Originalarbeiten - OUP 06/2012

Entwicklung der Beinachsgeometrie nach
kniegelenknaher Umstellungsosteotomie
Medium-term changes of the leg axis following high tibial
and distal femur osteotomies

 

Valgisationsosteotomie

Für insgesamt 28 Patienten lag eine präoperative Messung der Beinachsgeometrie vor. Der durchschnittliche Nachbeobachtungszeitraum lag bei 46 Monaten. Im Mittel zeigte sich eine mechanische Beinachse des zu operierenden Beines präoperativ von 173,7° ± 3° (166° bis 178°). Für das nicht zu operierende Bein ergab sich zum Zeitpunkt der präoperativen Messung eine Achse von 177,4° ± 2,7° (173° bis 182°). Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung ergab sich für die operierte Extremität eine Beinachse von 179,5° ± 2,3° (174° bis 184°). Für die nichtoperierte Extremität ergab sich eine Achse von 175,5° ± 2,5° (172° bis 181°). Für insgesamt 10 Fälle konnten Werte unmittelbar postoperativ erhoben werden. Der durchschnittliche Nachbeobachtungszeitraum betrug hier 45 Monate.

Unmittelbar postoperativ zeigte die mechanische Beinachse des operierten Beines im Mittel 180,1° ± 2° (178° bis 183°) (Abb. 4). Am Tag der Nachuntersuchung betrug die mechanische Beinachse bei diesen Patienten im Mittel 179,2° ± 1,9° (177° bis 183°). Dies entspricht einem durchschnittlichen Korrekturverlust von 1° in einen Zeitraum von knapp 4 Jahren, es lag jedoch keine statistische Signifikanz vor (p = 0,13).

Bei Auswertung der nichtoperierten Seite zeigte sich für die Messung unmittelbar postoperativ bei den 10 Patienten mit durchgeführter sonografischer Beinachsgeometrie eine mechanische Achse im Mittel von 176,8° ± 2° (174° bis 180°). Am Tag der Nachuntersuchung fand sich eine Beinachse von 174,2° ± 1,6° (172° bis 180°). Damit zeigt sich an der nichtoperierten Seite eine stärkere Varisierung als an der operierten Seite mit über 2° (p = 0,04).

Diskussion

Die Korrektur der Beinachsgeometrie ist eine immer häufiger durchgeführte Operation. Dies hat seine Ursachen in der Verbesserung der Techniken mit zunehmend minimalinvasiverem Vorgehen. Auch erlauben verbesserte Implantate die sofortige Beübung der Extremität, die Risiken wie Thrombosen oder Nervenverletzungen sind minimiert. Vor allem aber besteht in einer steigenden Anzahl von Patienten mit beginnender medialer Gonarthrose der Wunsch nach Alternativen zu einer frühen endoprothetischen Versorgung. Insbesondere jüngere Patienten scheinen von dieser Methode zu profitieren [8]. Bislang wenig berücksichtigt worden ist jedoch der Verlauf der Beinachse über die Zeit. In dieser Untersuchung konnte über einen durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraum von 46 Monaten der Verlauf der Beinachse von 33 Patienten mit einer knienahen Umstellung röntgenfrei erfasst werden.

Wie auch von anderen Autoren beobachtet, ist die Patientenzufriedenheit mit nahezu allen Techniken und Implantaten sehr hoch. Dies konnte auch hier bestätigt werden. Die Patienten, die sich einer erneuten Umstellung nicht mehr unterziehen würden, erlitten bis auf einen Fall eine Komplikation wie eine Thrombose oder eine Nervenverletzung mit persistierenden Schmerzen. Lediglich ein Patient gab eine nicht ausreichende Schmerzreduktion als Grund für einen Verzicht auf eine erneute Achskorrektur an. Wesentlich für die hohe Zufriedenheit der Patienten scheint der Erhalt oder die Wiederherstellung der Beugefähigkeit im Kniegelenk zu sein. In unserer Untersuchung war dies sogar der einzig signifikante Faktor hinsichtlich eines Unterschiedes in der generell hohen Zufriedenheit der Patienten mit dem postoperativen Ergebnis. In der Literatur wird dieser Zusammenhang bisher kaum diskutiert. In einer retrospektiven Analyse mit telefonischer Nachuntersuchung konnten in einem größeren Kollektiv als weitere entscheidende Faktoren für Zufriedenheit und Überlebensrate der Umstellungsosteotomie folgende Faktoren identifiziert werden:

- Patientenalter unter 50 Jahren

- BMI kleiner 25 sowie

- stabiles vorderes Kreuzband [9].

Nahezu alle Patienten wurden wieder im alten Beruf arbeitsfähig, gelegentlich kann eine Umstellung sogar zur Wiederaufnahme der alten Tätigkeit nach längerer Krankheitsphase führen. Dennoch beträgt die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit mehrere Monate. Damit decken sich die hier berichteten Daten mit Angaben in der aktuellen Literatur [10].

Über den Zeitraum von knapp 4 Jahren zeigte sich in dieser Untersuchung auf der operierten Seite ein Verlust des unmittelbar präoperativ erzielten Ergebnisses von einem Grad. Aufgrund der geringen Fallzahlen konnte keine Signifikanz erreicht werden, in größeren Kollektiven kann hier eventuell ein Korrekturverlust gänzlich ausgeschlossen werden. Auf der nicht operierten Gegenseite, die meist eine deutlich stärker varische Achse im Vergleich zum operierten Bein aufwies, war eine signifikant zunehmende Varisierung zu verzeichnen. Hierzu konnte keine Arbeit in der Literatur identifiziert werden, die neben der operierten Seite auch die gesunde Seite mitevaluierte. Die meisten Publikationen verwenden Ganzbeinaufnahmen als Kontrollinstrument der Beinachse, die damit verbundene Strahlenbelastung erlaubt keine Mituntersuchung der nichtbetroffenen Extremität. Wie in unserer Untersuchung zeigt sich jedoch auch in der Literatur eine signifikante Verbesserung der Beinachse nach operativer Korrektur im Vergleich zu präoperativ [11, 12]. Limitierend bezüglich der Aussagekraft der hier präsentierten Daten ist der insgesamt geringe Unterschied der Beinachsdeviation im zeitlichen Verlauf von etwas über einem Grad. Dies entspricht der Messungenauigkeit des Systems und kann statistisch valide nur durch wesentlich größere Kollektive untermauert werden.

Erstaunlicherweise gaben bei der Nachuntersuchung nur ein geringer Teil der Patienten Schmerzen auf der nicht operierten Seite an. Bei Fortschreiten des Prozesses sollte jedoch der richtige Zeitpunkt für eine Umstellungsoperation nicht verpasst werden. Hierzu sind regelmäßige Nachkontrollen erforderlich.

Hinsichtlich aufklappender oder schließender Technik und auch bezogen auf das verwendete Implantat konnte kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den einzelnen Gruppen gefunden werden. Dies deckt sich mit den aktuellen Angaben in der Literatur, insbesondere in größeren Analysen wurde kein eindeutiger Vorteil der aufklappenden im Vergleich zur schließenden Osteotomie berichtet [13, 14].

Zusammenfassung

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