Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Endoprothetische Versorgung der bilateralen Gonarthrose
Einzeitige vs. zweizeitige Versorgung – Was sagt die Literatur?

In der oben genannten prospektiven Studie beobachteten Kulshrestha et al. eine signifikant höhere kardiovaskuläre Komplikationsrate von 1,08 % der sbKTEP-Patienten gegenüber 0,17 % derer mit zbKTEP [12]. Der Einschluss der Patienten in die jeweilige Versorgungsgruppe wurde unter Berücksichtigung der vorbestehenden Erkrankungen durchgeführt. Patienten mit Komorbiditäten wurden einem zweizeitigen Vorgehen zugeordnet, somit war der Anteil der vorerkrankten Patienten in der Gruppe der zbKTEP signifikant höher gegenüber der sbKTEP-Gruppe. Zu gleichen Ergebnissen kamen Memtsoudis et al. Sie berichteten über eine signifikant höhere kardiovaskuläre Komplikationsrate bei simultaner (1,67 %) gegenüber zweizeitiger (0,94 %) Operation. Weitere Studien berichteten über ähnliche Ergebnisse [16, 17]. Im Gegensatz hierzu berichteten Hussain et al. anhand der Auswertung von insgesamt 42.947 sbKTEP- und 65.265 zbKTEP-Patienten über vergleichbare kardiovaskuläre Komplikationsraten in beiden Versorgungsgruppen. Ähnliche Ergebnisse präsentierten Fu et al. in einem systemischen Review [15]. Beide Autoren betonten allerdings die Limitierung ihrer Ergebnisse aufgrund eines niedrigen Evidenzlevels der analysierten Studien.

Neurologische Komplikationen und Delir

Kulshrestha et al. beschreiben ein signifikant erhöhtes Risiko für das Auftreten neurologischer Komplikationen (hauptsächlich Delir) bei Patienten mit sbKTEP im Vergleich zu zweizeitiger Vorgehensweise (1,58 vs. 0,17 ; p = 0,0024) [12]. Memtsoudis et al. und Hu et al. kamen zu gleichen Erkenntnissen [18, 19]. Im Unterschied zu den vorherigen Autoren beobachteten Fu et al. eine vergleichbare Prävalenz postoperativer neurologischer Komplikationen zwischen sbKTEP-Patienten und Patienten mit UKTEP.

Pulmonale Komplikationen

Die aktuelle Literatur ist bezüglich dieser Komplikationen heterogen. Fu et al. berichteten in ihrer Meta-Analyse über eine signifikant erhöhte pulmonale Komplikationsrate bei Patienten mit sbKTEP (1,04 %) gegenüber zbKTEP (0,27 %) [15]. Zu gleichen Erkenntnissen kamen Ekinci et al. und Dimitri et al. in retrospektiven Studien mit allerdings kleineren Patientenkollektiven.

Im Unterschied hierzu berichteten Kulshrestha et al. über eine vergleichbare pulmonale Komplikationsrate zwischen den beiden Gruppen [12]. Zu gleichen Erkenntnissen kamen auch Memtsoudis et al. und Hussain et al. [14, 19, 20]. Als mögliche Gründe für vergleichbare Ergebnisse werden u.a. Patientenselektion und Optimierung der perioperativen Patientenbehandlung aufgeführt [12].

Revisionen bei Periimplantatinfektion oder mechanischer Komplikation

Fu et al. berichteten in einer Meta-Analyse über eine signifikant geringere Rate der Gesamtrevisionen und der Periimplantatinfektion bei sbKTEP gegenüber zbKTEP [15]. Im Gegensatz hierzu beobachtete Kulshrestha et al. eine höhere Revisionsrate bei simultaner KTEP gegenüber unilateraler KTEP [12].

