Originalarbeiten - OUP 09/2012

Fehler, Gefahren und Praxistipps bei Operationen der Kleinzehen
Risks, pitfalls and tips concerning operations of small toes

H.W. Staudte1, C. Holland1, B. Weber1

Zusammenfassung

Es wird über Behandlungsfehler bei Vorfußopera-
tionen, speziell Krallen- und Hammerzeh-Operationen
berichtet, wie sie von der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein festgestellt wurden. Diese machen fast 2% aller Patientenbeschwerden aus, die bei der Gutachterkommission zur Überprüfung beantragt wurden (Gesamtzahl 7047, Zeitraum 1.01. 2006 bis 31.12. 2010).

Der Anteil von Behandlungsfehlern bei Vorfußoperationen war 34%. 47 Fälle wurden bemängelt: 20 Fälle aufgrund präoperativer Fehler, 16 Fälle bei fehlerhafter Wahl des Operationsverfahrens, 30 Fälle aufgrund technischer Fehler
während der Operation und 28 Fälle wegen unzureichender postoperativer Betreuung. In 4 Fällen wurde die unzureichende Aufklärung über Behandlungsalternativen beanstandet.

Anhand von 3 Beispielen werden Sachverhalte und Beurteilungen dargestellt. Abschließend werden einige Punkte zur Vermeidung von Behandlungsfehlern diskutiert.

Schlüsselwörter: Krallenzehoperationen, Gutachterkommission, Behandlungsfehler, Praxis-Tipps

Summary

Malpractice occuring with hammertoe-/clawtoe-operations are reviewd as judged by the the Expert Commitee for Medical Malpractice Claims of the Medical Association of North Rhine. Small toe-operations come to nearly 2% of all patient complaints brought to the Gutachterkommission (Total number of complaints 7047 between 1.01.2006 to 31.12.2010).

The rate of mistakes of smalltoe-operations was 34%. 47 cases were critizied. 20 cases due to preoperative mistakes. 16 cases due to the choice of the procedure. 30 cases due to technical failures of the operation. 28 cases were judeged to have been cared insufficiently during the postoperative period. In 4 cases information was not properly given to obtain consent. 3 illustrative examples were presented. Some points were made to avoid the most common pitfalls.

Keywords: small toe operations, malpractice claims, rate of mistakes, pitfalls, tips

Einleitung

Der folgende Beitrag entstand aus der Sichtung begutachteter Behandlungsfehlervorwürfe durch die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein bei Vorfußoperationen, hier speziell von Eingriffen an den Zehen II bis IV. Vorwürfe zu Vorfußoperationen betrafen knapp 2% aller Begutachtungsfälle der Abschlussjahre 2006–2010. Obwohl dieser Prozentwert gering erscheint, handelt es sich doch bei den Vorfußoperationen um typische, regelmäßig wiederkehrende Vorwürfe, die der Kommission zur Prüfung vorgelegt werden. Zum Vergleich liegt der Anteil vorgeworfener Behandlungsfehler bei Hüftendoprothesen mit 3,7% nur knapp doppelt so hoch.Dieser Beitrag bezieht sich nur auf Eingriffe an den Zehen selbst, nicht auf Osteotomien der Mittelfußknochen. Am häufigsten wurde fehlerhaft die Deformität nicht ausreichend beseitigt, vielfach aufgrund einer nicht befundangemessenen Verfahrenswahl infolge unsorgfältiger präoperativer Diagnostik. Auch postoperativ mussten vielfach Mängel bei der klinischen und röntgenologischen Befunderhebung festgestellt werden, die zur Verlängerung des Heilverlaufs führten. Zur Sicherung des Heilerfolges fehlte es häufiger an einer Sicherheitsaufklärung, insbesondere in Hinblick auf das Erfordernis der Nachbehandlung, sodass primär gute Ergebnisse oft nicht gehalten werden konnten und eine Revisionsoperation erforderten. Dokumentationslücken zeigten sich in einem Siebtel der ausgewerteten Verfahren und hatten ihren Anteil an nicht optimalen Ergebnissen der Operationen, auch wenn nicht immer Behandlungsfehler festzustellen waren. Insbesondere fehlte es häufig an einer Auseinandersetzung mit konservativen Behandlungsalternativen und den individuellen Anforderungen und Wünschen des Patienten.

