Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Endoprothetische Versorgung der bilateralen Gonarthrose
Einzeitige vs. zweizeitige Versorgung – Was sagt die Literatur?

Markus Goldhofer, Lukas Eckhard

Zusammenfassung:

Die Anzahl der jährlich durchgeführten Totalendoprothesen am Kniegelenk steigt stetig an.
Einige Patienten leiden zum Zeitpunkt der Indikationsstellung bereits an beidseitiger Gonarthrose. Für sie stellt sich die Frage nach einzeitigem oder zweizeitigem Oberflächenersatz. Die Entscheidung wird durch viele unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Neben den vorhandenen Komorbiditäten des Patienten gehören hierzu die subjektive Beschwerdeausprägung, der Schweregrad der Gelenkdeformität sowie die funktionellen Einschränkungen. Eine simultane Versorgung beider Kniegelenke mit einer Knie-Totalendoprothese wird wegen der damit verbundenen erhöhten Kreislaufbelastung zugunsten der Patientensicherheit oft nicht in Erwägung gezogen. Mit dieser Übersichtsarbeit sollen anhand der aktuellen Literatur Vorteile, Risiken und Empfehlungen für den klinischen Alltag dargestellt werden.

Schlüsselwörter:

doppelseitige Knie-TEP, Gonarthrose, bilaterale Endoprothese am Kniegelenk

Zitierweise:

Goldhofer M, Eckhard L: Endoprothetische Versorgung der bilateralen Gonarthrose.
OUP 2019; 8: 168–174

DOI 10.3238/oup.2019.0168–0174

Summary: The number of total knee arthroplasties increases every year. At the time of indication, a number of patients presents with end-stage osteoarthritis of both knee joints. Both, simultaneous bilateral or staged bilateral knee arthroplasty are treatment options for these patients. Various factors such as pain, immobilization, severity of joint deformity with resulting functional impairment, reduced quality of life and comorbidities influence the decision. Simultaneous bilateral knee arthroplasty is often not considered due to an increased postoperative mortality rate. This review provides a statement about benefit and risks when performing bilateral knee arthroplasty based on the current literature.

Keywords: bilateral total knee arthroplasty, gonarthritis, knee arthroplasty

Citation: Goldhofer M, Eckhard L: Total knee arthroplasty in osteoarthritis of both knee joints.
OUP 2019; 8: 168–174 DOI 10.3238/oup.2019.0168–0174

Für alle Autoren: Zentrum für Unfallchirurgie und Orthopädie der Unimedizin Mainz der Johannes Gutenberg Universität Mainz

Einleitung

In Deutschland leiden die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer über 65 Jahre an Arthrose. Risikofaktoren für eine Arthrose des Kniegelenks sind u.a. Alter, Geschlecht und Übergewicht [1]. Ist die konservative Therapie ausgeschöpft, ist der künstliche Gelenkersatz eine effektive chirurgische Intervention mit sehr guter Schmerzreduktion und guten klinischen Ergebnissen.

Im Jahr 2017 wurden deutschlandweit insgesamt 168.489 Erstimplantationen einer Knie-Endoprothese (KTEP) dokumentiert [2]. Durch den demografischen Wandel der immer älter werdenden Bevölkerung wird diese Zahl weiter steigen. 10–22 % der KTEP-Patienten erhalten innerhalb von 12 Monaten und 37 % der KTEP-Patienten innerhalb der nächsten 10 Jahre auf der kontralateralen Seite ebenfalls eine KTEP [3–5].

Ist der endoprothetische Ersatz an beiden Kniegelenken indiziert, stellt sich für Operateur und Patient die Frage nach einer simultanen oder zweizeitigen Versorgung. Während Befürworter der einzeitigen bilateralen Versorgung u.a. auf die nur einmal notwendige Rehabilitationsphase hinweisen, führen Gegner die potenzielle Gefährdung der Patientensicherheit an.

Diese Übersichtsarbeit soll basierend auf einer selektiven Literaturrecherche die Vor- und Nachteile einer simultanen bilateralen KTEP (sbKTEP) gegenüber einer zweizeitigen bilateralen KTEP (zbKTEP) darlegen und so Operateuren als evidenzbasierte Grundlage zur Beratung ihrer Patienten dienen.

