Übersichtsarbeiten - OUP 01/2015

Exergames in der orthopädisch- unfallchirurgischen Rehabilitation

Insgesamt führten die Patienten pro 2 Minuten Spielzeit im Mittel ca. 25 Knie- bzw. Hüftflexionen > 10° pro Bein durch. Bei der Analyse der Hüftflexionswinkel zeigten die Hüft-TEP-Patienten keine Hüftgelenkwinkel mit mehr als 90°-Flexion, die meisten Hüftbeugungen lagen im Bereich zwischen 30° und 60°. Generell fielen keine Unterschiede in den Flexionswerten zwischen operierter und nicht-operierter Seite auf und die beobachteten Hüftflexionen unterschieden sich nicht merklich in Anzahl und Ausmaß zwischen den einzelnen Patienten (Abb. 3).

Bei den Knie-TEP-Patienten konnten hingegen deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Patienten festgestellt werden (Abb. 4). Die maximalen Knieflexionswerte reichten von > 110° bei einem Patienten bis zu < 60° bei anderen. Auffällig bei allen Patienten war, dass die nicht-operierte Seite deutlich höhere Flexionswerte erreichte als die operierte. Vier der beobachteten Patienten flektierten ihr operiertes Kniegelenk kaum mehr als 20°.

Auf die Frage, ob das Spiel in die Rehabilitation integriert werden solle, antworteten 43 der 44 Probanden mit ja. In ihrem momentanen Zustand, ca. 4 Wochen nach Gelenkersatz, gaben die Patienten an, das Exergame Bowling für 28 ± 14 Minuten spielen zu können, die Extremwerte reichten jedoch von 5–60 min.

Auf der 10er-Skala stimmten die Patienten der Frage, ob ihnen das Spiel gefallen hat, mit einem Median von 9 (8; 10) (Median [95 %-Konfidenzintervall]) sowie der Frage, ob das Spiel sie motiviert hat sich zu bewegen, mit 9 (9; 10) voll zu (Abb. 5). Die Patienten gaben weiterhin an, sich während des Spielens mental entspannen zu können (8,5 [7,5; 9,5], Abb. 6) und von der Krankheit abgelenkt zu sein (10 [7,5; 10], Abb. 5).

Die Patienten gaben mehrheitlich an, keine Bewegungen durchgeführt zu haben, die sie sich sonst nicht trauen (1,5 [0,5; 2]). Allerdings stimmten sie den Aussagen voll zu, während des Spielens Angst vor Bewegungen gehabt zu haben, die ihren Therapieerfolg verschlechtern bzw. behindern (10 [10, 10]) sowie generell Berührungsängste gegenüber digitalen Therapiemethoden zu haben (10 [10, 10]), s. Abb. 5 und 6).

Die Patienten hatten das Gefühl, mit Hilfe des Spiels ihre Standstabilität trainiert zu haben (8 [6,5; 9,5], Abb. 6) ohne jedoch das Intensitätsniveau der herkömmlichen Therapie zu überschreiten. Eine Belastung im unteren Drittel der Borg-Skala von 9 [7; 9] zeigt ebenfalls, dass die Patienten sich durch das Spiel nur mäßig belastet fühlten.

Diskussion

Ziel der vorliegenden Studienreihe war es, exemplarisch am Exergame Bowling die Eignung des Spiels für die orthopädische Therapie nach Hüft- oder Kniegelenkersatz zu ermitteln. Wir schließen aus unseren Ergebnissen, dass Bowling für den Einsatz in der orthopädischen Rehabilitation gut geeignet ist, denn die Bewegungsanalysestudie zeigte ein therapierelevantes, aber gefahrloses Bewegungsprofil beim Spielen des Exergames auf. Die Patienten führten innerhalb von 2 Minuten Bowling pro Bein ca. 25 therapierelevante Hüft- und Knieflexionen durch, die unterhalb der Bewegungsamplituden bleiben, die als risikoreich einzuschätzen sind. Dadurch konnten wir zeigen, dass das Exergame Bowling eine hohe Dichte an therapeutisch wirksamen Reizen setzen konnte und die Patienten quasi nebenbei bereits nach kurzer Spielzeit ihre Beinstreckerkette adäquat exzentrisch (abbremsend) und konzentrisch (streckend) beanspruchten. Zusätzlich zur Kräftigung der Beinstreckerkette wird bei jedem Ausfallschritt durch die Reduzierung der seitlichen Unterstützungsfläche die dynamische laterale Stabilisierung und somit die Koordination trainiert. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die hohe Anzahl von Ausfallschritten auch zu Überlastung führen kann, daher muss der betreuende Therapeut oder eventuell in zukünftigen therapiespezifischen Exergames das Spiel vor Überbelastung schützen. Einen Schutzmechanismus nutzten die Patienten bereits instinktiv: insbesondere Knie-TEP-Patienten zeigten sehr individuelle Gelenkwinkelausmaße und blieben damit jeweils in dem für sie angemessenen Gelenkwinkelbereichen.

Das 2. Ziel der Studienreihe bezog sich auf die Akzeptanz und Motivation von älteren Patienten nach totalendoprothetischem Gelenkersatz gegenüber Exergames innerhalb ihrer Anschlussheilbehandlung. Wir konnten zeigen, dass orthopädische Patienten mit einem Altersdurchschnitt von > 60 Jahren Exergames in der Rehabilitation sehr positiv gegenüber eingestellt sind. Die Patienten gaben zu 97 % an, dass sie das Exergame Bowling in die Therapie einbinden würden, sie fühlten sich durch das Spiel motiviert sich zu bewegen und erfuhren eine Ablenkung von ihrer Krankheit. Diese Ergebnisse sind im Einklang mit einer Reihe von Studien an unterschiedlichen Patientengruppen sowie institutionalisierten Senioren [10, 11, 20]. Laver et al. [21] schlussfolgerten jedoch als Folge ihrer Untersuchung an Senioren, dass Senioren Exergames nicht generell positiv gegenüberstünden und dass die Anwendung von Exergames daher limitiert sei. Im Rahmen dieser Diskrepanzen geben wir zu bedenken, dass die Bandbreite an Spielformen innerhalb der Exergames enorm groß ist. Bei der Suche nach geeigneten kommerziellen Spielen für den Einsatz in der Rehabilitation mussten wir ebenfalls die Mehrzahl der Spiele als ungeeignet ausschließen. Gründe für den Ausschluss waren vor allem Spiele mit zu schnellen und komplexen Spielabläufen, zu hohen körperlichen Anforderungen sowie zu abstrakten Spielwelten. Das Exergame Bowling konnte hingegen mit einer klaren und den Patienten bekannten Spielidee überzeugen, die Steuerung erwies sich äußerst simpel und bot die Möglichkeit, auch mit eingeschränkten Bewegungsradien erfolgreich zu spielen. Ebenfalls positiv gegenüber anderen bereits erhältlichen Exergames, die speziell für die Therapie entwickelt wurden, wirkt das Bowlingspiel nicht offensichtlich wie ein Therapiespiel und ermöglicht daher vermutlich eine bessere Ablenkung von der Krankheit. Dennoch besteht unserer Ansicht nach ein Bedarf an neuen Exergames, die speziell für die Therapie entwickelt wurden, um den individuellen Patientenbedürfnissen gerecht zu werden.

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