Fehlerfeststellungen

Behandlungsfehler wurden in 47 von 123 überprüften Verfahren mit Vorwürfen zu Eingriffen am Vorfuß festgestellt (s. Tab.1). In 4 Verfahren, in denen auch die Kleinzehen operativ angegangen wurden, wurden nur Fehler beim Großzeheneingriff gemacht. Insgesamt lagen bei 17 Eingriffen an den Kleinzehen Behandlungsfehler vor. Im Durchschnitt fanden sich 2,0 Einzelfehler (jeweils in Klammern die Einzelfehler für die Eingriffe an den kleinen Zehen, s. Tab. 2):

Präoperative Fehler ergaben sich in 20 Verfahren (5): 11-mal (2) war die dokumentierte Anamnese- und Befunderhebung des Fußes nicht ausreichend, 6-mal (1) wurde eine gebotene präoperative Röntgenaufnahme unterlassen oder war zur Beurteilung der Deformität ungeeignet. Eine Indikation für den durchgeführten Eingriff lag 8-mal (2) nicht vor, darunter einmal aufgrund einer präoperativ – in Ermangelung der Prüfung – nicht erkannten fortgeschrittenen pAVK.

Fehler bei der technischen Durchführung der Operationen (30, davon 15 an den kleinen Zehen, ) wurden am häufigsten festgestellt. Allein bei 24 Patienten (14) wurde die vorliegenden krankhaften Befunde nicht bzw. nur teilweise beseitigt. Weitere technische Fehler waren 4-mal (1) die unzulängliche Schraubenlänge, je einmal die unbemerkte Durchtrennung der langen Strecksehne und die versäumte Sogfreigebung der eingelegten Drainage. Ein ausreichender OP-Bericht konnte 3-mal nicht vorgelegt werden. Bei 16 Patienten (5) war die gewählte Operationsmethode nicht befundangemessen oder ungeeignet.

Die postoperative Betreuung wurde in 28 Verfahren (9) von den Gutachtern als unzureichend angesehen, darunter fehlte es 10-mal (4) an einer Sicherungsaufklärung, beispielsweise über das Erfordernis einer Nachbehandlung oder den fehlenden Erfolg des Eingriffs; 6-mal (3) waren die Röntgenkontrollen unzulänglich/verspätet oder wurden unterlassen, 6-mal (2) wurde eine adäquate Nachbehandlung zur Sicherung des OP-Ergebnisses versäumt, 4-mal (1) wurden die postoperativen Befunde/Beschwerden nicht ausreichend gewürdigt, 4-mal (1) erfolgte ein unzulängliches Infektmanagement, 3-mal (1) wurde eine Revisions-OP nicht zeitgerecht veranlasst und 3-mal (2) nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Bei 3 Patienten erfolgte die Materialentfernung verfrüht. Über bestehende Behandlungsalternativen wurden 4 Patienten nicht aufgeklärt.

Mängel der Risikoaufklärung wurden von knapp einem Viertel der Patienten beklagt (29; 13) (s.Tab. 3). Versäumnisse wurden 5-mal (2) festgestellt, darunter 2-mal bei ansonsten sachgerechter Behandlung mit der Folge der Haftung für alle Folgen des rechtswidrigen Eingriffs. Dokumentationslücken wurden in insgesamt 17 (7) Verfahren von den Gutachtern festgestellt (13,8%), darunter in 10 (3) Verfahren mit bejahten Behandlungsfehlern.

