Übersichtsarbeiten - OUP 01/2019

Hüftschmerz im Kindesalter

Etwa in der gleichen Altersgruppe der 3- bis 6-Jährigen ist häufig die Erstmanifestation eines Morbus Perthes Ursache belastungsabhängiger Hüftbeschwerden. Die späte Manifestation des Morbus Perthes bei älteren Kindern oder gar Jugendlichen ist aufgrund eines häufig ungünstigen Verlaufs gefürchtet, ähnlich der aseptischen Hüftkopfnekrose im Erwachsenenalter [5].

Ähnlich wie bei der Coxitis fugax beklagt das Kind initial belastungsabhängige Hüftbeschwerden. Der sonografische Nachweis eines Gelenkergusses zeigt das Vorliegen einer Gelenkpathologie an. Die Differenzierung eines Morbus Perthes im Initialstadium von der Coxitis fugax kann schwierig sein. In einigen Fällen kann radiologisch in der 2. Ebene eine subchondrale Frakturlinie der Femurepiphyse als frühes Zeichen für das Vorliegen eines Morbus Perthes erkennbar sein [31]. Über den Sinn der Durchführung einer MRT, welche das Ausmaß der aseptischen Osteochondronekrose der Epiphyse bereits im frühen Stadium zeigt, aber andererseits in dieser Altersgruppe eine Narkose erforderlich macht, wird nach wie vor sehr kontrovers diskutiert. Eine Änderung der therapeutischen Konsequenz lässt sich zu diesem Zeitpunkt in der Regel noch nicht ableiten. Die Mehrzahl der international gebräuchlichen Klassifikationen zur Verlaufs- und Therapiekontrolle basieren auf einer radiologischen Beurteilung [7, 15, 31]. Diese zeigt den stadienhaften Verlauf (Initial-, Kondensations-, Fragmentations- und Reparationsstadium [41]). Eine besondere Bedeutung bei der Einschätzung der Prognose und für die Therapieentscheidung haben die sogenannte laterale Pfeiler-Klassifikation von Herring [15] und das Auftreten sogenannter Kopfrisikozeichen nach Catterall [7] erlangt (Abb. 3). Konservative therapeutische Ansätze beinhalten den Erhalt des Containments des Hüftkopfs durch die Sicherung der uneingeschränkten Beweglichkeit der Hüfte. Die Ergebnisse einer operativen Verbesserung des Containments mit Hilfe einer intertrochantären Femurosteotomie, einer reorientierenden Beckenosteotomie oder beides in Kombination zeigen für Kinder mit Kopfrisikozeichen unabhängig vom Alter etwa in zwei Dritteln der Fälle die gewünschte sphärische Ausheilung des Femurkopfs [16, 42]. Die Eltern der betreffenden Kinder sollten bereits zum Zeitpunkt der Diagnosesicherung über den langwierigen Verlauf der Erkrankung über mehrere Jahre aufgeklärt werden, um das Vertrauen in die Behandlungsempfehlungen und ihre durchgehende Bereitschaft zur Mitarbeit zu sichern.

Hüftdysplasie

Auch wenn die Bedeutung der operativen Behandlung einer Hüftdysplasie im Kindesalter in Ländern mit einem etablierten Hüft-Screening im Neugeborenenalter nachgelassen hat [34, 44], zählen Hüftreifungsstörungen und daraus resultierende degenerative Veränderungen weiterhin weltweit zu den häufigsten Skeletterkrankungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen [9, 12, 19]. Während in der frühen Entwicklungsphase von Kindern auch schwere Dysplasieformen mit dezentriertem Hüftkopf funktionell gut kompensiert und das Laufen ohne Schmerzangabe erlernt wird, treten erste belastungsabhängige Hüftschmerzen regelhaft mit Beginn der 2. Lebensdekade auf. Die fortbestehende Instabilität des Hüftgelenks steht bei der Entwicklung einer Hüftdysplasie im Vordergrund [46]. Degenerative Veränderungen am Labrum acetabulare und am labrumnahen Gelenkknorpel werden durch die Jugendlichen häufig als schmerzhaftes Klick- oder Popphänomen beschrieben. Der positive Trendelenburg-Test zeigt eine Insuffizienz der pelvitrochantären/glutealen Muskulatur. Ein im Rahmen der klinischen Untersuchung schmerzhaftes vorderes Impingementzeichen (endgradige Flexion, Adduktion und Innenrotation) oder hinteres Impingementzeichen (Hyperextension, Außenrotation und Abduktion) wird als unspezifischer Hinweis auf das Vorliegen einer intraartikulären Gelenkpathologie gewertet. Häufig verwendete Parameter zur radiologischen Bewertung der lateralen Überdachung eines dysplastischen Hüftgelenks vor Verschluss der Y-Fuge sind der AC-Winkel und bei Jugendlichen und Erwachsenen der Centrum-Erker-Winkel (CE-Winkel), der Tragflächenwinkel und der Extrusions-Index auf der Beckenübersichtsaufnahme. Zusätzlich kann in der axialen Ansicht des proximalen Femur die Vermessung des ?–Winkels nach Nötzli zur Objektivierung einer femoralen Offset-Störung genutzt werden. Zum Ausschluss einer Pathologie am Labrum acetabulare, am Knorpel und einer femoralen Torsionsstörung kann die bildgebende Diagnostik durch eine MRT mit radiären Sequenzen und eine femorale Torsionsmessung in der MRT ergänzt werden [13, 14].

