Originalarbeiten - OUP 06/2012

Entwicklung der Beinachsgeometrie nach
kniegelenknaher Umstellungsosteotomie
Medium-term changes of the leg axis following high tibial
and distal femur osteotomies

M. Kraus1, 2, F. Fliedner3, P. Richter3, G. Krischak1, 2, F. Gebhard3, S. Weckbach3, P. Keppler4

Zusammenfassung: kniegelenknahe Umstellungsosteotomien können bei unikompartimenteller Arthrose zu Schmerzfreiheit und Verhinderung oder zumindest Verzögerung einer frühen endoprothetischen Versorgung der Patienten führen. In der Literatur sind die Vorteile und Nachteile der diversen zum Einsatz kommenden Verfahren hinreichend dokumentiert. Wenige Untersuchungen existieren jedoch über den Verlauf der Beinachse im zeitlichen Verlauf nach durchgeführter Umstellung.

Retrospektiv wurden 34 Patienten mit durchgeführter Umstellung (insgesamt 44 Osteotomien) nachuntersucht. Neben klinischer Untersuchung und Befragung zum Verlauf wurde bei allen Patienten eine sonographische Beinachsvermessung durchgeführt.

In einem durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraum von 48 Monaten zeigte sich eine sehr hohe Patientenzufriedenheit, kein Patient erhielt zwischenzeitlich eine Knieprothese. Der Korrekturverlust der umgestellten Seite war geringer als der Korrekturverlust der nicht operierten Seite. Bei
allen Patienten zeigte sich eine Verbesserung der Schmerz-
situation mit signifikanter Verbesserung der erhobenen Scores (Knee Society Score, Japanese Scoring System, Score nach Lysholm und Gillquist).

Zusammengefasst zeigt sich bei kniegelenknahen Umstellungen eine hohe Konstanz der postoperativ erreichten Beinachse im zeitlichen Verlauf bei hoher Patientenzufriedenheit.

Schlüsselwörter: Umstellungsosteotomie, Varisierung, Valgisierung, Beinachsgeometrie, sonografische Beinachsvermessung

Abstract: Osteotomies of the proximal tibia and the distal femur in patients with unicompartimental arthrosis of the knee lead to reduced pain and can delay early knee replacement procedures.

The long term results are well documented in the literature regarding pain reduction and functional outcome. There is a lack of data on the postoperative changes of the leg axis.

Retrospectively 34 patients with 44 osteotomies were examined. Beside the clinical examination and the documentation of relevant data on the postoperative course the leg axis of all patients was measured with an ultrasound-based system.

The mean time between surgery and examination was 48 months. The patients’ satisfaction regarding pain and function was very good. No patient underwent a knee replacement procedure. The leg axis of the non-operated leg deviated more in comparison to the corrected side which was very constant in the postoperative course.

Summarized osteotomies of the distal femur and the proximal tibia demonstrate constant values of the corrected leg axis with high patient satisfaction.

Keywords: high tibial osteotomy, leg axis, ultrasound-based leg axis measurement

Einleitung

kniegelenknahe Umstellungen werden seit über 30 Jahren bei unikomparti-menteller Arthrose des Knies durchge-führt. Dabei unterlag die favorisierte Technik im Laufe der Zeit einem steten Wandel. Während in den 90er Jahren vorwiegend schließende Tibiakopfumstellungen vorgenommen wurden, erfuhren aufklappende Verfahren durch die Entwicklung winkelstabiler Plattenfixateure eine zunehmende Verbreitung [1].

Den größten Anteil nehmen dabei valgisierende Verfahren ein. Je nach Zentrum der Fehlstellung sind auch Osteotomien im Bereich des distalen Femur erforderlich, in 10–15% der Fälle sind bifokale Umstellungen mit Osteotomie sowohl der Tibia als auch des Femur zur Korrektur der Deformität indiziert [2].

In einigen Studien konnten für diverse Techniken und Plattensysteme zufriedenstellende mittelfristige und auch langfristige Ergebnisse nachgewiesen werden, die mit einem veränderten biomechanischen Verständnis eine Renaissance dieser Verfahren auch im angloamerikanischen Raum erbrachten.