Aber auch wenn ein Behandlungsfehler nicht festgestellt wurde, ergaben sich in den vorgelegten ärztlichen Dokumentationen doch zahlreiche „Schwachstellen“, die Ursachen waren für nicht optimale Ergebnisse der Operationen: Unsicherheiten in Definition und Benennung der Deformität, fehlende Sorgfalt in der klinischen und röntgenologischen Untersuchung und der Ursachenergründung, fehlende Auseinandersetzung mit konservativen Behandlungsalternativen und den individuellen Wünschen des Patienten, Unsicherheiten in der Wahl des zweckmäßigsten operativen Verfahrens (besonders das Problem des Spickdrahtes betreffend) und mangelnde Konsequenz, ein primär gutes Ergebnis durch bestmögliche Nachbehandlung zu sichern.

Für die nachfolgenden Ausführungen wurden bewusst nur allgemein zugängliche Übersichtsfachbücher und -beiträge verwandt.

Zum Begriff der
Kleinzehendefomierung

Die Nomenklatur der Zehenfehlstellungen ist leider nicht eindeutig [1, 2, 6, 8, 10]. Sowohl bei der Hammerzehe wie bei der Krallenzehe besteht eine noch flexible, teilkontrakte oder kontrakte Überstreckung im Grundgelenk (MTP-Gelenk). Im Allgemeinen wird unter einer Hammerzehe eine Fehlstellung mit Beugung im Mittelgelenk (PIP-Gelenk) oder im Endgelenk (DIP-Gelenk) verstanden. Hammerzehen haben mit der Kuppe noch Bodenkontakt. Die Krallenzehe ist dadurch definiert, dass sie bei einer Beugungstellung sowohl im PIP wie im DIP mit der Zehenkuppe ihren Bodenkontakt verloren hat, dabei besteht immer eine teilkontrakte oder völlig kontrakte Überstreckung im MTP-Gelenk. Die fixierte Beugefehlstellung nur im Endgelenk (DIP) wird auch als Mallet-Zehe bezeichnet [8].

Häufig wird diese Differenzierung jedoch nicht genügend sorgfältig beachtet und nur eine „Deformierung“ genannt. Deshalb ist die Beschreibung des klinischen Befundes dann entscheidend.

Ursachen

Viele Deformierungen der kleinen Zehen, besonders der zweiten und dritten, entstehen begleitend zu einem Spreizfuß oder einem Hallux valgus [3, 4, 6, 9]. Die in Valgusstellung und Pronation geratene Großzehe schiebt sich unter oder über die Nachbarzehen. Krallenzehen können auch isoliert vorkommen und sind meist Folge einer Raumbeengung im Schuh, wenn die zweite Zehe länger als die erste Zehe ist (griechische Fußform). Kleinzehendeformitäten können Ausdruck der Insuffizienz des ersten Strahles sein, weil sie durch eine vermehrte Flexorenaktivität dessen mangelnde Stabilität kompensieren müssen. Sie kommen auch beim Ballenhohlfuß vor, wenn durch die Steilstellung der Mittelfußstrahlen und die dadurch vermehrte Belastung der Mittelfußköpfchen nur durch die Beugestellung der Mittelgelenke ein Bodenkontakt hergestellt werden kann. In seltenen Fällen sind neuromuskuläre Erkrankungen die Ursache für die Ausbildung von Krallenzehen.

Anfänglich ist die Fehlstellung in den einzelnen Gelenken noch flexibel. Die Unterscheidung, ob die Fehlstellung noch flexibel ist oder es zu einer kontrakten Fehlstellung gekommen ist, muss durch eine subtile Untersuchung abgeklärt werden.

1. Fallbeispiel

Die 49-jährige Patientin wurde an den 3 mittleren Zehen des linken Fußes operiert, weil sie seit ca. einem Jahr bei Hammerzehen durch den Schuhdruck Schmerzen hatte. Eine konservative Behandlung mit Einlagen war vorangegangen. Die behandelnde Ärztin wählte die Operation nach Hohmann (Resektionsarthroplastik) der Zehen II-IV, wobei sie auf eine Fixierung mit einem Kirschner-Draht verzichtete. Dies war schon in der präoperativen Risikoaufklärung als nicht notwendig dokumentiert worden.

