Übersichtsarbeiten - OUP 03/2022

Imminentes Frakturrisiko
Diagnostik und Therapie bei Patienten mit sehr hohem Risiko für osteoporotische Frakturen

Friederike Thomasius, Uwe Maus

Zusammenfassung:
Patienten mit sehr hohem Frakturrisiko zu identifizieren, ist für die Festlegung des geplanten therapeutischen Procederes wichtig. Um hohes Frakturrisiko zu erkennen, sind verschiedene klinische Szenarien, die oft im Zusammenhang mit einer kürzlich eingetretenen Fraktur stehen, zu erkennen und zu berücksichtigen. Der betrachtete Zeithorizont ist entscheidend bei der Definition imminenten Frakturrisikos, der in den meisten Studien das Frakturrisiko über einen Zeitraum von 2 Jahren umfasst. Insgesamt führt nur eine kleine Anzahl klinischer Risikofaktoren zu einer kurzfristig wesentlich stärkeren Frakturrisikoerhöhung als langfristig. Beispiele hierfür sind eine frühere Fraktur, „Indexfraktur“, der eine Phase deutlich erhöhten Frakturrisikos unmittelbar nach dem Indexereignis folgt und eine hochdosierte Kortikosteroidtherapie. Zur Festlegung des therapeutischen Vorgehens ist zudem zu beachten, dass Risikofaktoren, die mit einem höheren kurzfristigen Risiko verbunden sind, das Frakturrisiko auch langfristig deutlich erhöhen. Je höher das Frakturrisiko ist, desto wahrscheinlicher ist eine Fraktur in den nächsten Jahren und desto dringender ist ein hochwirksamer und schnell wirkender Therapieansatz erforderlich. Dies ist insbesondere mit einem osteoanabolen Therapieansatz gegeben.

Schlüsselwörter:
Imminentes Frakturrisiko, Fraktur-Osteoporose, Osteoanabole Therapie, Folgefrakturrisiko

Zitierweise:
Thomasius F, Maus U: Imminentes Frakturrisiko. Diagnostik und Therapie bei Patienten mit sehr hohem Risiko für osteoporotische Frakturen.
OUP 2022; 11: 0106–0110
DOI 10.53180/oup.2022.0106-0110

Summary: Identifying patients at very high risk of fracture is important for determining the planned therapeutic procedure. To identify high fracture risk, different clinical scenarios, often related to a recent fracture, need to be recognized and considered. The time horizon considered is critical in defining imminent fracture risk, which in most studies includes fracture risk over a two-year period. Overall, only a small number of clinical risk factors lead to a much greater increase in fracture risk in the short term than in the long term. Examples include a previous fracture, „index fracture“, which is followed by a period of significantly increased fracture risk immediately after the index event and high-dose corticosteroid therapy. To determine the therapeutic approach, it should also be noted that risk factors associated with higher short-term risk also significantly increase fracture risk in the long term. The higher the fracture risk, the more likely a fracture will occur in the next few, and the more urgent the need for a highly effective and fast-acting therapeutic approach. This is especially provided by an osteoanabolic therapeutic approach.

Keywords: Imminent fracture risk, fracture, osteoporosis, osteoanabolic therapy, follow-up fracture risk

Citation: Thomasius F, Maus U: Imminent fracture risk. Diagnosis and therapy in patients at very high risk for osteoporotic fracture.
OUP 2022; 11: 0106–0110. DOI 10.53180/oup.2022.0106-0110