So unterschiedlich Techniken und eingesetzte Materialien auch sein mögen, sie verfolgen alle jedoch das gleiche Ziel: Durch die Veränderung der Beinachse soll beschädigter Knorpel aus der Belastungszone heraus und gesunder Knorpel hinein transferiert werden. Damit soll langfristige Schmerzfreiheit erreicht und eine frühzeitige endoprothetische Versorgung vermieden werden [3].

Es stehen diverse Methoden zur Evaluierung der postoperativ erreichten mechanischen Beinachse zur Verfügung. Die am häufigsten verwendete Technik ist die Ganzbeinaufnahme, die sich konventioneller Röntgentechnik bedient und anhand derer mechanische und anatomische Achsen bestimmt werden können. Eine weitere Methode zur Ermittlung der Beingeometrie ist die CT- oder MRT-basierte Vermessung, die zusätzlich zur Beinachse auch die Bestimmung von Torsionen erlaubt. Nachteilig sind die Strahlenbelastung im CT und Röntgen und die Kosten und Verfügbarkeit einer MRT-basierten Messmethode.

Die in dieser Studie zum Einsatz kommende Methode ist die sonografische Beinachsvermessung. Dies wird durch eine Kombination eines 2D-Ultraschallgerätes mit Linearschallkopf (Sonoline SI 400, Siemens, Erlangen, Deutschland) und einem Ultraschallortungssystem (CMS 60/6, zebris Medical GmbH, Isny, Deutschland) erreicht, sodass sich durch 2D-Ultraschallbilder dreidimensionale Längen- und Winkelmessungen durchführen lassen (Abb. 1). Durch Referenzsensoren am Unterschenkel des Patienten werden Bewegungen registriert und automatisch korrigiert, wodurch eine mit dem CT vergleichbaren Genauigkeit und Reproduzierbarkeit der Messergebnisse erreicht wird. Zudem können neben der Beinachse auch Torsionen bestimmt werden [4].

Ziel der Studie war die Evaluierung des mittelfristigen Verlaufs der Beinachse nach kniegelenknaher Umstellung sowie die Erfassung des klinischen Ergebnisses.

Material und Methoden

Retrospektiv wurden im Klinikinformationssystem (KIS) 50 konsekutive Patienten mit durchgeführter kniegelenknaher Osteotomie für ein Follow-up identifiziert. Davon konnten schließlich 34 Patienten mit 44 Osteotomien nachuntersucht werden.

Neben dem klinischen Untersuchungsbefund wurde die aktuelle Situation sowie der Zustand vor der Operation durch folgende Scores erfasst: das „Japanese Scoring System“, den „Knee Society Score“ sowie den Score nach Lysholm und Gillquist [5–7]. Weitere allgemeine Parameter wie die subjektive Patientenzufriedenheit sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit wurden bestimmt. Bei allen Patienten wurde zur Ermittlung der aktuellen Beingeometrie eine sonografische Beinachsvermessung durchgeführt. Dazu wurde die Patientenakte ausgewertet, insbesondere hinsichtlich der prä- und postoperativen Beinachsdaten sowie eventueller Komplikationen. Alle Parameter wurden vom gleichen Untersucher erhoben. Bei einem Patienten lag keine präoperative Beinachsvermessung vor, dieser wurde von der weiteren Auswertung des Verlaufes der Beinachsgeometrie ausgeschlossen.

Die Studie wurde durch die lokale Ethikkommission (Nr. 59/11) bewilligt.

Statistik

Allgemeine, deskriptive Berechnungen wurden mit Microsoft Excel 2003 durchgeführt. Bei nicht normalverteilten Werten wurde zur Berechnung statistisch signifikanter Unterschiede der Wilcoxon-Rangsummentest berechnet (Graph Pad Prism 5, GraphPad Software, La Jolla, USA).

Ergebnisse

Zum Operationszeitpunkt betrug der Altersdurchschnitt der Patienten 48 Jahre ± 13,3 Jahre (16 bis 68 Jahre), 75% der Patienten waren männlich, 25% weiblich. Insgesamt 10 Patienten unterzogen sich einer beidseitigen Umstellung, in einem Fall in gleicher Sitzung.