Im Operationsbericht wurde beschrieben, wie die Strecksehnen in Längsrichtung gespalten und das Mittelgelenk unter Ablösung der Kapsel vom Grundgliedköpfchen dargestellt wurde. Es sei dann vom Grundgliedköpfchen jeweils ca. 2 cm mittels einer Knochenzange mit sauberen Resektionsgrenzen abgetrennt worden. Anschließend erfolgten eine Kapselnaht und Naht der Sehne.

Die postoperative Versorgung wurde mit einem weichen elastischen Verband ohne Fixierung durchgeführt. Hinweise auf die Verwendung eines Vorfußentlastungsschuhes wurden nicht gegeben. Auch wurde nicht mitgeteilt, wie zu belasten sei. Ca. 10 Wochen nach der Operation fanden sich reizlose Verhältnisse und eine leichte Restschwellung. 8 Monate nach der Operation fand sich eine Verdrehung der Zehe II im Endglied, wobei sie länger als die Zehe I war, zusätzlich wurde eine überschießende Kallusbildung erwähnt.

Die postoperativen Röntgenaufnahmen zeigten einen negativen Metatarsale-Index mit Verkürzung des ersten Strahles gegenüber dem II. bis V. Strahl. Bei den Zehen II und III waren Teile des Grundgliedköpfchens noch vorhanden, bei der Zehe IV wurde das Grundglied halbiert. An der II. und III. Zehe war ein überschießender Kallus vorhanden. An allen drei Zehen war die Hammerzeh-Fehlform wieder erneut aufgetreten. Postoperativ angefertigte Fotos zeigten einen Hochstand der IV. Zehe, wobei die V. Kleinzehe teilweise unter der IV. Zehe zu liegen kam. Die Zehen II und III waren im Mittel- und Endglied leicht gekrümmt, die II. Zehe wich insgesamt leicht zum Fußaußenrand hin ab.

In der gutachtlichen Beurteilung durch die Kommission wurde beanstandet, dass die Dokumentation keine Angaben zu den geklagten Beschwerden, zum klinischen Befund und den Funktionsprüfungen enthält. Auch wurden präoperativ keine Röntgenaufnahmen angefertigt. Die Angabe im OP-Bericht, dass ca. 2 cm an den Grundgliedern gekürzt wurde, wurde als nicht zutreffend angesehen, dies hätte mehr als die hälftige Entfernung der Grundglieder bedeutet. Die Resektion führte nicht zu einer harmonischen Länge der mittleren Kleinzehen. Weiter wurde beanstandet, dass keine Kirschnerdrähte eingebracht wurden, speziell, weil 3 benachbarte Kleinzehen operiert wurden. Dadurch war die stabile Ausheilung der in den Mittelgelenken operierten Fehlstellung erheblich beeinträchtigt.

Weil keine Kirschnerdrähte verwendet wurden, wäre allerdings eine sehr sorgfältige Nachbehandlung mit geeigneten redressierenden Verbänden erforderlich gewesen, um die Korrekturstellung in der Heilungs- und Vernarbungphase zu halten. Dies war der Dokumentation ebenfalls nicht zu entnehmen.

Zusammenfassend war festzustellen, dass bei einem Vorliegen von Hammerzehen II-IV wahrscheinlich der Eingriff nach Hohmann wohl richtig indiziert war, auch wenn dies wegen fehlender Dokumentation präoperativer klinischer und röntgenologischer Untersuchungen nicht sicher nachvollzogen werden konnte. Fehlerhaft war an den Zehen II und III eine zu geringe Resektion am Grundglied-Köpfchen durchgeführt worden, die Resektion an der IV. Zehe hingegen zu ausgiebig. Das Ergebnis hätte durch eine Kirschnerdrahtfixierung oder durch eine besonders sorgfältige Nachbehandlung deutlich verbessert werden können. Der entstandene Schaden liegt in der Notwendigkeit einer Korrektur-Operation.