Friederike Thomasius: Frankfurter Hormon & Osteoporosezentrum

Uwe Maus: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Düsseldorf

Hintergrund

Die Osteoporose gehört zu den häufigsten Erkrankungen im Alter > 50 Jahre. Jede zweite Frau erleidet nach dem Eintritt der Menopause eine Fragilitätsfraktur bis zum Lebensende [1]. Das Risiko, eine durch Osteoporose bedingte Fraktur nach der Menopause innerhalb eines Jahres zu erleiden liegt damit höher, als die zusammengenommenen Risiken für Myokardinfarkt, Schlaganfall und Mammakarzinom [2]. Osteoporose ist aber keine auf Frauen begrenzte Erkrankung, auch Männer sind betroffen. Für Deutschland belegen Daten des statistischen Bundesamtes, dass im Jahr 2019 insgesamt 688.403 Frakturen registriert wurden. Dies zeigt im Vergleich zu 2009 eine Zunahme der Inzidenz um 14 % auf 1014/100.000 Einwohner. Frauen waren häufiger betroffen als Männer (64 %, 1263/
100.000 weibliche Bevölkerung gegenüber 36 %, 755/100.000 männliche Bevölkerung). Neunundfünfzig Prozent aller Frakturen (3059/100.000 Einwohner) traten bei Patienten im Alter von über 70 Jahren auf. Die höchste Inzidenz war bei Frauen in der Altersgruppe über 90 Jahre mit 10 286/100.000 weiblichen Einwohnern, gefolgt von Männern in der Altersgruppe über 90 Jahre mit 4999/
100.000 männlichen Einwohnern [3]. Diese Entwicklung der zunehmenden Inzidenzen wurde bereits aus Krankenkassendaten 2013 prognostiziert, damals mit der Vorhersage, dass 885.000 neue Fälle pro Jahr in ganz Deutschland zu erwarten sind [4]. Diese Inzidenzzahlen belegen die Notwendigkeit eines effektiven Vorgehens in der Frakturrisikosenkung. Imminentes Frakturrisiko ist ubiquitär vorhanden und mit dem Alter zunehmend.

Was neben der zunehmenden Zahl von Frakturen hervorzuheben ist, ist die immense, weiterhin bestehende Behandlungslücke. In der EU27+2 wurden 71 % der Frauen (15 von 21 Mio.) mit erhöht liegendem Frakturrisiko als unbehandelt identifiziert [5], in einer Studie aus dem Jahr 2020 wurde diese therapeutische Lücke für Deutschland mit 91 % beziffert [6]. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Einem Bericht der Internationalen Osteoporosis-Foundation zufolge betreffen diese Fallfindung und -Management, mangelndes öffentliches Bewusstsein (Stichwort: Awareness) inklusiver falscher Vorstellungen über das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Behandlung sowie Probleme innerhalb des Gesundheitssystems (z.B. Schwierigkeiten beim Zugang zur Kostenerstattung für Osteoporosebehandlungen und mangelnde Priorisierung der Frakturprävention in der nationalen Gesundheitspolitik) [7].

Während es eindeutig ein großes Problem ist, eine adäquate Versorgung in der Behandlung der Osteoporose zu erreichen, liegen auf der anderen Seite immer mehr Studien zur Optimierung der Therapie von an Osteoporose Erkrankten vor. Eine Stratifizierung der Behandlung nach dem Ausgangsfrakturrisiko könnte es ermöglichen, die wirksamsten Behandlungen auf die Patient*innen mit dem höchsten Frakturrisiko auszurichten [8]. Eine solche Strategie würde dazu beitragen, die derzeitige Behandlungslücke zu schließen und den Nutzen für die am meisten gefährdeten Personen zu maximieren.

Hochrisikosituationen und imminentes Frakturrisiko

Hochrisikosituationen

Welche Patientengruppen besonders frakturgefährdet sind, ist auch in den noch geltenden Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose annähernd definiert [9]. Insbesondere die vorliegenden, erst kürzlich eingetretenen Frakturen und das zunehmende Alter erhöhen das Frakturrisiko substanziell. Jede Lebensdekade verdoppelt das Frakturrisiko per se, sodass eine inzidente Fragilitätsfraktur in höherem Alter automatisch das Frakturrisiko deutlich erhöht. Hochrisikosituationen bezogen auf eine Zeit von vornehmlich 2 Jahren werden mit der Begrifflichkeit Imminentes Frakturrisiko umfasst.

