Übersichtsarbeiten - OUP 07/2019

Hüftarthroskopie bei vorliegender Dysplasiehüfte
Bei welchen Befunden ist noch eine Arthroskopie und bei welchen Befunden die Umstellung an Becken und Femur sinnvoll?

Prinzipiell können und müssen Sekundärveränderungen am Gelenkknorpel und am Labrum bei der operativen Behandlung auch bei Osteotomien adressiert werden. Hier kann die Arthroskopie als Zusatzeingriff bei Osteotomien auch ohne Vorliegen einer Cam-Deformität eine additive Rolle spielen. Ohne im Detail darauf einzugehen, können sämtliche regenerativen Verfahren am Gelenkknorpel in Abhängigkeit der Defektgröße angewendet werden [5]. Langzeitergebnisse liegen hier für keines der Verfahren vor.

Das Vorliegen einer Begleitpathologie des Labrums und die Notwendigkeit der Behandlung werden kontrovers diskutiert [6, 13, 24]. Alleinige Veränderungen am Labrum im MRT, ohne klinische Labrumsymptomatik, sind nicht zwangsläufig eine Indikation zur sofortigen Therapie. Durch die Lage des Labrums in der Belastungszone kommt es hier oft frühzeitig zu degenerativen Veränderungen und (Partial-)Rupturen. Während verschiedene Autoren eine primäre Darstellung und Therapie nicht empfehlen, wird von anderen eine Mitbehandlung in bis zu 80 % beschrieben [25, 29]. Ein Herausschwenken des Labrums aus der Belastungszone scheint jedoch häufig auszureichen und ein rasches Fortschreiten der Veränderungen zu verhindern. Bei verbleibender Symptomatik nach Osteotomien wie Einklemmungen kann eine arthroskopische Therapie auch sekundär erfolgen. Werden offene oder arthroskopische Maßnahmen am Labrum durchgeführt, besteht Konsens über einen schonenden Umgang mit dem Labrum und einen maximalen möglichen Erhalt. Eine alleinige arthroskopische Labrumtherapie, insbesondere Labrumentfernung, sollte bei der Pfannendysplasie auf keinen Fall durchgeführt werden. Durch den Verlust des „letzten Stabilisators“ sind hier sogar spontane Hüftluxationen beschrieben [27]. Bei Komplett-Verlust des Labrums sind diverse Labrumersatzplastiken beschrieben. Aktuell liegen hier jedoch nur wenig Daten und Einzelfallbeschreibungen im Kurzeitverlauf vor [19], sodass eine Bewertung aktuell schwierig ist. Generell wird heutzutage die Hüftarthroskopie zur Behandlung des isolierten oder kombinierten Schadens des Knorpels und des Labrums favorisiert. Lage und Ausdehnung des Schadens sind hier jedoch bei der technischen Erreichbarkeit mittels Arthroskopie zu beachten. Im Zweifelsfall ist auch hier das offene Verfahren der chirurgischen Hüftluxation anzuwenden.

Komplikationen als Einfluss auf das OP-Verfahren

Die möglichen Komplikationen der knöchernen Umstellungen, insbesondere an der Hüftpfanne, werden teilweise als Argument gegen die Osteotomien und für die Arthroskopie angeführt. Hier ist zu beachten, dass auch die Hüftarthroskopie nicht als komplikationsfreier, minimalinvasiver Eingriff zu sehen ist und eine sehr flache Lernkurve hat. Insbesondere im Bereich der Weichteile und der Nerven ist durch die notwendige Traktion bei der Arthroskopie insgesamt sogar von einer höheren Komplikationsrate bzw. unerwünschten Wirkungen auszugehen. Verletzung des Gelenkknorpels und des Labrums kommen bei den Umstellungen nicht vor, für die arthroskopischen Eingriffe ist eine erfahrungsabhängige Dunkelziffer anzunehmen, die über der in der Literatur beschriebenen Quote auftritt. Die Komplikationsraten sind für beide operativen Verfahren gut beschrieben [18, 29]. Es zeigt sich, dass die Komplikationsrate nachweislich mit zunehmender Erfahrung abnimmt. Potenzielle Komplikationen sind somit kein Indikator zur Auswahl der OP-Technik.