Klinisches Beispiel

Ein 82 Jahre alter Mann stellt sich mit einer beidseitigen endgradigen Gonarthrose sowie subjektiver Instabilität bei valgischer Beinachse von > 15° vor (Abb. 1 und 2). Aufgrund der daraus resultierenden Immobilität und fehlender Risikofaktoren wurde ein einzeitiger bilateraler Oberflächenersatz durchgeführt. Bei komplikationslosem Verlauf konnte der Patient nach 7 Tagen in die stationäre Reha entlassen werden.

Der Patient weist ein Jahr postoperativ ein gutes funktionelles Outcome auf und würde sich wieder einer beidseitigen Operation unterziehen (Abb. 1–2).

Patientensicherheit

Die perioperative Mortalitätsrate hat sich innerhalb der letzten 20 Jahre deutlich verringert [6] und ist bei elektiven unilateralen KTEP (UKTEP) mit 0,16–0,46 % sehr gering [7, 8]. Um hier einen signifikanten Unterschied zu beobachten, ist ein prospektiv-randomisiertes Studiendesign mit einem sehr großen Patientenkollektiv notwendig. Die Randomisierung lässt ein Risikoscreening der Patienten nicht zu, sodass allein aus ethischen Gründen solch eine Studie nicht umzusetzen ist.

Aufgrund der Vorteile der einzeitigen KTEP Versorgung (einmalige postoperative stationäre Behandlung, einmalige Rehabilitation, frühere Genesung und Arbeitsfähigkeit sowie reduzierte Kosten) wird diese dennoch mit steigender Tendenz bei einem geeigneten Patientenkollektiv mit akzeptabler Komplikationsrate durchgeführt [9, 10].

Die perioperative Morbidität wird in Major- und Minor-Komplikationen unterteilt [11].

Major-Komplikationen:

postoperative Mortalität

kardiovaskuläre Komplikationen

pulmonale Komplikationen

neurologische Komplikationen (Delir)

Revision

Minor-Komplikationen:

Bluttransfusion

Harnwegsinfekt

Wundheilungsstörung

Unter der heterogenen Datenlage gibt es einige große retrospektive Studien, die Patientendaten aus Gesundheitsdatenbanken analysierten, einige Meta-Analysen und eine große, prospektive vergleichende Studie [12]. Aufgrund der Heterogenität der Studien und dem Studiendesign ist das Evidenzlevel der meisten Studien nicht sehr hoch.

Postoperative Mortalität

Die Mortalitätsrate bei elektiver KTEP hat sich über die letzten 20 Jahre aufgrund verbesserter Anästhesie- und perioperativer Behandlungskonzepte von ca. 2 % auf 0,3–0,7 % verringert [13]. Dennoch spielt sie in der Entscheidungsfindung zur sbKTEP eine wesentliche Rolle.

In der letzten Dekade gab es einige große Studien, die die Rate der postoperativen Mortalität und Morbidität bei Patienten mit sbKTEP und zbKTEP analysierten. In einer 2018 publizierten prospektiven, vergleichenden Studie unterzogen sich 2400 Patienten entweder einer sbKTEP- oder einer zbKTEP-Versorgung. Die Autoren beobachteten 90 Tage postoperativ bei Patienten nach sbKTEP mit 0,58 % eine höhere Mortalitätsrate als bei denen nach zbKTEP mit 0,42 % [12]. Ähnliche Ergebnisse wurden in einer retrospektiven Analyse der Gesundheitsdatenbank „National Hospital Discharge Survey Database“ in den USA berichtet, in der eine signifikant höhere Mortalitätsrate unter Patienten mit sbKTEP (0,5 %) gegenüber unilateraler KTEP-Patienten (0,3 %) festgestellt wurde. Ergebnisse zweier Meta-Analysen von Hussain et al. und Fu et al. bestätigen ebenfalls ein signifikant höheres Mortalitätsrisiko bei Patienten nach simultaner Operation [14, 15].

