Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Evolution der individualisierten Total-Knieprothese mit 3D-Technologie

Malin Meier, Johannes Beckmann, Wolfgang Fitz

Zusammenfassung:

Individuelle Knieimplantate und vornavigierte Einweginstrumente haben das Potenzial, viele
der Mängel herkömmlicher Standard-Knieimplantate zu beheben. Aktuelle Systeme hinterlassen eine Lücke in Bezug auf Passform, Kniekinematik und Patientenzufriedenheit, die in der
Knieendoprothetik nach wie vor bestehen bleibt. Die individualisierte Knieendoprothetik kann
die in der Knieendoprothetik vorhandenen anatomischen Variationen und morphologischen
Nuancen berücksichtigen.

Schlüsselwörter:
Knieendoprothetik, Individualprothese, 3D-Technologie

Zitierweise:
Meier M, Beckmann J, Fitz W: Evolution der individualisierten Total-Knieprothese
mit 3D-Technologie. OUP 2019; 8: 161–167
DOI 10.3238/oup.2019.0161–0167

Summary: Individual knee implants and pre-navigated disposable instruments have the potential to correct many of the deficiencies of conventional standard knee implants. Current systems leave a gap in terms of
fit, knee kinematics and patient satisfaction that remains in knee endoprosthetics. Individualized knee
endoprosthetics can take into account the anatomical variations and morphological nuances present in
knee endoprosthetics.

Keywords: knee total replacement, individualised replacement, 3D-technology

Citation: Meier M, Beckmann J, Fitz W: The evolution of the individualised total knee replacement with 3D-technology. OUP 2019; 8: 161–167 DOI 10.3238/oup.2019.0161–0167

Malin Meier: Sportklinik Stuttgart

Johannes Beckmann, Sportklinik Stuttgart

Wolfgang Fitz: Orthopedic Surgery, Harvard Medical School, Cambridge, MA, USA

Einleitung

Die individualisierte Knieprothese wurde entwickelt, um die Mängel der heutigen Standard-„Stangen“-Knieprothesen zu beheben. Obwohl die totale Knieendoprothetik ein sehr erfolgreiches Verfahren ist, gibt es nach wie vor Herausforderungen, die die Zufriedenheit von Patienten und Chirurgen mit dem Verfahren einschränken. Passungenauigkeit und Nichtwiederherstellung der normalen Kniekinematik durch ein nicht anatomisches Design der Komponenten mögen die Hauptursachen für persistierende Patientenzufriedenheit nach Knieendoprothesen sein.

Die individualisierte Knieprothese nutzt dreidimensionale Bilddaten des Patienten, um nicht nur vornavigierte, einmalig verwendbare Instrumente herzustellen, sondern auch für die Produktion von patientenspezifischen Implantaten, die für einen einzelnen Patienten bemessen und geformt werden, wodurch im Wesentlichen eine individuelle Kopie des distalen Femurs hergestellt wird. Ziel dieses Ansatzes ist die Entwicklung eines Systems, das die Genauigkeit und Einfachheit der Operationstechnik verbessert, eine individuelle anatomische Rekonstruktion der Gelenkflächen ermöglicht und damit möglichst genau die patientenspezifische Kniekinematik rekonstruiert, was mit herkömmlichen Knieprothesensystemen möglicherweise nicht erreichbar ist. Schließlich ermöglicht dieser vollständig individualisierte Ansatz, dass die Implantate und Instrumente vorsterilisiert und in einem Einweg-Kit verpackt werden können, wodurch die Kosten für Implantat-Lagerung, Sterilisation, Verpackung und Logistik der derzeit verwendeten Instrumente erheblich reduziert werden.

System-Philosophie und
Designrationale

In den letzten Jahren wurden mehrere Technologieansätze eingeführt, um die Genauigkeit der Knieendoprothetik zu verbessern, wobei eine Verbesserung des klinischen Resultats das oberste Ziel ist. Technologien wie computergestützter Kniegelenkersatz, patientenspezifische Sägeblöcke und Robotik gehören zu dieser Kategorie und konzentrieren sich auf Methoden zur Verbesserung der chirurgischen Genauigkeit, ohne jedoch die Anatomie des Gelenks zu verbessern. In jüngster Zeit haben sich mehr Hinweise darauf ergeben, dass die Wiederherstellung des distalen Femur-Winkels, des proximalen Tibia-Winkels und die Wiederherstellung des Offsets der medialen und lateralen Femurcondylen wichtige anatomische Merkmale zur Wiederherstellung der Anatomie des Patienten und damit der individuellen Kniekinematik sind. Hiermit reduzieren sich auch das sog. Weichteil-Release und die damit verbundene Morbidität.