2. Fallbeispiel

Die 46-jährige Patientin klagte über eine Hammerzehe II. Nach Risikoaufklärung wurde eine Resektionsarthroplastik nach Hohmann durchgeführt. Bei der Operation wurde nach übermäßiger Resektion des Grundgliedesköpfchens unter Mitnahme eines Teils des Schaftes des Grundgliedes eine instabile Situation geschaffen, die so belassen wurde. Eine geeignete Fixierung zum Beispiel mit einem Kirschnerdraht erfolgte nicht. Es entstand eine Fehlstellung um ca. 30° nach lateral und plantar. Eine Korrekturoperation wurde erforderlich. Die spätere Entwicklung von Krallenzehen III und IV wurde allerdings nicht auf das Fehlergebnis an der Zehe II zurückgeführt.

3. Fallbeispiel

Die 69-jährige Patientin wurde wegen einer Hammerzehe II operiert. Es wurden das Köpfchen des Grundgliedes reseziert und die Knorpelfläche der Basis des Mittelgliedes entfernt. Es erfolgte eine Fixierung des Mittelgelenkes mit einem Kirschnerdraht von 1,3 mm Dicke. Dieser Kirschnerdraht wurde allerdings noch durch das Grundgelenk hindurch in den Schaft des zweiten Mittelfußknochens eingebracht, den er plantarwärts deutlich perforierte.

In der Folge kam es zu einem Bruch des Kirschnerdrahtes im Grundgelenk, ein Umstand, welcher bei der Metallentfernung nicht beachtet wurde. Es musste daher eine zweite Operation mit Freilegung des Intermetatarsaleraumes II/III durchgeführt werden, um den Rest des Kirschnerdrahtes zu entfernen.

Als Behandlungsfehler wurde von der Gutachterkommission das Übersehen des Bruches des Kirschnerdrahtes angesehen.

Mit der Frage, ob eine Indikation zur überbrückenden Fixierung des Grundgelenkes überhaupt vorlag, hat sich der Gutachter nicht befasst. Nach Auffassung der fachärztlichen Autoren sollte man ein gesundes Gelenk nicht mittels Spickdraht durchbohren, wenn das Gelenk nicht auf irgend eine Art und Weise instabil ist.

Aus Fehlern lernen

Leidensdruck erfassen,
Patientenerwartung einschätzen

Anamnese: Worüber klagt der Patient? Wobei treten die Beschwerden auf? Alltäglich, nur im Beruf, beim Sport oder ausschließlich beim Tragen von besonders modischem Schuhwerk? Wie wurde bisher behandelt? Welches Schuhwerk wird vorwiegend getragen? Ist eine Umstellung möglich? Stellt eine beschwerdefreie Deformierung nur ein ästhetisches Problem dar?

Untersuchung: Die klinische Untersuchung umfasst grundsätzlich – auch wenn nur eine einzelne Kleinzehendeformierung auffällt – die gesamte untere Extremität in Hinblick auf eine Beinachsenfehlstellung, die Stellung des Rückfußes, die Beurteilung des Fußes unter Belastung im Stand und unter der Bewegung beim Gehen sowie die Untersuchung des entlasteten Fußes. Die Untersuchung dient der Analyse der Ursache der Zehendeformierung.

Der Hautmantel ist auf Beschwielung und Druckstellen zu untersuchen.

Mit dem Push-up-Test wird die Stabilität der Kleinzehen im Grundgelenk durch sohlenseitigem Druck hinter den Mittelfußköpfchen überprüft [2, 8, 10]: Lässt sich ein Quergewölbe formen und gleicht sich die Beugefehlstellung im Zehenmittelgelenk (PIP Gelenk) aus, so handelt es sich um eine flexible Hammer/Krallenzehe. Bleibt die Beugefehlstellung vom Mittelgelenk unverändert bestehen, liegt eine kontrakte Fehlstellung vor. Die gleiche Prüfung lässt die Beurteilung der Situation im Grundgelenk zu, das sich ohne tastbare Stufenbildung gleichfalls noch beugen lassen sollte.