Kardiovaskuläre
Komplikationen

In der oben genannten prospektiven Studie beobachteten Kulshrestha et al. eine signifikant höhere kardiovaskuläre Komplikationsrate von 1,08 % der sbKTEP-Patienten gegenüber 0,17 % derer mit zbKTEP [12]. Der Einschluss der Patienten in die jeweilige Versorgungsgruppe wurde unter Berücksichtigung der vorbestehenden Erkrankungen durchgeführt. Patienten mit Komorbiditäten wurden einem zweizeitigen Vorgehen zugeordnet, somit war der Anteil der vorerkrankten Patienten in der Gruppe der zbKTEP signifikant höher gegenüber der sbKTEP-Gruppe. Zu gleichen Ergebnissen kamen Memtsoudis et al. Sie berichteten über eine signifikant höhere kardiovaskuläre Komplikationsrate bei simultaner (1,67 %) gegenüber zweizeitiger (0,94 %) Operation. Weitere Studien berichteten über ähnliche Ergebnisse [16, 17]. Im Gegensatz hierzu berichteten Hussain et al. anhand der Auswertung von insgesamt 42.947 sbKTEP- und 65.265 zbKTEP-Patienten über vergleichbare kardiovaskuläre Komplikationsraten in beiden Versorgungsgruppen. Ähnliche Ergebnisse präsentierten Fu et al. in einem systemischen Review [15]. Beide Autoren betonten allerdings die Limitierung ihrer Ergebnisse aufgrund eines niedrigen Evidenzlevels der analysierten Studien.

Neurologische Komplikationen und Delir

Kulshrestha et al. beschreiben ein signifikant erhöhtes Risiko für das Auftreten neurologischer Komplikationen (hauptsächlich Delir) bei Patienten mit sbKTEP im Vergleich zu zweizeitiger Vorgehensweise (1,58 vs. 0,17 ; p = 0,0024) [12]. Memtsoudis et al. und Hu et al. kamen zu gleichen Erkenntnissen [18, 19]. Im Unterschied zu den vorherigen Autoren beobachteten Fu et al. eine vergleichbare Prävalenz postoperativer neurologischer Komplikationen zwischen sbKTEP-Patienten und Patienten mit UKTEP.

Pulmonale Komplikationen

Die aktuelle Literatur ist bezüglich dieser Komplikationen heterogen. Fu et al. berichteten in ihrer Meta-Analyse über eine signifikant erhöhte pulmonale Komplikationsrate bei Patienten mit sbKTEP (1,04 %) gegenüber zbKTEP (0,27 %) [15]. Zu gleichen Erkenntnissen kamen Ekinci et al. und Dimitri et al. in retrospektiven Studien mit allerdings kleineren Patientenkollektiven.

Im Unterschied hierzu berichteten Kulshrestha et al. über eine vergleichbare pulmonale Komplikationsrate zwischen den beiden Gruppen [12]. Zu gleichen Erkenntnissen kamen auch Memtsoudis et al. und Hussain et al. [14, 19, 20]. Als mögliche Gründe für vergleichbare Ergebnisse werden u.a. Patientenselektion und Optimierung der perioperativen Patientenbehandlung aufgeführt [12].

Revisionen bei Periimplantatinfektion oder mechanischer Komplikation

Fu et al. berichteten in einer Meta-Analyse über eine signifikant geringere Rate der Gesamtrevisionen und der Periimplantatinfektion bei sbKTEP gegenüber zbKTEP [15]. Im Gegensatz hierzu beobachtete Kulshrestha et al. eine höhere Revisionsrate bei simultaner KTEP gegenüber unilateraler KTEP [12].

Minor-Komplikationen

Einige Autoren berichteten über signifikant erhöhte Transfusionsraten bei sbKTEP verglichen mit UKTEP (30–65 % vs. 10–20 %) [15, 20–22]. Ähnliches beobachteten Kulshrestha et al., allerdings mit deutlich geringeren Transfusionsraten (2,6 % in der sbKTEP und 1 % in der unilateralen Gruppe). Fu et al. beobachteten keine signifikanten Unterschiede bzgl. tiefer Beinvenenthrombosen und oberflächlichen Wundheilungsstörungen.

Patientenselektion

Indikation

Die Angaben, wann Autoren eine sbKTEP durchführten, sind in der vorhandenen Literatur oft ungenügend aufgeführt. Dies betrifft sowohl die Indikation zum Eingriff aus orthopädischer Sicht als auch mögliche internistische Kontraindikationen. Allgemein gehaltene Ausdrücke wie „Präferenz des Patienten/Chirurgen“ oder „Einschätzung des beurteilenden Internisten“ sind hierbei weder hilfreich für den klinischen Anwender noch wissenschaftlich präzise [23, 24].