Fraktur als Haupt-Frakturrisikofaktor des imminent erhöht liegenden Frakturrisikos

Hauptrisikofaktor bei der Beeinflussung des unmittelbaren sog. imminenten Frakturrisikos ist die inzidente Fraktur. Dies gilt für Wirbelkörper, als auch für Non-vertebrale-Frakturen. Dieses imminente Frakturrisiko wird sowohl durch knochenbezogene Faktoren (zugrundeliegende Osteoporose) als auch durch sturzbedingte Faktoren (einschließlich solcher, die mit der Versorgung nach einer Fraktur zusammenhängen) erklärt. Somit ist eine kürzlich erlittene Fraktur ein stärkerer Risikofaktor als eine frühere Fraktur, das Frakturrisiko ändert sich im Laufe der Zeit. Dies belegen folgenden Studiendaten:

Beispiele Studien zu
imminentem Frakturrisiko

In einer niederländischen Studie mit 4140 postmenopausalen Frauen mit bekannter Frakturvorgeschichte traten nach einer ersten Fraktur 23 % aller nachfolgenden Frakturen innerhalb eines Jahres und 54 % innerhalb von 5 Jahren auf. Vom Zeitpunkt der ersten Fraktur an betrug das relative Risiko (RR) für nachfolgende Frakturen 2,1 (95 % CI 1,7–2,6) und blieb über 15 Jahre hinweg erhöht. Das Frakturrisiko wurde für Zeitintervalle berechnet, innerhalb eines Jahres nach einer ersten Fraktur betrug das RR 5,3 (95 % CI 4,0–6,6), innerhalb von 2?5 Jahren 2,8 (95 % CI 2,0?3,6), und innerhalb von 6?10 Jahren 1,4 (95 % CI 1,01,8) [11].

In der Reykjavik-Studie, einer Stichprobe der isländischen Bevölkerung (n = 18.872), wurden alle Frakturen der Teilnehmer ab ihrem Eintritt in die Studie bis zum 31. Dezember 2012 erfasst. Über einen Zeitraum von 10 Jahren traten bei 28 % der 1498 Personen mit einer Index-Hüftfraktur Frakturen auf. Bei anderen Index-Frakturen lag der Anteil zwischen 35 und 38 %. Nach jeder Index-Fraktur war das Risiko einer Folgefraktur in der Zeit unmittelbar nach der Fraktur am höchsten und nahm mit der Zeit deutlich ab. 31?45 % derjenigen, die eine erneute Fraktur erlitten, frakturierten innerhalb eines Jahres nach Indexfraktur. Dies spiegelte sich in den Risikogradienten wider (2,6?5,3, je nach Frakturstelle), die im Laufe von 10 Jahren abnahmen (1,5?2,2) [12].

Auch das schwedische nationale Patientenregister wurde hinsichtlich kumulativer Inzidenzen neuer Frakturen analysiert. In einer Studie mit 35.146 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 73,8 Jahren und einer Indexfraktur im Jahr 2013 betrug die kumulative Inzidenz einer neuen Fraktur innerhalb von 2 Jahren 11 %, wobei der Ort der Fraktur die Inzidenz und die Art der Folgefraktur beeinflusste. Das Risiko einer zweiten Fraktur war bei klinischer Indexfraktur am Wirbel (18 %) und nach Indexfraktur einer Hüftfraktur (14 %) am höchsten, was jedoch die Behandlungsquote nicht beeinflusste [13].

Und analog zu den schwedischen Daten liegen auch Patientenregisterdaten aus Deutschland vor. Von 18.354 männlichen und weiblichen Patienten, Durchschnittsalter 77 Jahre, mit einer Indexfraktur der Hüfte, des Wirbels, des Unterarms oder des Oberarms wiesen 15 % innerhalb eines Jahres nach Indexfraktur eine weitere Fraktur auf, erneut mit dem höchsten Re-Frakturrisiko (18 %) nach Wirbelkörperfraktur [14].