Ein Nerven- und Gefäß-Status ist erforderlich. Präoperativ Röntgenuntersuchung des ganzen Fußes in 2 Ebenen unter Belastung.

Und nicht zu vergessen: Mit was für Schuhen kommt der Patient zur Untersuchung?

Konservative Therapie: Nach einer Befragung des Patienten zu seinen individuellen beruflichen und sportlichen Bedürfnissen und Wünschen und der Beratung über zweckmäßiges Schuhwerk besteht die konservative Therapie in einer Druckreduktion über dem dorsalen Anteil des kontrakten Gelenkes. Hierfür sind vorgeformte Schaumstoffpolster erhältlich und sogenannte Toe-alignement-Schienchen für die Nacht. Auch Schuhwerk mit weichem Oberleder kann Erleichterung bringen. Die Einlagenversorgung mit einer retrokapitalen Pelotte kann bei flexiblen Krallenzehen zur Stellungskorrektur und zur Schmerzreduktion führen, unter Umständen sind Schuhzurichtungen sinnvoll. Über alle Möglichkeiten konservativer Maßnahmen muss der Patient informiert werden wie auch zur Selbsthilfe durch Dehnungsmaßnahmen und aktive Übungen nach Einweisung.

Operationsindikation: Die Spreizfußdeformierung ist außerordentlich häufig, verursacht aber dem Leistungssportler meist keine Beschwerden, wohl aber dem inaktiven alten Menschen [9]. Nicht die Deformierung stellt deshalb eine Indikation zur Operation dar, sondern der beschwerdenbehaftete Fuß nach Ausschöpfung aller konservativen Möglichkeiten. Die Operationsplanung wird hauptsächlich vom klinischen Befund bestimmt, muss aber auch die individuell sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Patienten berücksichtigen.

Realistische OP-Ziele
aufstellen

Operationsplanung

Konventionelle Röntgenaufnahmen des belasteten Fußes im normalen Stand sind zur Planung der Operation zwar noch nicht die Regel, aber im Grunde Voraussetzung für eine optimale Operationsplanung. Bei der a.-p.-Aufnahme ist der Zentralstrahl auf den Mittelfuß zu zentrieren. Die Aufnahme im seitlichen Strahlengang muss den gesamten Fuß abbilden. Beurteilt wird am 2.–5. Strahl der Zustand der Grundgelenke: Die Gelenkkongruenz, Hinweise auf eine Subluxation/Luxation sowie der Metatarsal-Index.

Aufklärung über Risiken und Nachbehandlung

Über folgende Risiken ist aufzuklären: Postoperative Schwellung, Wundheilungsstörung und Infektion mit der Notwendigkeit weiterer Eingriffe, Bewegungseinschränkung, Sensibilitätsstörungen, das Rezidiv mit erneuter Fehlstellung, fehlender Bodenkontakt der Zehenkuppe, Metatarsalgie, hypertrophe Narben, Pseudarthrosen nach Arthrodese, chronisch-regionales Schmerz-Syndrom.

Im Sinne der Sicherungsaufklärung ist unbedingt hinzuweisen auf die Notwendigkeit einer konsequenten mehrwöchigen aktiven und/oder passiven Nachbehandlung je nach den Erfordernissen des durchgeführten Eingriffes und auf die Notwendigkeit, adäquates Schuhwerk zu tragen.

-> OP-Erfolg abhängig von aktiver Mitarbeit und Nachbehandlung

Verfahrenswahl begründen

Operative Möglichkeiten –
das K-Draht-Problem

Für die Kleinzehenmittelgelenke ist die manuelle Ausgleichbarkeit der Beugefehlstellung ein Hinweis, dass ein Weichteileingriff (zum Beispiel Transfer der M. digitorum longus-Sehne) ausreichen könnte (Operation nach Girdlestone-Taylor [5]). Wichtig ist die Berücksichtigung der resultierenden Länge der Kleinzehe nach der Operation, die sich den Nachbarzehen angleichen sollte, weil sonst die Gefahr des Rezidives gegeben ist.