Von den insgesamt 44 durchgeführten Umstellungsosteotomien wurden 15 in der „open-wedge“ und 29 in der „closed-wedge“-Technik durchgeführt. Insgesamt 31 der 44 durchgeführten Operationen waren valgisierende Tibiakopfosteotomien, 4 varisierende Tibiakopfosteotomien. Bei 7 Patienten wurde eine suprakondyläre Femur-Valgisationsosteotomie und in 2 Fällen eine suprakondyläre Femur-Varisationsosteotomie durchgeführt. Bei einer Operation wurde eine bifokale Valgisation durchgeführt.

Die bei den Operationen am häufigsten verwendeten Plattensysteme sind der Tomofix (Synthes, Umkirch, Deutschland) mit insgesamt 19 Platten, gefolgt von der DCP-Platte (Synthes, Umkirch, Deutschland) in 14 Fällen. Zusätzlich wurden 6 Kondylenplatten (Synthes, Umkirch, Deutschland), 2 Litosplatten (Litos, Ahrensberg, Deutschland), eine Winkelplatte und eine Klingenplatte (beide Synthes, Umkirch, Deutschland) verwendet. In einem Fall kam ein Unterschenkelnagel in Kombination mit einem Fixateur externe zur Anwendung.

Die häufigste Indikation zur Umstellung war die mediale Gonarthrose mit 27 Fällen (61,3 %), gefolgt von 10 Osteotomien bei kongenitalem Genua vara (22,7%) ohne klinische oder radiolo-
gische Zeichen der Gonarthrose. Insge-samt 5 Fälle wurden aufgrund eines Genu valgum varisiert (11,4 %). In einem Fall wurde eine posttraumatische Deformität korrigiert.

Klinische Untersuchung

Die mittlere Beugefähigkeit für schließende Osteotomien betrug zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung 132° ± 13° (95° bis 150°). Für aufklappende Osteotomien zeigten sich vergleichbare Werte mit einer mittleren Beugefähigkeit von 132° ± 12° (110° bis 150°).

Eine ligamentäre Instabilität der Seitenbänder der operierten Seite lag insgesamt bei 11 Fällen vor, davon erstgradig in 8 Fällen, zweitgradig in 3 Fällen, wobei davon nur 2 Patienten mit zweitgradiger Instabilität von einer klinisch relevanten Problematik berichteten, Orthesen waren in keinem Fall erforderlich. 6 Instabilitäten entfielen auf schließende Osteotomien, 5 auf aufklappende. Ein statistisch signifikanter Zusammenhang mit der Patientenzufriedenheit lag nicht vor.

Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung ergaben sich keine messbaren signifikanten Unterschiede bezüglich des Beinumfangs von Ober-, Unterschenkel und Kniegelenk.

Patientenzufriedenheit und
Arbeitsfähigkeit

Zur Erfassung der subjektiven Zufriedenheit der Patienten mit dem operativen und postoperativen Verlauf beurteilten die Patienten ähnlich der visuellen Analogskala für Schmerzen die Zufriedenheit auf einer Skala von 1 bis 10 (1 = höchste Unzufriedenheit; 10 = höchste Zufriedenheit). Der durchschnittliche Wert aller Patienten betrug 8,3 ± 1,6 Punkte (5 bis 10 Punkte) (Abb. 2).

Insgesamt 71% der untersuchten Patienten verblieben nach der Umstellung im gleichen Beruf. Insgesamt 90,5% der Befragten gaben an, dass sie sich erneut der gleichen Prozedur unterziehen würden. Bei den Patienten, die angaben, sich dieser Operation nicht erneut unterziehen zu wollen (n = 4), lag in einem Fall eine postoperative Beinvenenthrombose vor, in einem weiteren Fall bestand ein postoperativer neuropathischer Schmerz, ein weiterer Patient nannte eine Pseudarthrose mit erneutem Eingriff (dann Durchbauung) und schließlich beklagte ein Patient eine zu geringe Beschwerdereduktion im Vergleich zu präoperativ.

Die durchschnittliche Dauer bis zur Arbeitsfähigkeit betrug 5,8 ± 3,4 Monate (1 bis 12 Monate). 3 Patienten waren bereits wegen weiterer Erkrankungen vor der Umstellungsosteotomie arbeitsunfähig und blieben es postoperativ in 2 Fällen. 5 Patienten waren zum Umstellungszeitpunkt berentet. Es bestand kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Merkmal Arbeitsunfähigkeit und dem verwendeten Implantat oder der Art des Operationsverfahrens.