Therapie Säuglinge,
Kleinkinder und Kinder
bis 10. Lebensjahr

Während bei Säuglingen und Kleinkindern der therapeutische Fokus auf die Stabilisierung und altersgerechte Nachreifung der betreffenden Hüfte zur Vermeidung einer Restdysplasie gerichtet ist, erfolgt die operative Korrektur einer fortbestehenden Instabilität mit Restdysplasie im Kindesalter präventiv. Schmerzen im Zusammenhang mit einer Hüftdysplasie werden im Kindesalter vor dem 10. Lebensjahr sehr selten beklagt. Die Indikation zur präventiven Durchführung einer Azetabuloplastik orientiert sich an der Entwicklungsdynamik der Hüfte im Verlauf. Sie berücksichtigt:

Behandlungs- und Familienanamnese

klinische Befunde: Trendelenburg-Zeichen, Duchenne-Hinken und

radiologische Kriterien:

Instabilität, dezentrierte Stellung

Ossifikationsstörung lateraler Pfannenerker

Verlaufsbeurteilung AC-Winkel, altersabhängig > 2-fache SD.

Der Zeitraum vor der Schuleinführung gilt als ideal für die Durchführung dieser prophylaktischen Korrekturmaßnahme im Kindesalter [38–40].

Therapie Jugendliche und junge Erwachsene

Die Morbidität der operativen Korrektur einer symptomatischen Hüftdysplasie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist ungleich höher als im Kindesalter und richtet sich aus diesem Grund stärker am klinischen Beschwerdebild und an der Ausprägung der Hüftdysplasie aus. Die in der Literatur publizierten Studien zum natürlichen Verlauf der Hüftdysplasie zeigen ein erhöhtes Risiko der Entstehung einer Koxarthrose bei Patienten mit einem CE-Winkel < 25°, einem Extrusionsindex > 20 % und einem Tragflächenwinkel > 8° [3, 17, 26, 37, 43]. Insbesondere subluxierte Hüften mit einem CE-Winkel von < 10° führen zwangsläufig zur Manifestation einer Früharthrose [46]. Terjesen [35] konnte in einer exemplarischen Langzeituntersuchung über durchschnittlich 45 Jahre an 51 Patienten zeigen, dass die Entwicklung degenerativer Schäden bei zentrierten Dysplasiehüften (22 %; 95 % Konfidenzintervall 6–48) deutlich seltener eintritt als bei subluxierten Gelenken (80 %; 95 % KI 28–99). Die Ergebnisse reorientierender Beckenosteotomien sind hinsichtlich Langzeitüberleben und Funktionsverbesserung mittlerweile sehr gut, wenn sie in Fällen mit guter Gelenkkongruenz ohne relevante Arthrosezeichen im jüngeren/mittleren Lebensalter indiziert werden. Der optimalen 3-dimensionalen Korrektur des azetabulären Fragments kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Zusätzliche Deformitäten, beispielsweise eine Cam-Deformität oder femorale Torsionsfehler, sind mitzubehandeln [10, 11, 13, 14, 18, 23, 25, 32] (Abb. 4).

Neurologisch bedingte
Hüftreifungsstörungen

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