte-Verlag, erscheint voraussichtlich 3. Quartal 2016, ISBN: 978-3-769-0624-4

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