Zusammenfassung

Für alle gelenkerhaltenden operativen Verfahren bei Fehlbildungen des Hüftgelenks liegen für die reorientierenden Beckenosteotomien die meisten Daten sowohl zur Indikationsstellung als auch zu bis zu 30-jährigen postoperativen Verläufen vor. Hauptindikationen für Beckenosteotomien sind symptomatische Restdysplasien der Hüftpfanne der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ein CE-Winkel unter 20 ° gilt hier als pathologisch. Bei normaler Konfiguration des proximalen Femurs und negativen FAI-Parametern in der Röntgendiagnostik ist die Therapie der Wahl die reorientierende Pfannenumstellung. Eine alleinige Hüftarthroskopie ist nicht zielführend und allenfalls zur Behandlung von Begleitpathologien am Knorpel und Labrum indiziert.

Isolierte Femurosteotomien sind selten, eine Rolle spielen sie fast nur noch bei Torsionskorrekturen in Kombination mit Beckenumstellungen oder bei extremer Coxa vara oder Coxa valga.

Für das isolierte FAI vom Cam-Typ, mit pathologischem Alpha-Winkel und reduziertem Kopf-Hals-Offset, ist die alleinige arthroskopische Beseitigung der Offset-Störung am Kopf-Schenkelhals-Übergang das Verfahren der Wahl. Unter Beachtung der exakten 3-dimensionalen Beurteilung der Pathomorphologie von Hüftfehlbildungen finden sich aber häufig gemischte Pathologien bei denen die Verfahren Umstellung und Arthroskopie komplementär betrachtet und angewendet werden müssen. Hier stellt sich dann nicht die Frage nach dem OP-Verfahren, sondern nach der einzeitigen oder zweizeitigen Abfolge.

Schwierig sind sicherlich die Grenzdysplasien mit einem CE-Winkel zwischen 20 und 30° bei gleichzeitiger Cam-Deformität. Hier sollten zur Entscheidungsfindung Instabilitäszeichen im Röntgenbild und klinische Parameter der Beschwerdeauslösung beim Patienten mit herangezogen werden, um das OP-Verfahren festzulegen. Sind Instabilitätszeichen und Dezentrierung vorhanden, sollten eine Umstellung und eine Beseitigung des FAI erfolgen. Ist lediglich der CE-Winkel grenzwertig pathologisch, und klinisch stehen Impingmentzeichen im Vordergrund, kann eine alleinige Arthroskopie mit Beseitigung der FAI-Pathologie erfolgen. Wichtig ist hierbei, den Patienten über mögliche notwendige Folgeeingriffe von Anfang an zu informieren, da ja bewusst eine pathologische Komponente verbleibt. Auch sollte dem Patienten bei Durchführung der Arthroskopie klar sein, dass es sich nicht um einen minimalinvasiven Eingriff handelt und Komplikationsraten bei erfahrenen Chirurgen durchaus mit denen bei Umstellungen vergleichbar sind. Eine arthroskopische Behandlung einer Pfannenretrotorsion ist kritisch zu sehen, da zum einen ein in der Regel noch weitgehend intaktes Labrum abgelöst werden muss und die Gesamtkontaktfläche des Gelenks pathologisch verkleinert wird. Eine inverse Pfannenumstellung ist hier zu bevorzugen.

Sekundärveränderungen an Gelenkknorpel und Labrum müssen bei Umstellungen mit adressiert werden und sind arthroskopisch am besten zugängig. Langzeiterfahrungen über additive Maßnahmen in diesem Bereich liegen jedoch noch nicht vor. Für alle gelenkerhaltenden Eingriffe besteht der Konsens, dass bei relevanter Sekundärarthrose gelenkerhaltende operative Verfahren mit Zurückhaltung eingesetzt werden sollten.

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