Übersichtsarbeiten - OUP 03/2016

Ellenbogenprothetik bei rheumatoider Arthritis

Methotrexat ist ein sehr breit eingesetztes Basistherapeutikum, welches im Gegensatz zu den Antikörper-basierten Biologika nach aktuellem Kenntnisstand ohne Sicherheitsrisiko kontinuierlich weitergegeben werden kann. Die meisten Rheumatiker erhalten eine chronische orale Kortisonmedikation, was zu einer Inhibition der Fähigkeit zur endogenen Kortisonproduktion in Stresssituationen führt. Daher benötigen diese Patienten zur Vermeidung eines Kortisonmangels perioperativ eine Kortisonstoß-Therapie, die sich hinsichtlich der Höhe der initialen Dosis und des Ausschleichens an der regulären präoperativen Dosis orientiert.

OP-Technik

Die Operation kann je nach gewähltem Zugangsweg in Rücken- oder Seitlagerung erfolgen. Wir bevorzugen die Seitlagerung mit dem Ellenbogen in 90° Flexion über einem gepolsterten Armhalter, was dem Operateur eine exzellente Übersicht über sämtliche relevante Strukturen bei Verwendung eines dorsalen Zugangs ermöglicht (Abb. 4).

Der Zugang sowohl zum distalen Humerus als auch zur proximalen Ulna wird durch die Schwerkraft des hängenden Unterarms auf diese Weise sehr erleichtert. Der längsverlaufende Hautschnitt bei dorsalem Zugang erfolgt leicht nach radial um das Olecranon geschwungen, der Weichteillappen bis zur Faszie sollte in seiner gesamten Schichtdicke erhalten und möglichst wenig manipuliert werden, um Wundheilungsstörungen vorzubeugen. Es ist unbedingt empfehlenswert, den N. ulnaris am proximalen medialen Trizepsrand aufzusuchen sowie eine schonende Neurolyse zumindest durch Spaltung des Sulcusdachs, befundabhängig auch durch Mobilisierung bis zum Abgang des ersten motorischen Astes und Ventraltransposition in eine subkutane Fettgewebstasche anterior des ulnaren Epicondylus vorzunehmen. In jedem Fall muss der Nerv auf dem Zugangsweg eindeutig identifiziert und während des weiteren OP Verlaufs sorgfältig geschont werden.

Während des Eingriffs sollte eine komplette Synovialektomie erfolgen. Der Nervus ulnaris ist durch die Synovialektomie sowie durch die in der Regel präexistente chronische Druckschädigung besonders gefährdet. Durch die chronische rheumatische Synovialitis entsteht regelhaft ein erhöhter Gelenkbinnendruck mit Kapseldistension. Im Sulcus ulnaris liegt der N. ulnaris der Gelenkkapsel unmittelbar auf, kann jedoch aufgrund des straff fibrösen Sulcusdachs dem kapselseitigen Druck nicht nachgeben und erfährt somit bei RA fast regelhaft eine chronische, wenn auch manchmal subklinische Druckläsion.

Es besteht durchaus das Risiko, durch die intraoperative Manipulation des chronisch vorgeschädigten Nervs eine (temporäre) Verschlechterung der Nervenfunktion herbeizuführen. Das Perineurium ist im Sulcus durch den chronischen Druck häufig mit der ausgedünnten Gelenkkapsel regelrecht verwachsen und lässt sich makroskopisch nicht immer sicher von Kapsel und Synovialitis trennen. In diesen Fällen ist das Risiko der iatrogenen Nervenschädigung deutlich erhöht.

Eine präoperative Röntgenplanung mit Prothesenschablonen hilft durch ungefähre Bestimmung der avisierten Prothesengrößen, unliebsamen intraoperativen Überraschungen vorzubeugen. Insbesondere bei Patienten mit juveniler rheumatoider Arthritis sind die knöchern anatomischen Verhältnisse oft erheblich kleiner als durchschnittlich zu erwarten. In Kombination mit der regelhaft bestehenden Osteoporose bedingt dies die Notwendigkeit zu einer sehr sorgfältigen Auswahl der Implantat-Größen und eine äußert schonende OP-Technik, um Frakturen zu vermeiden.

