Übersichtsarbeiten - OUP 07/2019

Hüftarthroskopie bei vorliegender Dysplasiehüfte
Bei welchen Befunden ist noch eine Arthroskopie und bei welchen Befunden die Umstellung an Becken und Femur sinnvoll?

Bei jüngeren Patienten ist das Verfahren zu wählen, wenn in der Bildgebung eingrenzbare höhergradige Knorpelschäden vorliegen, die einem regenerativen Verfahren noch zugänglich sind. Begleitpathologien am Labrum können hierbei dann gleich mitbehandelt werden.

Beckenosteotomien

Die reorientierende Beckenosteotomie ist als Goldstandard bei der verminderten Überdachung bei zu kleiner Pfanne und bei der Pfannenretrotorsion mit normaler Formgebung des Hüftkopfs und des Kopf-Schenkelhals-Übergangs zu sehen. In den meisten Arbeiten wird eine eindeutige Dysplasie bei einem CE-Winkel unter 20° gesehen und bei symptomatischen Hüften die Indikation zur Beckenosteotomie gegeben. Oberhalb dieser Grenze sind weitere radiologische Faktoren, wie ein CCD-Winkel über 160°, ein Tragflächenwinkel über 15° und eine Dezentrierung des Gelenks mit Extrusions Index (FHEI) < 75 und Unterbrechung der Ménard-Shenton-Linie zu beachten (Abb. 3). Diese sprechen für eine latente Instabilität des Gelenks, die durch arthroskopische Maßnahmen oft verstärkt werden, und sind Negativ-Prädiktoren für das Outcome alleiniger arthroskopischer Eingriffe. Bei einem CE-Winkel unter 16°, Tragflächenwinkel über 15° und Extrusionsindex über 31 % ist mit einem beschleunigten Arthroseverlauf zu rechnen [10].

Eine Pfannenretrotorsion mit oder ohne kombinierter lateraler Überdachungsstörung ist bei isoliertem Vorliegen mit normaler Morphologie des Schenkelhalses ebenfalls im Sinn einer inversen Pfannenumstellung zu behandeln. Die Grenzwerte für die laterale Überdachung sind hier analog zur klassischen Pfannendysplasie zu sehen. Bei normalem CE-Winkel und radiologischer Pfannenretrotorsion sind Grenzwerte schwierig zu definieren. In dieser speziellen Situation ist auf jeden Fall die spinopelvine Balance mit Becken- und Wirbelsäulenstellung im Sagitalprofil zu bewerten. Im Einzelfall kann hier eine rein funktionelle Pfannenfehlstellung, durch Verkippung des Beckens nach ventral, mit dem klinischen Bild eine Pincer-Impingements imponieren. Im Gesamtkomplex der Hüftdysplasie ist dies der einzige Bereich, bei dem eine konservative Therapie mit dem Versuch der Haltungskorrektur mit Beckenaufrichtung das Hüftproblem beseitigen kann. Aus der Erfahrung des Autors ist dies jedoch für viele Patienten schwierig, oft sogar dauerhaft unmöglich. Beim Versagen der Stellungskorrektur des Beckens muss dann ebenfalls eine inverse Pfannenkorrektur diskutiert werden und zeigt dann gute Ergebnisse [23, 31].

Bei der globalen Über-Überdachung, der Coxa profunda, besteht in der Regel ein „umfassendes“ Pincer-Impingement in den vorderen, seitlichen und hinteren Gelenkanteilen. Eine Reorientierung der Pfanne ist deshalb nicht möglich, da es keine Richtung gibt, in die die Pfanne geschwenkt werden kann, ohne an einer anderen Stelle das Impingement zu verstärken.

Hüftarthroskopie

Durch die gute arthroskopische Zugangs- und Behandlungsmöglichkeit des Femur-seitigen Cam-Typs hat sich die Hüftarthroskopie in den letzten 10 Jahren als Alternativverfahren zur chirurgischen Hüftluxation etabliert. Die explosionsartige Verbreitung der Hüftarthroskopie führte aber auch zu einer Ausweitung der Indikationen in der Behandlung der klassischen Hüftpathologien an der Hüftpfanne und Fehlstellungen des Femurs. Hier werden insbesondere sog. Grenzdysplasien mit einem CE-Winkel zwischen 18 und 28° als Indikation für arthroskopische Eingriffe gesehen [21|. Unterschiedliche Metaanalysen zeigen bei jedoch sehr inhomogenen Studiengruppen, kleiner Patientenzahl und kurzem Nachuntersuchungsintervall ein häufigeres und früheres Versagen bei Anwendung der Hüftarthroskopie im Vergleich zu knöchernen Umstellungen bei eindeutig dysplastischer Pfanne mit mehreren pathologischen Parametern aus Tabelle 1 [1, 11, 19, 26].