Patienten mit femoraler Umstellung waren tendenziell etwas schneller arbeitsfähig (5,3 Monate vs. 6 Monate, p = 0,56).

Es konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen den Merkmalen Implantat und Zufriedenheit sowie den Merkmalen Operationstechnik (aufklappend vs. schließend) gefunden werden. Es bestand jedoch ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen dem Merkmal Patientenzufriedenheit und der Beugefähigkeit (p < 0,01).

Scores

Präoperativ lag der Mittelwert des Score nach Lysholm und Gillquist bei 55 Punkten (Min. 14, Max. 100). Im Vergleich dazu ergab sich postoperativ im Mittel ein Punktwert von 92 (Min. 21, Max. 100) (Abb. 3a). Im „Japanese Scoring System“ ergab sich ein präoperativer Mittelwert von 63 Punkten (Min. 37, Max. 100). Im Vergleich dazu zeigte sich postoperativ im Mittel ein Punktwert von 91 (Min. 61, Max. 100) (Abb. 3b).

Im „Knee Society Score“ erzielten die Patienten einen präoperativen Wert im Mittel von 126 (Min. 38, Max, 194). Postoperativ ergibt sich ein Mittelwert von 184 (Min. 138, Max. 200). Für alle Scores besteht ein statistisch signifikanter Unterschied in den beiden Gruppen hinsichtlich der Verbesserung postoperativ (p < 0,01) (Abb. 3c).

Sonographische Beinachsver-
messung

Varisationsosteotomie

6 Patienten wurden im Rahmen dieser Studie nach durchgeführter Varisationsosteotomie nachuntersucht. Für einen Patienten fehlte der präoperative Messwert, sodass auch der postoperative nicht in die Berechnung mit einbezogen wurde. Die präoperative Beinachse des zu operierenden Beines betrug im Mittel 187° ± 3,1° (184° bis 192°). Die mechanische Beinachse am Tage der Nachuntersuchung betrug im Mittel 179° ± 3,2° (179° bis 182°). Daraus ergibt sich eine mittlere Differenz prä- zu postoperativ von 8°.

 

Valgisationsosteotomie

Für insgesamt 28 Patienten lag eine präoperative Messung der Beinachsgeometrie vor. Der durchschnittliche Nachbeobachtungszeitraum lag bei 46 Monaten. Im Mittel zeigte sich eine mechanische Beinachse des zu operierenden Beines präoperativ von 173,7° ± 3° (166° bis 178°). Für das nicht zu operierende Bein ergab sich zum Zeitpunkt der präoperativen Messung eine Achse von 177,4° ± 2,7° (173° bis 182°). Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung ergab sich für die operierte Extremität eine Beinachse von 179,5° ± 2,3° (174° bis 184°). Für die nichtoperierte Extremität ergab sich eine Achse von 175,5° ± 2,5° (172° bis 181°). Für insgesamt 10 Fälle konnten Werte unmittelbar postoperativ erhoben werden. Der durchschnittliche Nachbeobachtungszeitraum betrug hier 45 Monate.

Unmittelbar postoperativ zeigte die mechanische Beinachse des operierten Beines im Mittel 180,1° ± 2° (178° bis 183°) (Abb. 4). Am Tag der Nachuntersuchung betrug die mechanische Beinachse bei diesen Patienten im Mittel 179,2° ± 1,9° (177° bis 183°). Dies entspricht einem durchschnittlichen Korrekturverlust von 1° in einen Zeitraum von knapp 4 Jahren, es lag jedoch keine statistische Signifikanz vor (p = 0,13).

Bei Auswertung der nichtoperierten Seite zeigte sich für die Messung unmittelbar postoperativ bei den 10 Patienten mit durchgeführter sonografischer Beinachsgeometrie eine mechanische Achse im Mittel von 176,8° ± 2° (174° bis 180°). Am Tag der Nachuntersuchung fand sich eine Beinachse von 174,2° ± 1,6° (172° bis 180°). Damit zeigt sich an der nichtoperierten Seite eine stärkere Varisierung als an der operierten Seite mit über 2° (p = 0,04).