Die Platzierung der Ulnakomponente mit korrekter Rekonstruktion des Drehzentrums kann bei ausgewalzt deformierter Trochlea, ausgeprägter oberflächlicher Sklerose, aber gleichzeitig fortgeschrittener Osteoporose eine Herausforderung darstellen (Abb. 1b, 1c). Die Orientierung an der Olecranonspitze sowie die Relation zum proximalen Radius kann für die korrekte Positionierung der Ulna auch bei fortgeschrittener Destruktion eine gute Hilfe sein. Bei Zementierung der Ulnakomponente ist darauf zu achten, nicht zu viel intraossären Druck aufzubauen, um Ulnafrakturen (regelhaft Osteoporose, ausgedünnte Kortikalis) zu vermeiden. Die Kollateralbänder müssen zumindest dorsal partiell und zumindest einseitig abgelöst werden, um durch Luxation des Unterarms gegenüber dem Humerus ausreichend Platz zur Eröffnung und Präparation des Humerusmarkraums zur Aufnahme der Humeruskomponente zu schaffen.

Wenn nur ein Seitenband abgelöst wird, empfehlen wir zur Schonung des N. ulnaris, das ulnare Kollateralband abzulösen und den Unterarm nach radialseits zu luxieren. Nach Prothesenimplantation sind die Seitenbänder stabil transossär zu refixieren. Eine Einheilung des Seitenbandapparats ist geboten, um das Prinzip des Sloppy-hinge nicht überzustrapazieren, da anderenfalls verfrühter PE-Verschleiß, Schäden des Kopplungsmechanismus sowie zu hohe Auslockerungskräfte auf die zementierte Stielverankerung einwirken würden.

Zur Behebung des Streckdefizits ist eine komplette anteriore Kapsulotomie mit ausgedehntem subperiostalem Release am anterioren proximalen Humerus sowie Abtragung des Processus coronoideus hilfreich. Ein residuales Streckdefizit verbleibt trotz dieser Maßnahmen relativ häufig. Der endoprothetische Ersatz des Radiusköpfchen bei Implantation einer Sloppy-hinge-Prothese bietet für den rheumatischen Ellenbogen keinen Mehrwert. Wir bevorzugen die regelhafte Radiusköpfchenresektion ohne Ersatz.

Postoperative
Nachbehandlung

Postoperativ hat es sich bewährt, eine sehr dicke Wattepolsterung des Ellenbogens („bulky dressing“) zur strikten Vermeidung punktuellen Drucks auf die fragilen Weichteile anzulegen, auch zum Zweck einer schonenden Immobilisierung. Eine weitere Gipsschiene ist so unserer Erfahrung nach oft gar nicht mehr erforderlich. Zur Reduktion der postoperativen Schwellung hat sich ein konsequentes Hochlagern des Ellenbogens für die ersten 48 Stunden post-OP bewährt.

Anschließend sollte die physiotherapeutische passive Mobilisierung des Ellenbogens zügig beginnen, um Bewegungsdefiziten vorzubeugen. Wir sehen hier keine Notwendigkeit zur vorgegebenen Limitation des Bewegungsausmaßes. Nach Abschluss der Wundheilung kann der Ellenbogen auch zunehmend aktiv mobilisiert werden, wobei nach Zugängen mit Ablösung und Refixation der Trizeps-Sehne die aktive Extension gegen Widerstand für mindestens 6 Wochen post-OP konsequent zu vermeiden ist. Wir empfehlen den Patienten, den Ellenbogen dauerhaft mit nicht mehr als 2–3 kg zu belasten.

Zusammenfassung

Der endoprothetische Ellenbogengelenkersatz stellt für das chronisch schmerzhafte, funktionseingeschränkte rheumatischen Ellenbogengelenk mit höhergradigem Destruktionsgrad eine zuverlässige und sicherer Operationsmethode mit guten Langfristresultaten dar. Die Leidensbereitschaft der Patienten hinsichtlich des rheumatischen Ellenbogens ist hoch: Häufig klagen Patienten erst dann über den Ellenbogen, wenn bereits ein erheblicher Destruktionsgrad eingetreten ist und die Funktion der gesamten Extremität empfindlich beeinträchtigt wird. Die Implantation von Ellenbogenprothesen verfolgt die Ziele der Schmerzreduktion und/oder Wiederherstellung der Ellenbogenfunktion. Durch Verwendung von Sloppy-hinge-Prothesen in der Gelenkrekonstruktion sind Überlebensraten von über 90 % nach 15–25 Jahren eine realistische Zielgröße geworden, unter der Voraussetzung, dass die Prothesen dauerhaft mechanisch nicht überbelastet werden. Die Neurolyse des Nervus ulnaris durch Ulnaris-Tunnel-Release mit oder ohne Transposition sollte als begleitender Eingriff der Prothetik regelhaft erfolgen.

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