Faktoren, die neben der Fraktur das imminente Frakturrisiko
erhöhen

Das imminent erhöhte Risiko wird aber nicht alleine durch den Frakturstatus bestimmt. Es liegt auch bei Patienten vor, die Kortikosteroide einnehmen. Des Weiteren betrifft es die gebrechlichen, osteoporotischen Patient*innen mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) oder mit Medikamenten, die auf das ZNS wirken, und somit das Sturzrisiko erhöhen. Indirekt wirkten zusätzlich auf das Frakturrisiko der allgemeine Gesundheitszustand und bei der Kognition die körperliche Funktionsfähigkeit als Risikofaktor mit. Und das Alter beeinflusste (natürlich) sowohl die körperliche Funktionsfähigkeit als auch den allgemeinen Gesundheitszustand. Die Komplexität von Frakturrisikobestimmung betrifft somit auch das imminente Frakturrisiko [10]. Und auch, wenn dieser Artikel auf die Imminenz des Frakturrisikos und seine Behandlung fokussiert, sei zusätzlich hervorgehoben: Die Klinik der Osteoporose ist durch Frakturen und ihre Folgen geprägt. Osteoporose-assoziierte Frakturen führen nicht nur zu einer Frakturrisikoerhöhung, sondern klinisch zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität. Die Einschränkungen der Lebensqualität sind hierbei auch imminent, d.h. im ersten Jahr nach der Fraktur am stärksten ausgeprägt, gerade nach hüftgelenksnahen Frakturen. Folgen der Frakturen sind akute und chronische Schmerzen, funktionelle Einschränkungen und speziell bei multiplen Wirbelkörperfrakturen eine Zunahme von Refluxbeschwerden.

Therapie bei imminenten Frakturrisiko

Anhand der gezeigten Daten zum imminenten Frakturrisiko ist erkennbar, dass eine rasche Therapieeinleitung aufgrund des Folgefrakturrisikos für Patienten mit einem imminenten Frakturrisikos (d.h. innerhalb von 2 Jahren), vor allen Dingen nach inzidenter Fraktur, essenziell ist, dass diese Therapie einen schnellen Wirkungseintritt haben sollte, in Kombination mit einer starken Frakturrisikosenkung. Idealerweise sollte dies therapeutisch mit einer Sturzprävention verbunden sein.

Welche Medikamente hierfür primär infrage kommen, wird im Folgenden diskutiert.

Therapieprinzipien
Osteoporosetherapie

Die meisten pharmakologischen Therapieansätze zur Behandlung von Osteoporose sind Medikamente mit hemmender Wirkung auf den Knochenumbau, sog. Antiresorptiva), darunter Bisphosphonate und Denosumab. Durch die Verringerung der Aktivität und/oder Anzahl der knochenresorbierenden Osteoklasten verringern die Antiresorptiva Anzahl und Tiefe der Resorptionslakunen, erhöhen die Knochenmineraldichte (BMD), auch durch Zunahme der sekundären Mineralisierung, alle Effekte zusammen senken das Frakturrisiko. Allerdings wird indirekt durch Antiresorptiva auch die Knochenbildung verringert.

Medikamente mit osteoanaboler Wirkung stimulieren die Knochenneubildung, wodurch beschädigte und unterbrochene Trabekelarchitektur wiederhergestellt werden kann. Zwei osteoanabole Therapien stehen in Deutschland für den klinischen Einsatz zur Verfügung: Teriparatid, das seit 2002 eingesetzt wird und Romosozumab, das seit 2 Jahren verfügbar ist. Zu beiden osteoanabolen Therapieansätzen wurden neben den obligaten Zulassungsstudien, Head-To-Head-Studien zu oralen Bisphosphonaten durchgeführt, die zusammengefasst werden.