Diskussion

Die Korrektur der Beinachsgeometrie ist eine immer häufiger durchgeführte Operation. Dies hat seine Ursachen in der Verbesserung der Techniken mit zunehmend minimalinvasiverem Vorgehen. Auch erlauben verbesserte Implantate die sofortige Beübung der Extremität, die Risiken wie Thrombosen oder Nervenverletzungen sind minimiert. Vor allem aber besteht in einer steigenden Anzahl von Patienten mit beginnender medialer Gonarthrose der Wunsch nach Alternativen zu einer frühen endoprothetischen Versorgung. Insbesondere jüngere Patienten scheinen von dieser Methode zu profitieren [8]. Bislang wenig berücksichtigt worden ist jedoch der Verlauf der Beinachse über die Zeit. In dieser Untersuchung konnte über einen durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraum von 46 Monaten der Verlauf der Beinachse von 33 Patienten mit einer knienahen Umstellung röntgenfrei erfasst werden.

Wie auch von anderen Autoren beobachtet, ist die Patientenzufriedenheit mit nahezu allen Techniken und Implantaten sehr hoch. Dies konnte auch hier bestätigt werden. Die Patienten, die sich einer erneuten Umstellung nicht mehr unterziehen würden, erlitten bis auf einen Fall eine Komplikation wie eine Thrombose oder eine Nervenverletzung mit persistierenden Schmerzen. Lediglich ein Patient gab eine nicht ausreichende Schmerzreduktion als Grund für einen Verzicht auf eine erneute Achskorrektur an. Wesentlich für die hohe Zufriedenheit der Patienten scheint der Erhalt oder die Wiederherstellung der Beugefähigkeit im Kniegelenk zu sein. In unserer Untersuchung war dies sogar der einzig signifikante Faktor hinsichtlich eines Unterschiedes in der generell hohen Zufriedenheit der Patienten mit dem postoperativen Ergebnis. In der Literatur wird dieser Zusammenhang bisher kaum diskutiert. In einer retrospektiven Analyse mit telefonischer Nachuntersuchung konnten in einem größeren Kollektiv als weitere entscheidende Faktoren für Zufriedenheit und Überlebensrate der Umstellungsosteotomie folgende Faktoren identifiziert werden:

- Patientenalter unter 50 Jahren

- BMI kleiner 25 sowie

- stabiles vorderes Kreuzband [9].

Nahezu alle Patienten wurden wieder im alten Beruf arbeitsfähig, gelegentlich kann eine Umstellung sogar zur Wiederaufnahme der alten Tätigkeit nach längerer Krankheitsphase führen. Dennoch beträgt die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit mehrere Monate. Damit decken sich die hier berichteten Daten mit Angaben in der aktuellen Literatur [10].

Über den Zeitraum von knapp 4 Jahren zeigte sich in dieser Untersuchung auf der operierten Seite ein Verlust des unmittelbar präoperativ erzielten Ergebnisses von einem Grad. Aufgrund der geringen Fallzahlen konnte keine Signifikanz erreicht werden, in größeren Kollektiven kann hier eventuell ein Korrekturverlust gänzlich ausgeschlossen werden. Auf der nicht operierten Gegenseite, die meist eine deutlich stärker varische Achse im Vergleich zum operierten Bein aufwies, war eine signifikant zunehmende Varisierung zu verzeichnen. Hierzu konnte keine Arbeit in der Literatur identifiziert werden, die neben der operierten Seite auch die gesunde Seite mitevaluierte. Die meisten Publikationen verwenden Ganzbeinaufnahmen als Kontrollinstrument der Beinachse, die damit verbundene Strahlenbelastung erlaubt keine Mituntersuchung der nichtbetroffenen Extremität. Wie in unserer Untersuchung zeigt sich jedoch auch in der Literatur eine signifikante Verbesserung der Beinachse nach operativer Korrektur im Vergleich zu präoperativ [11, 12]. Limitierend bezüglich der Aussagekraft der hier präsentierten Daten ist der insgesamt geringe Unterschied der Beinachsdeviation im zeitlichen Verlauf von etwas über einem Grad. Dies entspricht der Messungenauigkeit des Systems und kann statistisch valide nur durch wesentlich größere Kollektive untermauert werden.

Erstaunlicherweise gaben bei der Nachuntersuchung nur ein geringer Teil der Patienten Schmerzen auf der nicht operierten Seite an. Bei Fortschreiten des Prozesses sollte jedoch der richtige Zeitpunkt für eine Umstellungsoperation nicht verpasst werden. Hierzu sind regelmäßige Nachkontrollen erforderlich.

