Originalarbeiten - OUP 06/2012

Entwicklung der Beinachsgeometrie nach
kniegelenknaher Umstellungsosteotomie
Medium-term changes of the leg axis following high tibial
and distal femur osteotomies

M. Kraus1, 2, F. Fliedner3, P. Richter3, G. Krischak1, 2, F. Gebhard3, S. Weckbach3, P. Keppler4

Zusammenfassung: kniegelenknahe Umstellungsosteotomien können bei unikompartimenteller Arthrose zu Schmerzfreiheit und Verhinderung oder zumindest Verzögerung einer frühen endoprothetischen Versorgung der Patienten führen. In der Literatur sind die Vorteile und Nachteile der diversen zum Einsatz kommenden Verfahren hinreichend dokumentiert. Wenige Untersuchungen existieren jedoch über den Verlauf der Beinachse im zeitlichen Verlauf nach durchgeführter Umstellung.

Retrospektiv wurden 34 Patienten mit durchgeführter Umstellung (insgesamt 44 Osteotomien) nachuntersucht. Neben klinischer Untersuchung und Befragung zum Verlauf wurde bei allen Patienten eine sonographische Beinachsvermessung durchgeführt.

In einem durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraum von 48 Monaten zeigte sich eine sehr hohe Patientenzufriedenheit, kein Patient erhielt zwischenzeitlich eine Knieprothese. Der Korrekturverlust der umgestellten Seite war geringer als der Korrekturverlust der nicht operierten Seite. Bei
allen Patienten zeigte sich eine Verbesserung der Schmerz-
situation mit signifikanter Verbesserung der erhobenen Scores (Knee Society Score, Japanese Scoring System, Score nach Lysholm und Gillquist).

Zusammengefasst zeigt sich bei kniegelenknahen Umstellungen eine hohe Konstanz der postoperativ erreichten Beinachse im zeitlichen Verlauf bei hoher Patientenzufriedenheit.

Schlüsselwörter: Umstellungsosteotomie, Varisierung, Valgisierung, Beinachsgeometrie, sonografische Beinachsvermessung

Abstract: Osteotomies of the proximal tibia and the distal femur in patients with unicompartimental arthrosis of the knee lead to reduced pain and can delay early knee replacement procedures.

The long term results are well documented in the literature regarding pain reduction and functional outcome. There is a lack of data on the postoperative changes of the leg axis.

Retrospectively 34 patients with 44 osteotomies were examined. Beside the clinical examination and the documentation of relevant data on the postoperative course the leg axis of all patients was measured with an ultrasound-based system.

The mean time between surgery and examination was 48 months. The patients’ satisfaction regarding pain and function was very good. No patient underwent a knee replacement procedure. The leg axis of the non-operated leg deviated more in comparison to the corrected side which was very constant in the postoperative course.

Summarized osteotomies of the distal femur and the proximal tibia demonstrate constant values of the corrected leg axis with high patient satisfaction.

Keywords: high tibial osteotomy, leg axis, ultrasound-based leg axis measurement

Einleitung

kniegelenknahe Umstellungen werden seit über 30 Jahren bei unikomparti-menteller Arthrose des Knies durchge-führt. Dabei unterlag die favorisierte Technik im Laufe der Zeit einem steten Wandel. Während in den 90er Jahren vorwiegend schließende Tibiakopfumstellungen vorgenommen wurden, erfuhren aufklappende Verfahren durch die Entwicklung winkelstabiler Plattenfixateure eine zunehmende Verbreitung [1].

Den größten Anteil nehmen dabei valgisierende Verfahren ein. Je nach Zentrum der Fehlstellung sind auch Osteotomien im Bereich des distalen Femur erforderlich, in 10–15% der Fälle sind bifokale Umstellungen mit Osteotomie sowohl der Tibia als auch des Femur zur Korrektur der Deformität indiziert [2].

In einigen Studien konnten für diverse Techniken und Plattensysteme zufriedenstellende mittelfristige und auch langfristige Ergebnisse nachgewiesen werden, die mit einem veränderten biomechanischen Verständnis eine Renaissance dieser Verfahren auch im angloamerikanischen Raum erbrachten.

So unterschiedlich Techniken und eingesetzte Materialien auch sein mögen, sie verfolgen alle jedoch das gleiche Ziel: Durch die Veränderung der Beinachse soll beschädigter Knorpel aus der Belastungszone heraus und gesunder Knorpel hinein transferiert werden. Damit soll langfristige Schmerzfreiheit erreicht und eine frühzeitige endoprothetische Versorgung vermieden werden [3].

Es stehen diverse Methoden zur Evaluierung der postoperativ erreichten mechanischen Beinachse zur Verfügung. Die am häufigsten verwendete Technik ist die Ganzbeinaufnahme, die sich konventioneller Röntgentechnik bedient und anhand derer mechanische und anatomische Achsen bestimmt werden können. Eine weitere Methode zur Ermittlung der Beingeometrie ist die CT- oder MRT-basierte Vermessung, die zusätzlich zur Beinachse auch die Bestimmung von Torsionen erlaubt. Nachteilig sind die Strahlenbelastung im CT und Röntgen und die Kosten und Verfügbarkeit einer MRT-basierten Messmethode.

Die in dieser Studie zum Einsatz kommende Methode ist die sonografische Beinachsvermessung. Dies wird durch eine Kombination eines 2D-Ultraschallgerätes mit Linearschallkopf (Sonoline SI 400, Siemens, Erlangen, Deutschland) und einem Ultraschallortungssystem (CMS 60/6, zebris Medical GmbH, Isny, Deutschland) erreicht, sodass sich durch 2D-Ultraschallbilder dreidimensionale Längen- und Winkelmessungen durchführen lassen (Abb. 1). Durch Referenzsensoren am Unterschenkel des Patienten werden Bewegungen registriert und automatisch korrigiert, wodurch eine mit dem CT vergleichbaren Genauigkeit und Reproduzierbarkeit der Messergebnisse erreicht wird. Zudem können neben der Beinachse auch Torsionen bestimmt werden [4].

Ziel der Studie war die Evaluierung des mittelfristigen Verlaufs der Beinachse nach kniegelenknaher Umstellung sowie die Erfassung des klinischen Ergebnisses.

Material und Methoden

Retrospektiv wurden im Klinikinformationssystem (KIS) 50 konsekutive Patienten mit durchgeführter kniegelenknaher Osteotomie für ein Follow-up identifiziert. Davon konnten schließlich 34 Patienten mit 44 Osteotomien nachuntersucht werden.

Neben dem klinischen Untersuchungsbefund wurde die aktuelle Situation sowie der Zustand vor der Operation durch folgende Scores erfasst: das „Japanese Scoring System“, den „Knee Society Score“ sowie den Score nach Lysholm und Gillquist [5–7]. Weitere allgemeine Parameter wie die subjektive Patientenzufriedenheit sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit wurden bestimmt. Bei allen Patienten wurde zur Ermittlung der aktuellen Beingeometrie eine sonografische Beinachsvermessung durchgeführt. Dazu wurde die Patientenakte ausgewertet, insbesondere hinsichtlich der prä- und postoperativen Beinachsdaten sowie eventueller Komplikationen. Alle Parameter wurden vom gleichen Untersucher erhoben. Bei einem Patienten lag keine präoperative Beinachsvermessung vor, dieser wurde von der weiteren Auswertung des Verlaufes der Beinachsgeometrie ausgeschlossen.

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