Schwere beidseitige Flexions- oder Achsfehlstellungen, die zu einer funktionellen Verkürzung beider Beine führen (Abb. 1), werden in einem Konsensus-Statement als Indikationen für eine einzeitige bilaterale Versorgung genannt [6]. Lee et al. [25] argumentieren, dass Patienten mit einer schweren beidseitigen Fehlstellung nach UKTEP-Implantation durch eine kompensatorische Flexionshaltung des operierten Kniegelenks zum Ausgleich der Beinlänge Gefahr laufen, eine Flexionskontraktur zu entwickeln. Daher solle die Deformität möglichst kurzfristig beidseits begradigt werden [25]. In einer Studie, die diesen Zusammenhang an solch einem Patientenkollektiv untersuchte, zeigten einzeitig bilateral operierte Patienten verglichen mit zweizeitig Operierten 2 Jahre postoperativ signifikant geringere residuelle Flexionskontrakturen, jedoch hinsichtlich ihres Outcomes im Knee Society Score (KKS), Oxford Knee Score (OKS) und Short-Form 36 (SF-36) keinen klinisch relevanten Unterschied [25]). Die Autoren sehen daher in der beidseitigen fixierten Flexionskontraktur keine absolute Indikation zur einzeitigen operativen Versorgung.

Am eigenen Patientengut hat sich gezeigt, dass Patienten mit schwerer Deformität insbesondere in Kombination mit funktioneller Gelenkinstabilität oder stärksten Schmerzen, die ein Gehen unmöglich machen, von einer bilateralen Versorgung profitieren. Dies findet sich auch in bereits o.g. Konsensus-Statement wieder [6].

Risikoscreening/
Patientenvorbereitung

Das 2013 veröffentlichte Konsensus-Statement der „Consensus Conference on Bilateral Total Knee Arthroplasty Group”(26) gibt detaillierte Empfehlungen für das präoperative Risikoscreening potenzieller Patienten für eine sbKTEP (Tab. 1). Insbesondere das Vorhandensein kardiorespiratorischer Vorerkrankungen sollte sorgfältig abgeklärt werden. Die Durchführung einer Echokardiografie und die Anfertigung von Thorax-Röntgenaufnahmen werden generell empfohlen. Für Patienten mit vorbestehender Lungenerkrankung oder einem entsprechenden Verdacht werden zudem eine Ergospirometrie und die Bestimmung der Diffusionskapazität angeraten.

Während das Konsensus-Statement keine Grenzwerte für die aufgeführten Laboruntersuchungen nennt, empfehlen Kulshrestha et al. einen HbA1c < 8,0 %, ein Serum-Albumin > 3,5 g/dl und eine Lymphozytenanzahl > 1500/mm3 [12]. In der eigenen Klinik wird zudem im Rahmen des Patient-blood-Managements ein Hb > 12 g/dl für Männer und > 11 g/dl für Frauen angestrebt.

Ausschlusskriterien

In der Literatur herrscht Einigkeit darüber, dass im Zweifel bei entsprechendem internistischem Risikoprofil die Patientensicherheit Vorrang gegenüber einer etwaigen orthopädischen Indikation zur einzeitigen doppelseitigen Versorgung hat [6]. Die Konsensusgruppe empfiehlt, Patienten mit einem Revised-cardiac-risk-Index (nach Lee et al. [27]) von 3 oder höher von einer sbKTEP-Implantation auszuschließen [6]. Der Score bewertet das Risiko kardialer Komplikationen nach nicht herzchirurgischen Major-Operationen anhand vorbestehender ischämischer Herzerkrankung, kongestiver Herzinsuffizienz, zerebrovaskulärer Erkrankungen, Niereninsuffizienz und Insulin-abhängigem Diabetes mellitus. Während das kombinierte Vorliegen der genannten Komorbiditäten sicher ein nicht akzeptables Risiko darstellt, ist aus der Sicht der meisten Experten sogar eine konservativere Patientenauswahl ratsam. Im Hospital for Special Surgery in New York, USA, wurden wurden die in Tabelle 2 genannten Ausschlusskriterien erarbeitet und im Rahmen des Konsensus-Meetings ergänzt [6, 28]. Poultsides et al. nennen als weiteres Ausschlusskriterium zudem stattgehabte venöse Thrombembolien [29].