Hinsichtlich aufklappender oder schließender Technik und auch bezogen auf das verwendete Implantat konnte kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den einzelnen Gruppen gefunden werden. Dies deckt sich mit den aktuellen Angaben in der Literatur, insbesondere in größeren Analysen wurde kein eindeutiger Vorteil der aufklappenden im Vergleich zur schließenden Osteotomie berichtet [13, 14].

Zusammenfassung

Die kniegelenknahen Umstellungsoperationen sind etablierte Verfahren zur Therapie der Gonarthrose. Die Patientenzufriedenheit ist sehr hoch, insbesondere wenn eine gute Funktionalität des Knies erreicht werden kann. Der Korrekturverlust der Beinachse der operierten Seite ist tendenziell geringer als der der nicht operierten Seite, hier sind weitere Nachkontrollen zur Dokumentation des Verlaufs erforderlich.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Michael Kraus

Federseeklinik Bad Buchau

Abteilung für Orthopädie und
Unfallchirurgie

Freihofgasse 14

88422 Bad Buchau

E-Mail: m.kraus@ federseeklinik.de

Literatur

1. Insall JN, Joseph DM, Msika C. High tibial osteotomy for varus gonarthrosis. A long-term follow-up study. J Bone Joint Surg Am 1984; 66:1040–1048.

2. Babis GC, An KN, Chao EY, Rand JA, Sim FH. Double level osteotomy of the knee: a method to retain joint-line obliquity. Clinical results. J Bone Joint Surg Am 2002; 84-A:1380–1388.

3. Paley D, Maar DC, Herzenberg JE. New concepts in high tibial osteotomy for medial compartment osteoarthritis. Orthop Clin North Am 1994; 25:483–498.

4. Keppler P, Strecker W, Kinzl L, Simmnacher M, Claes L. Sonographic imaging of leg geometry. Orthopade 1999; 28:1015–1022.

5. Insall JN, Dorr LD, Scott RD, Scott WN. Rationale of the Knee Society clinical rating system. Clin Orthop 1989; 248:13–14.

6. Lysholm J, Gillquist J. Evaluation of knee ligament surgery results with special emphasis on use of a scoring scale. Am J Sports Med 1982; 10:150–154.

7. Sasaki T, Yagi T, Monji J, Yasuda K, Tsuge H. High tibial osteotomy combined with anterior displacement of the tibial tubercle for osteoarthritis of the knee. Int Orthop 1986; 10:31–40.

8. Spahn G, Hofmann GO, von Engelhardt LV et al. The impact of a high tibial valgus osteotomy and unicondylar medial arthroplasty on the treatment for knee osteoarthritis: a meta-analysis. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2011; 11:

9. Hui C, Salmon LJ, Kok A et al. Long-term survival of high tibial osteotomy for medial compartment osteoarthritis of the knee. Am J Sports Med 2011; 39:64–70.

10. Brosset T, Pasquier G, Migaud H, Gougeon F. Opening wedge high tibial osteotomy performed without filling the defect but with locking plate fixation (TomoFix) and early weight-bearing: prospective evaluation of bone union, precision and maintenance of correction in 51 cases. Orthop Traumatol Surg Res 2011; 97:705–711.

11. Chiang H, Hsu HC, Jiang CC. Dome-shaped high tibial osteotomy: a long-term follow-up study. J Formos Med Assoc 2006; 105:214–219.

12. Shim JS, Lee SH, Jung HJ, Lee HI. High tibial open wedge osteotomy below the tibial tubercle: clinical and radiographic results. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2011;

13. Amendola A, Bonasia DE. Results of high tibial osteotomy: review of the literature. Int Orthop 2010; 34:155–160.

14. Brouwer RW, Bierma-Zeinstra SM, van Raaij TM, Verhaar JA. Osteotomy for medial compartment arthritis of the knee using a closing wedge or an opening wedge controlled by a Puddu plate. A one-year randomised, controlled study. J Bone Joint Surg Br 2006; 88:1454–1459.

Fussnoten

1 Federseeklinik, Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Bad Buchau

2 Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau

3 Universitätsklinik Ulm, Zentrum für Chirurgie, Abteilung für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Ulm

4 Praxis für operative Orthopädie und Traumatologie, Ulm

DOI 10.3238/oup.2012.0255-0260

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