Originalarbeiten - OUP 05/2013

Frühe geriatrische Mitbehandlung in der Alterstraumatologie
Eine systematische Literaturübersicht und MetaanalyseA systematic review and meta analysis

Mit der vorliegenden Literaturübersicht und Metaanalyse soll der aktuelle wissenschaftliche Stand zum möglichen Nutzen für Patienten mit typisch geriatrischen Frakturen durch eine schon perioperativ begonnene geriatrische Mitbehandlung dargestellt werden.

Methode

Zur Erstellung der vorliegenden Arbeit wurde zunächst von 2 Reviewern eine systematische Literaturübersicht aus der MEDLINE und der Cochrane Library durchgeführt. Anschließend wurde – soweit möglich – eine Metaanalyse zu den verschiedenen Ergebnisparametern vorgenommen. Beides erfolgte in Übereinstimmung mit den Vorgaben des PRISMA Statement (Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses) [11]. Mit den Suchbegriffen: “fragility fracture”, “geriatric fracture”, “osteoporotic fracture”, “hip fracture”, “femur fracture”, “femoral fracture”, “humerus fracture” , “humeral fracture”, “periprosthetic fracture”, oder “vertebral fracture” in Verbindung mit: “multidisciplinary”, “comanagement”, “co-management”, “interdisciplinary”, “comprehensive care” und den Begriffen “ortho-geriatric” und “orthogeriatric” wurde nach Studien gesucht, in denen eine perioperativ begonnene unfallchirurgisch-geriatrische Behandlung alterstraumatologischer Patienten untersucht wurde. Die Einschlusskriterien der Studien wurden anhand der PICOS-Frage (Patientengruppe, Intervention, Kontrollintervention, Outcome, Studiendesign) ausgewählt (Tab. 1) und das Verzerrungspotenzial anhand der Kriterien in Tabelle 3 beurteilt. In einem 2. Schritt wurde zu den in der Literaturübersicht gefundenen Studien eine Metaanalyse mittels Random-effects-Modell durchgeführt.

Ergebnisse

Studienauswahl

Mit Hilfe der oben genannten Suchbegriffe wurden 558 Zitate gefunden, von denen 49 Literaturzitate (39 Originalarbeiten, 10 Reviews), die Einschlusskriterien erfüllten und als Volltext zur Verfügung standen (Abb. 1). Durch Handsuche in den Bibliographien der ausgewählten Originalarbeiten konnten keine weiteren Publikationen identifiziert werden. In allen ausgewählten Literaturzitaten wurden Patienten mit proximaler Femurfraktur untersucht.

Von den gefundenen 39 Originalarbeiten waren 10 randomisiert-kontrollierte Studien (Tab. 3). Bei genauer Betrachtung zeigte sich jedoch, dass die Arbeiten von Shyu et al. und Stenvall et al. auf je einer Studie bzw. je einer Studienkohorte beruhten. Diese wurden jeweils nur einmal berücksichtigt, sodass letztlich 5 Studien mit insgesamt 970 Patienten (482 Intervention, 488 Kontrolle) in die Metaanalyse eingingen.

Verzerrungspotenzial

Es zeigte sich, das alle in die Metaanalyse eingeschlossenen Studien ein hohes Verzerrungspotenzial aufwiesen (Tab. 2).

Studienergebnisse

In den Studien wurden zum Teil unterschiedliche Parameter erfasst, so dass nur zur Krankenhausverweildauer, zur Krankenhausmortalität und zur Langzeitmortalität eine Metaanalyse durchgeführt wurde (Tab. 3).

Krankenhausverweildauer

In der Metaanalyse zeigte sich bei sehr großer Heterogenität (I2:88,5 %) mit einer Differenz von –0,06 Tagen (95-%-KI: –3,74 bis 3,62) in der Interventionsgruppe keine signifikant kürzere Verweildauer (p = 0,97; Abb. 2).

