Originalarbeiten - OUP 09/2012

Fehler, Gefahren und Praxistipps bei Operationen der Kleinzehen
Risks, pitfalls and tips concerning operations of small toes

Aber auch wenn ein Behandlungsfehler nicht festgestellt wurde, ergaben sich in den vorgelegten ärztlichen Dokumentationen doch zahlreiche „Schwachstellen“, die Ursachen waren für nicht optimale Ergebnisse der Operationen: Unsicherheiten in Definition und Benennung der Deformität, fehlende Sorgfalt in der klinischen und röntgenologischen Untersuchung und der Ursachenergründung, fehlende Auseinandersetzung mit konservativen Behandlungsalternativen und den individuellen Wünschen des Patienten, Unsicherheiten in der Wahl des zweckmäßigsten operativen Verfahrens (besonders das Problem des Spickdrahtes betreffend) und mangelnde Konsequenz, ein primär gutes Ergebnis durch bestmögliche Nachbehandlung zu sichern.

Für die nachfolgenden Ausführungen wurden bewusst nur allgemein zugängliche Übersichtsfachbücher und -beiträge verwandt.

Zum Begriff der
Kleinzehendefomierung

Die Nomenklatur der Zehenfehlstellungen ist leider nicht eindeutig [1, 2, 6, 8, 10]. Sowohl bei der Hammerzehe wie bei der Krallenzehe besteht eine noch flexible, teilkontrakte oder kontrakte Überstreckung im Grundgelenk (MTP-Gelenk). Im Allgemeinen wird unter einer Hammerzehe eine Fehlstellung mit Beugung im Mittelgelenk (PIP-Gelenk) oder im Endgelenk (DIP-Gelenk) verstanden. Hammerzehen haben mit der Kuppe noch Bodenkontakt. Die Krallenzehe ist dadurch definiert, dass sie bei einer Beugungstellung sowohl im PIP wie im DIP mit der Zehenkuppe ihren Bodenkontakt verloren hat, dabei besteht immer eine teilkontrakte oder völlig kontrakte Überstreckung im MTP-Gelenk. Die fixierte Beugefehlstellung nur im Endgelenk (DIP) wird auch als Mallet-Zehe bezeichnet [8].

Häufig wird diese Differenzierung jedoch nicht genügend sorgfältig beachtet und nur eine „Deformierung“ genannt. Deshalb ist die Beschreibung des klinischen Befundes dann entscheidend.

Ursachen

Viele Deformierungen der kleinen Zehen, besonders der zweiten und dritten, entstehen begleitend zu einem Spreizfuß oder einem Hallux valgus [3, 4, 6, 9]. Die in Valgusstellung und Pronation geratene Großzehe schiebt sich unter oder über die Nachbarzehen. Krallenzehen können auch isoliert vorkommen und sind meist Folge einer Raumbeengung im Schuh, wenn die zweite Zehe länger als die erste Zehe ist (griechische Fußform). Kleinzehendeformitäten können Ausdruck der Insuffizienz des ersten Strahles sein, weil sie durch eine vermehrte Flexorenaktivität dessen mangelnde Stabilität kompensieren müssen. Sie kommen auch beim Ballenhohlfuß vor, wenn durch die Steilstellung der Mittelfußstrahlen und die dadurch vermehrte Belastung der Mittelfußköpfchen nur durch die Beugestellung der Mittelgelenke ein Bodenkontakt hergestellt werden kann. In seltenen Fällen sind neuromuskuläre Erkrankungen die Ursache für die Ausbildung von Krallenzehen.

Anfänglich ist die Fehlstellung in den einzelnen Gelenken noch flexibel. Die Unterscheidung, ob die Fehlstellung noch flexibel ist oder es zu einer kontrakten Fehlstellung gekommen ist, muss durch eine subtile Untersuchung abgeklärt werden.

1. Fallbeispiel

Die 49-jährige Patientin wurde an den 3 mittleren Zehen des linken Fußes operiert, weil sie seit ca. einem Jahr bei Hammerzehen durch den Schuhdruck Schmerzen hatte. Eine konservative Behandlung mit Einlagen war vorangegangen. Die behandelnde Ärztin wählte die Operation nach Hohmann (Resektionsarthroplastik) der Zehen II-IV, wobei sie auf eine Fixierung mit einem Kirschner-Draht verzichtete. Dies war schon in der präoperativen Risikoaufklärung als nicht notwendig dokumentiert worden.

Im Operationsbericht wurde beschrieben, wie die Strecksehnen in Längsrichtung gespalten und das Mittelgelenk unter Ablösung der Kapsel vom Grundgliedköpfchen dargestellt wurde. Es sei dann vom Grundgliedköpfchen jeweils ca. 2 cm mittels einer Knochenzange mit sauberen Resektionsgrenzen abgetrennt worden. Anschließend erfolgten eine Kapselnaht und Naht der Sehne.

Die postoperative Versorgung wurde mit einem weichen elastischen Verband ohne Fixierung durchgeführt. Hinweise auf die Verwendung eines Vorfußentlastungsschuhes wurden nicht gegeben. Auch wurde nicht mitgeteilt, wie zu belasten sei. Ca. 10 Wochen nach der Operation fanden sich reizlose Verhältnisse und eine leichte Restschwellung. 8 Monate nach der Operation fand sich eine Verdrehung der Zehe II im Endglied, wobei sie länger als die Zehe I war, zusätzlich wurde eine überschießende Kallusbildung erwähnt.

Die postoperativen Röntgenaufnahmen zeigten einen negativen Metatarsale-Index mit Verkürzung des ersten Strahles gegenüber dem II. bis V. Strahl. Bei den Zehen II und III waren Teile des Grundgliedköpfchens noch vorhanden, bei der Zehe IV wurde das Grundglied halbiert. An der II. und III. Zehe war ein überschießender Kallus vorhanden. An allen drei Zehen war die Hammerzeh-Fehlform wieder erneut aufgetreten. Postoperativ angefertigte Fotos zeigten einen Hochstand der IV. Zehe, wobei die V. Kleinzehe teilweise unter der IV. Zehe zu liegen kam. Die Zehen II und III waren im Mittel- und Endglied leicht gekrümmt, die II. Zehe wich insgesamt leicht zum Fußaußenrand hin ab.

In der gutachtlichen Beurteilung durch die Kommission wurde beanstandet, dass die Dokumentation keine Angaben zu den geklagten Beschwerden, zum klinischen Befund und den Funktionsprüfungen enthält. Auch wurden präoperativ keine Röntgenaufnahmen angefertigt. Die Angabe im OP-Bericht, dass ca. 2 cm an den Grundgliedern gekürzt wurde, wurde als nicht zutreffend angesehen, dies hätte mehr als die hälftige Entfernung der Grundglieder bedeutet. Die Resektion führte nicht zu einer harmonischen Länge der mittleren Kleinzehen. Weiter wurde beanstandet, dass keine Kirschnerdrähte eingebracht wurden, speziell, weil 3 benachbarte Kleinzehen operiert wurden. Dadurch war die stabile Ausheilung der in den Mittelgelenken operierten Fehlstellung erheblich beeinträchtigt.

Weil keine Kirschnerdrähte verwendet wurden, wäre allerdings eine sehr sorgfältige Nachbehandlung mit geeigneten redressierenden Verbänden erforderlich gewesen, um die Korrekturstellung in der Heilungs- und Vernarbungphase zu halten. Dies war der Dokumentation ebenfalls nicht zu entnehmen.

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