Ob das Alter allein ein Ausschlusskriterium darstellen sollte, wird kritisch diskutiert. Im Rahmen des Konsensus-Meetings zählten nur 52 % der Beteiligten „ein Alter über 75 Jahre“ zu den Ausschlusskriterien. In der eigenen Klinik sehen wir das Alter allein nicht als Ausschlusskriterium.

Funktionelles Outcome und PROMs

Während sich eine Vielzahl von Studien mit dem klinischen Outcome und den perioperativ auftretenden Komplikationen nach sbKTEP befassen, existieren nur wenige Studien, die das funktionelle Outcome untersuchten. In einer prospektiven Beobachtungsstudie mit 140 einzeitig bilateral versorgten Patienten mit rheumatoider Arthritis verzeichneten Radmer et al. eine Verbesserung des mittleren Lysholm-Scores von präoperativ zu 12 Monaten postoperativ von 26 auf 76 Punkte [30]. Das Vorhandensein von Beugekontrakturen konnte in diesem Kollektiv von präoperativ 75 % auf 6 % 18 Monate postoperativ gesenkt werden. Worland et al. beobachteten in einem Vergleich von 213 bilateralen mit 107 UKTEP-Patienten keinen signifikanten Unterschied im Hospital for Special Surgery Knee Scoring System 2 Jahre postoperativ [31]. In einer retrospektiven Analyse von 438 Patienten nach sbKTEP und 741 nach UKTEP stellten Hutchinson et al. ein Jahr postoperativ ein signifikant besseres Abschneiden der beidseits operierten Patienten im KSS fest (32). Eine weitere Studie berichtete über signifikant bessere Ergebnisse im WOMAC-Schmerz-, -Steifheits- und -Funktions-Score in der Gruppe einzeitig bilateral operierter, verglichen mit unilateral operierten Patienten 12 Monate postoperativ [33].

Lee et al. fanden beim Vergleich simultan bzw. innerhalb eines Jahres mittels sbKTEP versorgter Patienten mit zuvor beidseits bestehender fixierter Flexionsdeformität von mehr als 15° keinen Unterschied im funktionellen Outcome [25], gemessen anhand des KSS, OKS und SF-36 [7]. Nach unserem Kenntnisstand existiert derzeit keine vergleichende Studie zum Verlauf des funktionellen Outcomes in der Rehabilitationsphase von Patienten mit sbKTEP und zbKTEP, bei denen initial die Indikation zur beidseitigen Versorgung mittels Knie-TEP bestand. Eine definitive Aussage über eine etwaige Limitierung der Rehabilitation von unilateral operierten Patienten mit arthrotischer Deformität des kontralateralen Knies ist somit nicht möglich.

Intervall bei zweizeitiger Knie-TEP

Ist eine zweizeitige Versorgung indiziert, stellt sich für betroffene Patienten die Frage nach dem optimalen zeitlichen Abstand beider Operationen.

Sliva et al. berichteten, dass die Transfusionshäufigkeit nach einzeitig und im Intervall von 4–7 Tagen zweizeitig durchgeführter doppelseitiger KTEP vergleichbar hoch war [15]. Dahingegen beobachteten sie die geringste Rate an Komplikationen in der Gruppe der in kurzer Aufeinanderfolge operierten Patienten verglichen mit einzeitig oder im Abstand von einem Jahr operierten Patienten, weshalb sie dieses Vorgehen als sichere und praktikable Methode beschreiben.