Krankenhausmortalität

Auch hier waren die Ergebnisse unterschiedlich (I2 :31,6 %). Nur Vidan et al. konnten eine signifikante Reduktion der Krankenhausmortalität durch die geriatrische Intervention zeigen [12]. zeigen. Insgesamt ergab die Analyse ein relatives Risiko von 0,66 zugunsten der Intervention ohne Signifikanz (95-%-KI: 0,28–1,55; p = 0,34; Abb. 3).

Langzeitmortalität

Die Ergebnisse waren homogener als bei den anderen Parametern (I2 :0 %). Nur in der kleinen Studie von Uy et al. war die Mortalität in der Interventionsgruppe erhöht [13]. In den anderen 4 Studien verstarben mehr Patienten in der jeweiligen Kontrollgruppe. Die Metaanalyse zeigte mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,79 (95-%-KI 0,57–1,10) keine signifikant geringere Mortalität durch die geriatrische Intervention (p = 0,.17; Abb. 4).

Weitere Studienergebnisse

Bezüglich der übrigen Ergebnisparameter konnten Stenvall et al. eine signifikante Reduktion der Komplikationsrate während des Krankenhausaufenthaltes zeigen; dies gilt auch für Patienten, die im gleichen Zeitraum stürzten [14]. Gleichzeitig war in diesem Patientenkollektiv die präoperative Krankenhausverweildauer niedriger als in den anderen Studien, ohne dass es innerhalb der Studien größere Unterschiede der beiden Patientengruppen gab. Die Rate der Patienten, welche ihre prätraumatische Gehfähigkeit oder ihr prätraumatisches Aktivitätsniveau erreichten, war in der Interventionsgruppe höher [15] (Tab. 4). Shyu et al. konnten ebenfalls zeigen, dass zu verschiedenen Untersuchungszeitpunkten das funktionelle Ergebnis in der Interventionsgruppe besser war als in der Kontrollgruppe [16–19]. Die Ergebnisse waren allerdings z.T. nicht signifikant, wie die Ergebnisse von Naglie et al. [20], Vidan et al. [12] und Uy et al. [13] (Tab. 4) zeigen. Da verschiedene Assessments durchgeführt bzw. verschiedene Parameter erfasst wurden, wurde zum funktionellen Outcome keine Metaanalyse durchgeführt. Nur Shyu et al. untersuchten die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HrQoL) und fanden eine höhere HrQoL in der Interventionsgruppe [21].

Diskussion

Mit der vorliegenden Literaturübersicht und Metaanalyse sollte ein möglicher positiver Effekt einer schon perioperativ begonnenen interdisziplinären unfallchirurgisch-geriatrischen Behandlung gegenüber einer rein unfallchirurgischen Behandlung untersucht werden. Es konnten lediglich 5 Studien eingeschlossen werden. Alle 5 Studien berichteten über Patienten mit proximalen Femurfrakturen. Die interdisziplinäre Behandlung führte zu einer Verringerung der Krankenhausmortalität und Einjahresmortalität – allerdings ohne statistische Signifikanz.

Studienauswahl

Mit Hilfe der gewählten Suchbegriffe konnte eine Vielzahl von potenziell zutreffenden Studien gefunden werden. In allen Studien wurden Patienten mit proximalen Femurfrakturen untersucht. Dies unterstreicht die weltweite Bedeutung, die diesen Frakturen aufgrund ihrer Häufigkeit, ihrer aufwendigen Behandlung und ihres nachhaltigen Einflusses auf die Lebensumstände der Patienten, aber auch als Tracer-Diagnose für eine adäquate Behandlung von Fragilitätsfrakturen beigemessen wird. Fraglich ist in diesem Zusammenhang jedoch, ob die Erkenntnisse über die Behandlung von Patienten mit proximaler Femurfraktur ohne Weiteres auf diese Patienten übertragbar sind.

Die meisten der gefundenen Studien zu proximalen Femurfrakturen waren nicht randomisierte Studien (Abb. 1). Wenngleich die Ergebnisse dieser Studien größtenteils vielversprechend waren [22–29], wurden sie aufgrund der fehlenden Randomisierung in unserer Metaanalyse nicht berücksichtigt.

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