Verfahren der Wahl ist die Hüftarthroskopie unbestritten bei isolierter Kopf-Hals-Übergangsstörung mit vergrößertem Alpha-Winkel mit symptomatischem Cam-Impingement im vorderen seitlichen Gelenkbereich [2, 22, 24]. Von der Pfannenseite aus betrachtet wird die alleinige arthroskopische Therapie auch bei der vermehrten globalen Überdachung, der bereits erwähnten, Coxa profunda, angewendet. Durch die Notwendigkeit des Ablösens und der späteren Refixation des Labrums am gesamten Pfannenrand ist das Verfahren technisch extrem anspruchsvoll. Die räumliche Ausdehnung der Offset-Störung und die technische Fertigkeit des Operateurs spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Für ein schlechtes Outcome wird in der Literatur als wesentlicher Grund, bei Gelenken ohne arthrotischen Veränderungen, die Über- und Unterkorrektur beschrieben [2, 7, 22]. Im Zweifelsfall muss hier als Alternativverfahren die chirurgische Hüftluxation mit der Möglichkeit einer gut kontrollierbaren 360°-Therapie gewählt werden. Negative radiologische Prädiktoren für frühzeitiges Versagen der Hüftarthroskopie sind ein CE-Winkel unter 20°, ein Acetabulärerindex über 15° und sämtliche Dezentrierungszeichen (Tab. 1). Femurseitig sind Torsionsabweichungen über 20°. Die genannten Parameter werden häufig als Kontraindikation zur Anwendung der Hüftarthroskopie als alleiniges Verfahren gesehen.

Eine weiteres Indikationsspektrum für arthroskopische Eingriffe ist das extraartikuläre Sub-spine-Impingement [3]. Eine arthroskopische Verkleinerung der Spina iliaca anterior inferior (SIAI) kann hier das Anstoßen bei tiefer Hüftbeugung und Innenrotation reduzieren. Eine gute Indikation für einen arthoskopischen Eingriff ist hier der sog. Pseudotumor nach Avulsionsverletzungen der SIAI. Ist hingegen eine Pfannenretrotorsion und/oder Beckenverkippung die Ursache für das Tiefertreten der Spina, ist bei Versagen konservativer Maßnahmen die Pfannenreorientierung das Verfahren der Wahl.

Femurosteotomien

Die Bedeutung der Femurosteotomien bei der Hüftdysplasie haben in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung verloren. Im Erwachsenenalter spielen sie hauptsächlich bei isolierten Torsionsfehlstellungen bei der Coxa antetorta oder retrotorta eine Rolle. Diese Fehlstellung kommt häufiger in Kombination mit Beckenumstellungen vor. Die schwankt hier mit einer Inzidenz von 5–20 %. Bei der Coxa valga et antetorta ist hier eine Abgrenzung zur Hüftarthroskopie in der Regel nicht notwendig, da die zugrunde liegende Pathologie und der negative Einfluss auf das Kniegelenk arthroskopisch nicht zugänglich sind. Bei der Coxa retrotorta kann es insbesondere bei Belastungen mit kraftvoller und/oder häufiger Innenrotation der Hüfte zu einem sekundären Impingement kommen. Typisch sind hier sportliche Belastungen z.B. beim Fußball oder bei diversen Kampfsportarten. Bei normaler Konfiguration des Kopf-Hals-Übergangs mit normaler Taillierung und Alpha-Winkel im Normbereich ist das Verfahren der Wahl die Derotationsosteotomie des Femurs, teils mit notwendiger Gegenkorrektur des Unterschenkels. Besteht hier gleichzeitig eine Verbreiterung des Schenkelhalses oder ggf. sogar eine Offset-Störung mit Bump, wie in Abbildung 4 dargestellt, kann erwogen werden, zunächst eine alleinige arthroskopische Offset-Korrektur am vorderen Kopf-Hals-Übergang durchzuführen. Eine klare Aussage über tolerable Torsionswinkel für diese Vorgehen oder Verlaufsberichte finden sich hierzu in der Literatur nicht definiert. Eine geplante Verbesserung der Innenrotation um 30° durch ein alleiniges arthroskopisches Offset-Trimming bei einer eindeutigen femoralen Retrotorsion, wie sie teilweise beschrieben ist, scheint aus der klinischen Erfahrung eher nicht erreichbar. Die Patientenführung und -aufklärung über mögliche Folgeeingriffe ist hierbei wichtig. Torsionsabweichungen über 20° erfordern in der Regel eine Torsionskorrektur. Wenn immer möglich sollte die Torsionskorrektur schaftmittig oder kniegelenksnah erfolgen, da hierdurch die proximale Geometrie des Femurs weniger beeinflusst und eine spätere endoprothetische Versorgung nicht erschwert wird.

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