Übersichtsarbeiten - OUP 01/2019

Hüftschmerz im Kindesalter

Jedes dieser 5 genannten Erkrankungsbilder zeigt einen mehrheitlichen Altersbezug hinsichtlich der Erstmanifestation (Abb. 1). Das Wissen um die Häufigkeitsgipfel dieser für das kindliche Hüftgelenk typischen Erkrankungen, hat für den erstbehandelnden Arzt große Bedeutung. Es erlaubt ihm seine begrenzten zeitlichen und diagnostischen Ressourcen in erster Instanz auf die Erkennung oder den Ausschluss einer für seinen Patienten und dessen spezifische Altersgruppe häufige Hüfterkrankung auszurichten. Neben der differenzierten Anamneseerhebung und Untersuchung des jungen Patienten helfen gezielte krankheitsbezogene klinische Tests, um vorab eine Verdachtsdiagnose zu stellen und eine sinnvolle Abfolge weiterer bildgebender und laborchemischer Diagnoseschritte einleiten zu können.

Septische Koxitis/
Osteomyelitis

Die bakterielle Infektion eines Hüftgelenks kann prinzipiell in jeder Altersgruppe, d.h. im Kindesalter und beim Erwachsenen, auftreten. Eine Reihe von retrospektiven Fallanalysen septischer Arthritiden konnte jedoch die Häufung einer solchen Gelenkinfektion bei Neugeborenen und Kleinkindern aufzeigen [4, 27, 29]. Nicht selten tritt die septische Arthritis in Zusammenhang mit einer akuten oder subakuten Osteomyelitis auf [1, 2, 27]. Die Ursache liegt in der noch unvollständigen immunologischen Kompetenz dieser sehr jungen Altersgruppe.

Die septische Arthritis/Osteomyelitis stellt eine Notfallsituation für das betreffende Gelenk, aber auch für das Leben des Kindes dar. Schwere Verläufe bei Neugeborenen involvieren nicht selten mehrere Gelenke der oberen und unteren Extremität gleichzeitig. Hervorzuheben ist, dass in dieser sehr jungen Altersgruppe im Gegensatz zu älteren Kindern klinische Zeichen einer schweren Infektion, wie Fieber, Rötung, Schwellung oder Überwärmung des Gelenks infolge der inkompetenten Immunabwehr vollständig fehlen können. Lediglich die anamnestische Aussage der Mutter zur Einschränkung bzw. Schonung einer Extremität (Pseudoparalyse/Functio leasa) ist hinweisend auf das Vorliegen eines Infektfokus. Die Prognose einer septischen Koxitis/Osteomyelitis steht unmittelbar im Zusammenhang mit der zeitnahen Diagnosestellung und der konsequenten Einleitung der adäquaten Behandlung. Ab dem 4. Tag nach Beginn der Beschwerdesymptomatik muss bei einer septischen Koxitis mit Folgeschäden für das Wachstum der Femurepiphyse und den Gelenkknorpel selbst gerechnet werden.

Die sonografische Untersuchung der Hüfte sollte direkt im Anschluss an die klinische Untersuchung im Rahmen des Erstkontakts ambulant oder in der chirurgischen Notaufnahme durchgeführt werden. Mit dem Nachweis eines Gelenkergusses schließt sich im Falle weiterer Prädiktoren zum Vorliegen einer septischen Arthritis die serologische Untersuchung zur Erhebung der Parameter Blutbild und CRP an.

Verschiedene multivariante Vorhersagemodelle mit zum Teil unterschiedlichen Prädiktoren wurden zur Differenzierung einer septischen Arthritis von einer Coxitis fugax beschrieben [8, 20, 24, 33]. Die Gelenkaspiration wird in Fällen mit 3 Prädiktoren obligat empfohlen und kann durch aufeinanderfolgende Blutkulturen zur Führung eines Erregernachweises ergänzt werden.

Als Prädiktoren für das Vorliegen einer septischen Arthritis gelten in der Klinik der Autoren:

  • 1. schmerzbedingte Belastungsverweigerung/Schonhaltung (Pseudoparalyse)
  • 2. Fieber > 38 °C
  • 3. sonografischer Gelenkerguss
  • 4. CRP > 20 mg/l.

