Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Endoprothetische Versorgung der bilateralen Gonarthrose
Einzeitige vs. zweizeitige Versorgung – Was sagt die Literatur?

In der Literatur herrscht Einigkeit darüber, dass im Zweifel bei entsprechendem internistischem Risikoprofil die Patientensicherheit Vorrang gegenüber einer etwaigen orthopädischen Indikation zur einzeitigen doppelseitigen Versorgung hat [6]. Die Konsensusgruppe empfiehlt, Patienten mit einem Revised-cardiac-risk-Index (nach Lee et al. [27]) von 3 oder höher von einer sbKTEP-Implantation auszuschließen [6]. Der Score bewertet das Risiko kardialer Komplikationen nach nicht herzchirurgischen Major-Operationen anhand vorbestehender ischämischer Herzerkrankung, kongestiver Herzinsuffizienz, zerebrovaskulärer Erkrankungen, Niereninsuffizienz und Insulin-abhängigem Diabetes mellitus. Während das kombinierte Vorliegen der genannten Komorbiditäten sicher ein nicht akzeptables Risiko darstellt, ist aus der Sicht der meisten Experten sogar eine konservativere Patientenauswahl ratsam. Im Hospital for Special Surgery in New York, USA, wurden wurden die in Tabelle 2 genannten Ausschlusskriterien erarbeitet und im Rahmen des Konsensus-Meetings ergänzt [6, 28]. Poultsides et al. nennen als weiteres Ausschlusskriterium zudem stattgehabte venöse Thrombembolien [29].

Ob das Alter allein ein Ausschlusskriterium darstellen sollte, wird kritisch diskutiert. Im Rahmen des Konsensus-Meetings zählten nur 52 % der Beteiligten „ein Alter über 75 Jahre“ zu den Ausschlusskriterien. In der eigenen Klinik sehen wir das Alter allein nicht als Ausschlusskriterium.

Funktionelles Outcome und PROMs

Während sich eine Vielzahl von Studien mit dem klinischen Outcome und den perioperativ auftretenden Komplikationen nach sbKTEP befassen, existieren nur wenige Studien, die das funktionelle Outcome untersuchten. In einer prospektiven Beobachtungsstudie mit 140 einzeitig bilateral versorgten Patienten mit rheumatoider Arthritis verzeichneten Radmer et al. eine Verbesserung des mittleren Lysholm-Scores von präoperativ zu 12 Monaten postoperativ von 26 auf 76 Punkte [30]. Das Vorhandensein von Beugekontrakturen konnte in diesem Kollektiv von präoperativ 75 % auf 6 % 18 Monate postoperativ gesenkt werden. Worland et al. beobachteten in einem Vergleich von 213 bilateralen mit 107 UKTEP-Patienten keinen signifikanten Unterschied im Hospital for Special Surgery Knee Scoring System 2 Jahre postoperativ [31]. In einer retrospektiven Analyse von 438 Patienten nach sbKTEP und 741 nach UKTEP stellten Hutchinson et al. ein Jahr postoperativ ein signifikant besseres Abschneiden der beidseits operierten Patienten im KSS fest (32). Eine weitere Studie berichtete über signifikant bessere Ergebnisse im WOMAC-Schmerz-, -Steifheits- und -Funktions-Score in der Gruppe einzeitig bilateral operierter, verglichen mit unilateral operierten Patienten 12 Monate postoperativ [33].

Lee et al. fanden beim Vergleich simultan bzw. innerhalb eines Jahres mittels sbKTEP versorgter Patienten mit zuvor beidseits bestehender fixierter Flexionsdeformität von mehr als 15° keinen Unterschied im funktionellen Outcome [25], gemessen anhand des KSS, OKS und SF-36 [7]. Nach unserem Kenntnisstand existiert derzeit keine vergleichende Studie zum Verlauf des funktionellen Outcomes in der Rehabilitationsphase von Patienten mit sbKTEP und zbKTEP, bei denen initial die Indikation zur beidseitigen Versorgung mittels Knie-TEP bestand. Eine definitive Aussage über eine etwaige Limitierung der Rehabilitation von unilateral operierten Patienten mit arthrotischer Deformität des kontralateralen Knies ist somit nicht möglich.