Teriparatid-Wirkprinzip

Teriparatid ist ein synthetisches Peptid, das aus den ersten 34 Aminosäuren des intakten menschlichen PTH besteht. Durch die Aktivierung des oberflächengebundenen PTH1-Rezeptors auf Osteoblasten und Osteozyten, induziert PTH die Differenzierung von Stammzellen und „Bone lining cells“ in funktionierende Osteoblasten, steigert die Aktivität von vorhandenen Osteoblasten und verlängert deren Lebensdauer [15]. PTH reduziert auch die Expression von Sklerostin, einem Inhibitor der Knochenbildung. Diese Wirkungen, einzeln und in Kombination, erhöhen die Anzahl und Funktion der Osteoblasten und steigern Knochenbildung und -masse. Durch die Stimulierung der Sekretion des Rezeptoraktivators des Nuklearfaktors kappa-?-Liganden (RANKL), steigert Teriparatid zudem die Aktivität der Osteoklasten und die Knochenresorption.

Romosozumab Wirkprinzip

Romosozumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG2-Antikörper mit hoher Spezifität für humanes Sklerostin, ein aus dem Osteozyten stammendes Glykoprotein, das die Knochenbildung verhindert. Gleichzeitig erhöht Romosozumab die Knochenbildung und vermindert die Expression von RANKL und die Knochenresorption. Die Knochenbildung basiert in erster Linie auf dem Modeling, was die große und schnelle Zunahme der Knochenmasse bewirkt [16]. In Phase-1-Studien wurden divergierende Wirkungen auf biochemische Marker der Knochenbildung (erhöht) bei gleichzeitigem Rückgang der Marker für die Knochenresorption beobachtet. Diese Wirkungen auf den Knochenumbau unterscheiden sich deutlich von der Verringerung der Resorption durch Antiresorptiva und den Anstieg beider Komponenten des Remodeling-Zyklus, die bei Teriparatid beobachtet wurden [17].

Klinische Studien

Bei postmenopausalen Frauen mit nachgewiesener Osteoporose verringert Teriparatid in einer täglichen Dosis von 20 µg/Tag sc die Zahl der Wirbelbrüche und der nicht-vertebralen Frakturen [18]. Bereits in der Zulassungsstudie konnte der große absolute Nutzen von Teriparatid hinsichtlich Senkung des Wirbelkörperfrakturrisikos bei Patienten mit multiplen Wirbelkörperfrakturen gezeigt werden, dies im Vergleich zu Placebo, ein Vorgehen, das heute keinem Ethikvotum aufgrund des Frakturstatus bei Einschluss in die Studie standhalten würde. Das Ergebnis: Bei Patienten mit 2 prävalenten Wirbelfrakturen erlitten 15 von 84 (17,9 %) in der Placebogruppe und 1 von 85 (1,2 %) in der Teriparatidgruppe Wirbelfrakturen, was einer relativen Risikominderung von 93 % (p < 0,001) und einer absoluten Risikominderung von 17 % entspricht.

Die Fracture Prevention Trial aus dem Jahr 2001 zeigte aber auch die Reversibilität der positiven Auswirkungen von Teriparatid auf die Schenkelhals- und Hüft-BMD nach dem Absetzen, die durch die Verabreichung eines Bisphosphonats und von Raloxifen verhindert werden kann. Daten hierzu liegen sowohl für Männer als auch Frauen vor [19?20].

Für Romosozumab wurden in der FRAME-Studie 7180 postmenopausale Frauen im Alter zwischen 55 und 90 Jahren mit Osteoporose eingeschlossen, dies mit einem T-Score von ? –2,5 an der Wirbelsäule, der Hüfte oder dem Oberschenkelhals, was der Definition einer zugrundliegenden Osteoporose und dem Einschlusskriterium entsprach. Die Patientinnen erhielten 12 Monate lang monatlich subkutane Injektionen von Romosozumab (in einer Dosis von 210 mg in 2 Injektionen) oder Placebo; danach erhielten die Patientinnen in jeder Gruppe 12 Monate lang Denosumab in einer Dosis von 60 mg alle 6 Monate subkutan. Nach 12 Monaten wurde unter Romosozumab ein um 73 % geringeres Risiko für Wirbelbrüche (P < 0,001) und ein um 36 % geringeres klinisches Frakturrisiko (P = 0,008) beobachtet [21].