Im Gegensatz hierzu zeigten Courtney et al. keinen Unterschied hinsichtlich der Komplikationsrate innerhalb eines Jahres postoperativ in der Gruppe von in einwöchigem Abstand durchgeführter doppelseitiger KTEP, verglichen mit der Rate in den Gruppen unilateral oder einzeitig bilateral durchgeführter KTEP [23]. Auch Forster et al. beobachteten keine signifikant unterschiedlichen Komplikationen beim Vergleich von einzeitig, im Intervall von einer Woche und im Intervall mehrerer Monate implantierter doppelseitiger KTEPs [34]. In Anbetracht des generell seltenen Auftretens der untersuchten Major-Komplikationen wie tiefer Beinvenenthrombose, Myokardinfarkt oder cerebrovaskulären Ereignissen ist die Aussagekraft dieser Studien aufgrund geringer Patientenzahlen und der damit verbundenen ungenügenden statistischen Power jedoch limitiert. In einer Serie von Poultsides et al. zeigten die innerhalb eines Aufenthalts beidseits operierten Patienten ein doppelt so hohes Risiko für eine Major-Komplikation wie innerhalb eines Jahres operierte Patienten. Das Risiko für eine Minor-Komplikation war sogar 3-mal so hoch, weshalb die Autoren von einer doppelseitigen Implantation innerhalb eines stationären Aufenthalts abraten [29]. In einer großen retrospektiven Studie untersuchten Liu et al. die Komplikationsraten simultaner, um 1–3 Tage und um 4–7 Tage auseinander liegender doppelseitiger KTEP-Implantationen anhand einer Kohorte von 41.664 Patienten aus nationalen Gesundheitsdaten in den USA. Ein etappenweises Durchführen der beidseitigen Knie-TEP-Implantation im Intervall von 4–7 Tagen zeigte hierbei keinen Vorteil hinsichtlich Mortalität und Morbidität gegenüber simultaner beidseitiger Implantation. Ein Intervall von 1–3 Tagen zeigte sogar eine höhere Wahrscheinlichkeit von Major-Komplikationen, weshalb die Autoren dieser Studie ebenfalls von einer etappenweisen beidseitigen Implantation innerhalb desselben stationären Aufenthalts abraten [35].

Für die Versorgung im Rahmen zweier getrennter stationärer Aufenthalte existieren bislang keine klaren Empfehlungen hinsichtlich des optimalen Zeitpunkts der zweiten Operation. Yeh et al. konnten in ihrer Studie keinen Unterschied in der Häufigkeit von Komplikationen und stationärer Wiederaufnahme innerhalb von 90 Tagen beim Vergleich von zweizeitiger Implantation einer bilateralen KTEP im Intervall von 31– 90, 91– 180, 181– 270 oder 271– 365 Tagen feststellen (36). Auch Chen et al. beobachteten in einer ähnlichen Studie keinen Unterschied hinsichtlich der Komplikationsrate [37]. Beiden Studien gemein ist jedoch die nicht ausreichende Power zum Nachweis einer unterschiedlichen Komplikationsrate.

Schlussfolgerung

Der simultane bilaterale Oberflächenersatz des Kniegelenks wird in der Literatur nach wie vor kontrovers diskutiert. Es fällt auf, dass die Befürworter der einzeitig beidseitigen Versorgung typischerweise aus „high volume“-Endoprothesenzentren stammen. Die Vermutung liegt nahe, dass unter Anwendung von Fast-track-Prinzipien, einer akribischen Vorbereitung der Patienten und in einem ausgewählten Patientengut ihrer Erfahrung nach die Patientensicherheit bei sbKTEP adäquat erfüllt ist.

Mit dem von Memtsoudis et al. veröffentlichten Konsensus-Statement steht dem Anwender eine evidenzbasierte Handlungsempfehlung zur Verfügung. Aufgrund der vielzähligen Hinweise für erhöhte Komplikationsraten bei sbKTEP, ist diese eher zurückhaltende Patientenselektion aus unserer Sicht gerechtfertigt.

Allerdings gibt es auch Evidenz für ein vergleichbar gutes funktionelles Outcome von Patienten mit simultaner Versorgung im Vergleich zu zweizeitig operierten Patienten, sodass für Patienten mit einer erheblichen beidseitigen Pathologie (funktioneller Immobilität aufgrund von Schmerzen beidseits, ausgeprägter bilateraler Achsabweichung mit Instabilität oder bilateralen Gelenkkontrakturen mit resultierender Beinlängendifferenz) eine einzeitige Versorgung in Betracht gezogen werden sollte.

Eine zweizeitige bilaterale Versorgung im Intervall kürzer als 30 Tage ist aufgrund des erhöhten Komplikationsrisikos ohne funktionellen Zugewinn nicht zu empfehlen.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

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Korrespondenzadressen

Dr. med. Markus Goldhofer

Zentrum für Orthopädie und
Unfallchirurgie der

Universitätsmedizin Mainz
der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz

Langenbeckstraße 1

55130 Mainz

Markus.goldhofer@unimedizin-mainz.de

Dr. med. Lukas Eckhard

Zentrum für für Orthopädie und
Unfallchirurgie der
Universitätsmedizin Mainz
der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz

Langenbeckstraße 1

55130 Mainz

Lukas.Eckhard@unimedizin-mainz.de

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