Intervall bei zweizeitiger Knie-TEP

Ist eine zweizeitige Versorgung indiziert, stellt sich für betroffene Patienten die Frage nach dem optimalen zeitlichen Abstand beider Operationen.

Sliva et al. berichteten, dass die Transfusionshäufigkeit nach einzeitig und im Intervall von 4–7 Tagen zweizeitig durchgeführter doppelseitiger KTEP vergleichbar hoch war [15]. Dahingegen beobachteten sie die geringste Rate an Komplikationen in der Gruppe der in kurzer Aufeinanderfolge operierten Patienten verglichen mit einzeitig oder im Abstand von einem Jahr operierten Patienten, weshalb sie dieses Vorgehen als sichere und praktikable Methode beschreiben.

Im Gegensatz hierzu zeigten Courtney et al. keinen Unterschied hinsichtlich der Komplikationsrate innerhalb eines Jahres postoperativ in der Gruppe von in einwöchigem Abstand durchgeführter doppelseitiger KTEP, verglichen mit der Rate in den Gruppen unilateral oder einzeitig bilateral durchgeführter KTEP [23]. Auch Forster et al. beobachteten keine signifikant unterschiedlichen Komplikationen beim Vergleich von einzeitig, im Intervall von einer Woche und im Intervall mehrerer Monate implantierter doppelseitiger KTEPs [34]. In Anbetracht des generell seltenen Auftretens der untersuchten Major-Komplikationen wie tiefer Beinvenenthrombose, Myokardinfarkt oder cerebrovaskulären Ereignissen ist die Aussagekraft dieser Studien aufgrund geringer Patientenzahlen und der damit verbundenen ungenügenden statistischen Power jedoch limitiert. In einer Serie von Poultsides et al. zeigten die innerhalb eines Aufenthalts beidseits operierten Patienten ein doppelt so hohes Risiko für eine Major-Komplikation wie innerhalb eines Jahres operierte Patienten. Das Risiko für eine Minor-Komplikation war sogar 3-mal so hoch, weshalb die Autoren von einer doppelseitigen Implantation innerhalb eines stationären Aufenthalts abraten [29]. In einer großen retrospektiven Studie untersuchten Liu et al. die Komplikationsraten simultaner, um 1–3 Tage und um 4–7 Tage auseinander liegender doppelseitiger KTEP-Implantationen anhand einer Kohorte von 41.664 Patienten aus nationalen Gesundheitsdaten in den USA. Ein etappenweises Durchführen der beidseitigen Knie-TEP-Implantation im Intervall von 4–7 Tagen zeigte hierbei keinen Vorteil hinsichtlich Mortalität und Morbidität gegenüber simultaner beidseitiger Implantation. Ein Intervall von 1–3 Tagen zeigte sogar eine höhere Wahrscheinlichkeit von Major-Komplikationen, weshalb die Autoren dieser Studie ebenfalls von einer etappenweisen beidseitigen Implantation innerhalb desselben stationären Aufenthalts abraten [35].

Für die Versorgung im Rahmen zweier getrennter stationärer Aufenthalte existieren bislang keine klaren Empfehlungen hinsichtlich des optimalen Zeitpunkts der zweiten Operation. Yeh et al. konnten in ihrer Studie keinen Unterschied in der Häufigkeit von Komplikationen und stationärer Wiederaufnahme innerhalb von 90 Tagen beim Vergleich von zweizeitiger Implantation einer bilateralen KTEP im Intervall von 31– 90, 91– 180, 181– 270 oder 271– 365 Tagen feststellen (36). Auch Chen et al. beobachteten in einer ähnlichen Studie keinen Unterschied hinsichtlich der Komplikationsrate [37]. Beiden Studien gemein ist jedoch die nicht ausreichende Power zum Nachweis einer unterschiedlichen Komplikationsrate.

Schlussfolgerung

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