Bei flexiblen Fehlstellungen im Grundgelenk mit Redressierbarkeit im Mittelgelenk ist die Möglichkeit der alleinigen dorsalen Releaseoperation am Grundgelenk zu erwägen.

Bei kontrakter Fehlstellung empfiehlt sich die Arthrodese/Resektionsarthroplastik des Zehenmittelgelenkes. Dabei sollte die Hautinzision über dem Kleinzehenmittelgelenk so gelegt werden, dass gegebenenfalls die Entfernung einer vorhandenen Schwiele möglich wird. Das Ausmaß der Entfernung des Grundgliedköpfchens ist abhängig vom Ausmaß der Kontraktur und von der angestrebten Zehenlänge.

Beim Anlegen einer Arthrodese wird zusätzlich noch die Basis des Mittelgliedes vom Knorpel befreit und eine Stabilisierung mit einem axial geführten Kirschnerdraht durchgeführt [7]. Die proximale Spitze des Kirschnerdrahtes sollte in der Basis des Grundgliedes verankert werden und nicht das Grundgelenk tangieren. Eine weiterführende Fixierung durch das Grundgelenk hindurch in das Metatarsale kann nur bei einem zusätzlichen Eingriff – Arthrolyse des Grundgelenkes – erforderlich werden. Der Draht sollte dann nicht sohlenseitig aus dem Metatarsale austreten, sondern im Knochen liegen.

Nach einem Eingriff am Mittelgelenk wird die Extensoraponeurose wieder adaptiert und das Ergebnis bezüglich der Länge und Zuordnung der Teile kontrolliert, bei einer Arthrodese müssen die Resektionsflächen Kontakt haben. Um dies zu erreichen, sollte gegebenenfalls noch eine zusätzliche Naht gelegt werden, proximal durch ein Bohrloch des Grundgliedstumpfes geführt, distal durch den Kapselsehnenansatz an der Basis des Mittelgliedes. Mit dem verbleibenden Smart-toe-Implantat zur Fixierung des Mittelgelenkes für eine Arthrodese bestehen noch keine allgemeinen Erfahrungen (das Implantat erhöht die Kosten).

Das unmittelbare Operationsergebnis sollte röntgenologisch dokumentiert werden.

Nachbehandlung
sicherstellen

Postoperative Behandlung

Zur Nachbehandlung müssen die operierten Zehen in korrigierter Stellung mithilfe eines Redressionsverbandes locker fixiert werden. Eine Hochlagerung ist wichtig und sollte möglichst häufig erfolgen. Der Verband sollte befundabhängig ab dem 2. postoperativen Tag in regelmäßigen Abständen (alle 2–4 Tage) bis zum Entfernen des Nahtmaterials gewechselt werden. Auch nach Entfernung des Nahtmaterials ist das Anlegen eines Redressionsverbandes bis zur 12. postoperativen Woche empfehlenswert, um die Zehe in der korrigierten Stellung zu halten. Schienchen zur Nacht können hilfreich sein, der Patient sollte in Umlagerungsübungen und aktive und passive eigentätige Bewegungsübungen eingewiesen sein. Dies macht eine stabile Versorgung der Arthrodese/Resektionsarthroplastik auch möglich. Ein Entlastungsschuh für den Vorfuß zur Teil- oder Vollbelastung ist empfehlenswert. Dabei ist aber die Passgenauigkeit der Hilfsmittel zu überprüfen und der Patient in den Gebrauch einzuweisen. Im Bedarfsfall ist Physiotherapie zu verordnen.

Die Entfernung eines eingeführten Kirschnerdrahtes ist abhängig vom durchgeführten Eingriff und der Situation an seiner Austrittsstelle an der Zehenkuppe. Versenkte Drähte bei einer Arthrodese sollten nicht vor Ablauf der 12. postoperativen Woche entfernt werden.

Hier muss besonders auch auf eine gute Information an den nachbehandelnden Kollegen hingewiesen werden (Sicherungsaufklärung).