Die individualisierte Knieendoprothetik verbessert nicht nur die Logistik, sondern ermöglicht die Bereitstellung von exakten Kopien des Kniegelenks. Man kann die Implantate durchaus mit der Herstellung von individuellen Zahnkronen vergleichen. Neben der Wiederherstellung patientenspezifischer Implantate werden zugrunde liegende Deformationen, wie z.B. Varus- oder Valgusdeformitäten oder Flexionskontrakturen korrigiert: Individuelle Instrumente basieren auf der Vornavigation von 3D-Daten, inklusive der Achsinformation zwischen Hüfte, Knie und Sprunggelenk, um Deformitäten zu korrigieren. Insgesamt besteht das Ziel des Systems darin, ein sich natürlich anfühlendes Knie zu erzeugen, das präzise, zuverlässig und kostengünstig implantiert werden kann.

Konventioneller
Kniegelenkersatz

Die aktuellen Standard-„Stangen“-Knieprothesensysteme werden sehr erfolgreich als dauerhafte Lösung zur Schmerzlinderung, insbesondere bei Patienten mit geringerem Anspruch, eingesetzt. Aber die Probleme der Anpassung [1, 2], der Restschmerzen [1, 2, 3] und der Defizite in der normalen Kinematik [4, 5] und der Patientenzufriedenheit bleiben bestehen [6, 7].

Trotz zahlreicher Größen und verschiedener Optionen für Femur- und Tibia-Komponenten wird häufig eine unvollkommene Passform festgestellt. Sowohl beim totalen als auch beim partiellen Kniegelenkersatz zeigen Studien, dass der Überhang der Femur- und Tibia-Komponenten regelmäßig auftritt und die Wahrscheinlichkeit klinisch bedeutsamer Knieschmerzen erhöht. Ein Überhang der femoralen Komponente von mehr als 3 mm wird relativ häufig beobachtet, besonders bei Frauen, aber auch bei Männern. Bei Patienten mit Überhang werden 2 Jahre nach der Operation eine Verdoppelung der Odd Ratio für signifikante postoperative Schmerzen [8] beobachtet. Eine weitere Studie zum partiellen Kniegelenkersatz zeigt, dass ein Überhang der Tibia-Komponente von mehr als 3 mm zu deutlich schlechteren Oxford-knee-Scores und Schmerz-Scores 5 Jahre nach der Operation führt [1].

Die Implantathersteller erweitern Größenoptionen und alternative Designs wie „gender specific“-Designs, um die anthropometrischen und geschlechtsspezifischen Unterschiede zu berücksichtigen, die mitverantwortlich für diese Mängel sind. Allerdings scheinen Unterschiede innerhalb der afro-amerikanischen Ethnizität größer zu sein als zwischen Frauen und Männern oder zwischen unterschiedlichen Ethnizitäten [9]. Schmalere und breitere Oberschenkelimplantate können bestimmte Aspekte der Passform in der mediolateralen (ML) und anteroposterioren (AP) Dimension berücksichtigen, aber Standardimplantate können die Unterschiede in Größe und Form nicht realistisch adressieren. Neuere Studien mit großen CT-Messungen zeigen die hohe Variation der distalen femoralen Morphologie und insbesondere des anteroposterioren und mediolateralen Verhältnisses [10]. Die große Variation zwischen medialem und posteriorem condylaeren Offset kann mit „Stangen“-Prothesen nicht entsprechend versorgt werden und zu MidFlexions-Instabilitäten führen [11]. Es ist sehr deutlich, dass speziell größere Patienten Implantate erhalten, die in der mediolateralen Dimension zu schmal und in der anteroposterioren Dimension zu klein sind [10].

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5