Minor-Komplikationen

Einige Autoren berichteten über signifikant erhöhte Transfusionsraten bei sbKTEP verglichen mit UKTEP (30–65 % vs. 10–20 %) [15, 20–22]. Ähnliches beobachteten Kulshrestha et al., allerdings mit deutlich geringeren Transfusionsraten (2,6 % in der sbKTEP und 1 % in der unilateralen Gruppe). Fu et al. beobachteten keine signifikanten Unterschiede bzgl. tiefer Beinvenenthrombosen und oberflächlichen Wundheilungsstörungen.

Patientenselektion

Indikation

Die Angaben, wann Autoren eine sbKTEP durchführten, sind in der vorhandenen Literatur oft ungenügend aufgeführt. Dies betrifft sowohl die Indikation zum Eingriff aus orthopädischer Sicht als auch mögliche internistische Kontraindikationen. Allgemein gehaltene Ausdrücke wie „Präferenz des Patienten/Chirurgen“ oder „Einschätzung des beurteilenden Internisten“ sind hierbei weder hilfreich für den klinischen Anwender noch wissenschaftlich präzise [23, 24].

Schwere beidseitige Flexions- oder Achsfehlstellungen, die zu einer funktionellen Verkürzung beider Beine führen (Abb. 1), werden in einem Konsensus-Statement als Indikationen für eine einzeitige bilaterale Versorgung genannt [6]. Lee et al. [25] argumentieren, dass Patienten mit einer schweren beidseitigen Fehlstellung nach UKTEP-Implantation durch eine kompensatorische Flexionshaltung des operierten Kniegelenks zum Ausgleich der Beinlänge Gefahr laufen, eine Flexionskontraktur zu entwickeln. Daher solle die Deformität möglichst kurzfristig beidseits begradigt werden [25]. In einer Studie, die diesen Zusammenhang an solch einem Patientenkollektiv untersuchte, zeigten einzeitig bilateral operierte Patienten verglichen mit zweizeitig Operierten 2 Jahre postoperativ signifikant geringere residuelle Flexionskontrakturen, jedoch hinsichtlich ihres Outcomes im Knee Society Score (KKS), Oxford Knee Score (OKS) und Short-Form 36 (SF-36) keinen klinisch relevanten Unterschied [25]). Die Autoren sehen daher in der beidseitigen fixierten Flexionskontraktur keine absolute Indikation zur einzeitigen operativen Versorgung.

Am eigenen Patientengut hat sich gezeigt, dass Patienten mit schwerer Deformität insbesondere in Kombination mit funktioneller Gelenkinstabilität oder stärksten Schmerzen, die ein Gehen unmöglich machen, von einer bilateralen Versorgung profitieren. Dies findet sich auch in bereits o.g. Konsensus-Statement wieder [6].

Risikoscreening/
Patientenvorbereitung

Das 2013 veröffentlichte Konsensus-Statement der „Consensus Conference on Bilateral Total Knee Arthroplasty Group”(26) gibt detaillierte Empfehlungen für das präoperative Risikoscreening potenzieller Patienten für eine sbKTEP (Tab. 1). Insbesondere das Vorhandensein kardiorespiratorischer Vorerkrankungen sollte sorgfältig abgeklärt werden. Die Durchführung einer Echokardiografie und die Anfertigung von Thorax-Röntgenaufnahmen werden generell empfohlen. Für Patienten mit vorbestehender Lungenerkrankung oder einem entsprechenden Verdacht werden zudem eine Ergospirometrie und die Bestimmung der Diffusionskapazität angeraten.

Während das Konsensus-Statement keine Grenzwerte für die aufgeführten Laboruntersuchungen nennt, empfehlen Kulshrestha et al. einen HbA1c < 8,0 %, ein Serum-Albumin > 3,5 g/dl und eine Lymphozytenanzahl > 1500/mm3 [12]. In der eigenen Klinik wird zudem im Rahmen des Patient-blood-Managements ein Hb > 12 g/dl für Männer und > 11 g/dl für Frauen angestrebt.

Ausschlusskriterien

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