Der positive prädiktive Wert für das Vorliegen einer septischen Arthritis wurde bei 3 von 4 der genannten Kriterien in der retrospektiven Analyse eines eigenen Krankenkollektivs mit 93 % berechnet. In einem solchen Fall oder verbleibender Unsicherheit wird in der Klinik der Autoren immer eine Gelenkaspiration in Narkose vorgenommen: zur Identifikation des Erregers, zur Zellzahlbestimmung bei gleichzeitiger minimalinvasiver Spülung des Gelenks und Beginn einer kalkulierten intravenösen Antibiose. Trotz feh lendem Keimnachweis wird bei einer Zellzahl > 50.000/mm3 im Gelenkpunktat ein Gelenkinfekt angenommen und eine antibiotische Therapie eingeleitet [20, 24]. Die Darstellung des Infektfokus in der MRT zum Ausschluss einer Osteomyelitis ergänzt die bildgebende Diagnostik. Die MRT sollte je nach Schwere des Krankheitsbildes, zeitlichem Ablauf bis zur Diagnosesicherung und logistischer Verfügbarkeit vor oder nach der obligaten Gelenkaspiration erfolgen.

Für ein Patientenkollektiv mit früher Diagnosesicherung konnten Pääkönen et al.[27, 28] nachweisen, dass mit der alleinigen Gelenkaspiration und initial intravenösen Antibiose für 4 Tage mit nachfolgender oraler Antibiose für 2–4 Wochen eine vollständige Infektsanierung mit guten funktionellen Ergebnissen erzielt werden konnte. Die Option der minimalinvasiven Gelenkspülung in einer 2-Kanülen-Technik, arthroskopisch oder in einer Mini-open-Technik über einen anterioren Hüftzugang ist nach wie vor adäquat und sollte bei:

  • a) längerer Anamnesedauer,
  • b) ausgedehnter septischer Einschmelzung und
  • c) schlechtem Ansprechen auf die initiale i.v. Antiobiose

durchgeführt werden.

Coxitis fugax

Diese Form einer transienten Arthritis im Hüftgelenk ist die häufigste Ursache für plötzlich und wiederholt auftretende Hüftbeschwerden bei Kindern etwa ab dem 3. Lebensjahr bis kurz nach der Schuleinführung. In allen Fällen kann sonografisch ein Erguss des betreffenden Hüftgelenks im Seitenvergleich nachgewiesen werden. Die Sensitivität zur Erkennung eines Hüftgelenkergusses mit Hilfe der Sonografie liegt bei Abhebung der Gelenkkapsel > 2 mm bei 95–100 % [8] (Abb. 2). Anamnestisch geben die Eltern in vielen Fällen einen vorausgegangenen respiratorischen Infekt an.

Im Gegensatz zur septischen Coxitis zeigt das Kind bei einer Coxitis fugax keine oder nur geringfügige Einschränkungen des Allgemeinzustands ohne jegliche Infektzeichen. Nur in diesen Fällen ohne Angabe von Fieber kann bei Kindern mit normalem Immunstatus auf eine serologische Untersuchung zugunsten einer kurzfristigen ambulanten Verlaufskontrolle am Folgetag verzichtet werden. Die Verlaufskontrolle eine Woche nach Beginn der ersten Beschwerdesymptomatik zeigt nach Einhaltung einer körperlichen Schonung und Gabe von NSAR-Saft in der Mehrzahl der Fälle bereits eine spontane Besserung der klinischen Beschwerdesymptomatik. Die Rückbildung des Gelenkergusses und der Synovialitis im Hüftgelenk kann sonografisch sehr gut kontrolliert werden. Für Verläufe, in denen keine klare Abgrenzung zur septischen Koxitis vorgenommen werden können, in der Anamnese Fieber > 38 °C oder andere Infektzeichen vorliegen, empfiehlt sich immer eine serologische Untersuchung (Blutbild mit CRP) und die diagnostische Aspiration von Gelenkflüssigkeit aus der betreffenden Hüfte mit Zellzahlbestimmung, Sofortausstrich und Anlage einer mikrobiologischen Kultur [8, 20, 24, 33, 45]. Erfolgt die Remobilisation des Kindes zu früh, können auch bei der Coxitis fugax nach einem beschwerdefreien Intervall Rezidive mit erneuten Hüftbeschwerden auftreten.

Morbus Perthes

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