Schlussfolgerungen

Eingriffe bei einer Hammer-/Krallenzehe gelten oft als eher kleine und nicht besonders schwierige Operationen. Das ist sicher eine falsche Auffassung. Zehen sollten mit der gleichen Sorgfalt wie Finger operiert werden. Der Erfolg mit einem möglichst optimalem Ergebnis ist nur zu erreichen, wenn die grundsätzlichen Voraussetzungen beachtet werden:

Dazu gehören die Anamnese zur genauen Klärung der Beschwerden und aller schon durchgeführten konservativen Maßnahmen und die klinische Untersuchung wie eingangs beschrieben. Wenn eine Operation durchgeführt werden soll, ist eine einfache Röntgenaufnahme in 2 Ebenen unter Belastung des Fußes erforderlich. Die gesamte Dokumentation sollte dann die getroffene Entscheidung zu einem Weichteileingriff oder einer Resektionsarthroplastik/Arthrodese nachvollziehen lassen. Bei Resektion des Grundgliedköpfchens sind die Längenverhältnisse der Zehen zu beachten. Eine geeignete Fixierung der Stellung des operierten Gelenkes ist erforderlich. Die Verwendung von Kirschnerdrähten hat sich bewährt. Alternativ ist die engmaschige Nachbehandlung mit redressierenden Verbänden unerlässlich. Die Verwendung eines Vorfuß-Entlastungsschuhs mit frühfunktioneller Nachbehandlung nach Einweisung des Patienten ist empfehlenswert.

Zwar gehören Misserfolge und Rezidive gerade bei den Vorfußoperationen zu den typischen Risiken. Die Ergebnisse werden vielfach auch durch die Uneinsichtigkeit des Patienten in Hinblick auf sein Schuhwerk negativ beeinflusst. Die Unzufriedenheit des Patienten darf jedoch nicht durch unsorgfältiges Vorgehen des Arztes begünstigt werden. Eine gute Patientenführung und Kommunikation eingetretener Komplikationen dient hier nicht nur dem weiteren Erfolg der Behandlung, sondern auch der Verbesserung des Arzt-Patienten-Verhältnisses unter Vermeidung haftungsrechtlicher Auseinandersetzungen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Hans Walter Staudte

Neue Furth 28

52146 Würselen

Prof.Staudte@ambreha-mzkac.de

Literatur

1. Jerosch J, Heisel J, Operative Therapie von Fuß und Sprunggelenk. Köln, Deutscher Ärzte-Verlag, 2009

2. Fuhrmann RA, Differentialdiagnose und Therapie der Metatarsalgie. Orth Mitteil 2002; 4: 229–233.

3. Helal B, Die Osteotomie der kleinen Metatarsalia. Orthopäde 1996; 25: 345–348.

4. Barouk LS, Die Metatarsalosteotomie nach Weil zur Behandlung der Metatarsalgie. Orthopäde 1996; 25: 338–344.

5. Vitek M, Die sichere Refixation der transferierten Flexor-digitorum-longus-Sehne mit einer Interferenzschraube bei der Korrektur von flexiblen Hammerzehen. Orthop Prax 2011; 47: 181–185.

6. Debrunner AM, Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Stuttgart, Verlag Hans Huber, 2005

7. Wülker N, Stephens M, Cracchiolo A, Operationsatlas Fuß- und Sprunggelenk, Sturrgart, Enke Verlag,1998

8. Sabo D, Vorfußchirurgie. Heidelberg, Springer Verlag, 2010

9. Grifka J, Perlick L, Spreizfuß und Metatarsalgie – konservative und operative Therapie. In: Imhoff AB: Fortbildung Orthopädie Band 4: Fuß. Heidelberg, Steinkopff Verlag 2000

10. Fuhrmann RA: Degenerative Erkrankungen des Vorfußes – Hallux valgus und Kleinzehendeformitäten. Orthop Unfallchir up2date 1/2006

Fussnoten

1Gutachterkommission Nordrhein, Düsseldorf

DOI 10.3238/oup.2012.0344–0350

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