Head-To-Head-Studien: Orale Bisphosphonate-Osteoanabolika

Teriparatid senkt im Vergleich zu einer oralen Bisphosphonattherapie das Frakturrisiko für vertebrale Frakturen und klinische Frakturen stärker. Dies belegt die VERO-Gruppe mit 1360 Patientinnen. Es handelte sich um eine Doppelblindstudie an postmenopausalen Frauen mit mindestens 2 mittelschweren oder 1 schweren Wirbelfraktur und einem BMD-T-Score ? –1,5 bei Studieneintritt bei erlaubter vorheriger antiresorptiver Therapie. Die Randomisierung erfolgte auf 20 µg Teriparatid sc oder 35 mg orales Risedronat einmal wöchentlich über 24 Monate, wobei 680 Patientinnen in jeder Gruppe waren. Der primäre Endpunkt waren neue radiologische Wirbelfrakturen: Nach 24 Monaten traten neue Wirbelfrakturen bei 28 von 680 Patienten (5,4 %) in der Teriparatid-Gruppe und 64 von 680 (12,0 %) Patienten in der Risedronat-Gruppe auf (Risikoverhältnis 0,44, 95 % CI 0,29, 0,68; p < 0?0001). Auch die klinischen Frakturen (ein Kompositum aus nicht-vertebralen und symptomatischen vertebralen Frakturen) wurden reduziert (Hazard Ratio 0,48, 95 % CI 0,32, 0,74; p = 0,0009), wobei kein signifikanter Unterschied bei den nicht-vertebralen Fragilitätsfrakturen beobachtet wurde, dies konnte in später veröffentlichen Metaanalysen und Subgruppenanalysen jedoch gezeigt werden [22, 23, 24].

Eine Vergleichsstudie zwischen Romosozumab und dem oralen Bisphosphonat Alendronat beweist ebenso die Überlegenheit eines osteoanabolen Therapieansatzes im Vergleich zu einem oral antiresorptiven. In der ARCH-Studie wurde Romosozumab direkt mit dem Bisphosphonat Alendronat verglichen. 4093 Frauen im Alter von 55?90 Jahren mit prävalenten osteoporotischen Frakturen wurden in die Studie aufgenommen und randomisiert, entweder auf Romosozumab 210 mg einmal monatlich subkutan oder Alendronat 70 mg einmal wöchentlich oral über 1 Jahr doppelblind zu erhalten. Alle Teilnehmerinnen erhielten anschließend für den Rest der Studie Alendronat in offener Dosierung mit einem Time-to-Event-Design, was einer medianen Behandlungsdauer von 2,7 Jahren (33 Monaten) entsprach. Romosozumab, gefolgt von Alendronat, war wirksamer als Alendronat bei der Verhinderung von Wirbelfrakturen nach 24 Monaten (Risikoverhältnis 0,52; Inzidenz 6,2 % gegenüber 11,9 %; p < 0,001) und von klinischen Frakturen zum Zeitpunkt der primären Analyse, den ko-primären Endpunkten (Risikoverhältnis 0,73; Inzidenz 9,7 % gegenüber 13,0 %; p < 0,001). Darüber hinaus war das Risiko für nicht-vertebrale Frakturen in der Romosozumab-zu-Alendronat-Gruppe um 19 % geringer als in der Alendronat-zu-Alendronat-Gruppe (Inzidenz 8,7 % vs. 10,6 %; p = 0,04) und das Risiko für Hüftfrakturen um 38 % geringer (Inzidenz 2,0 % vs. 3,2 %; p = 0,02) [25].

Die genannten osteoanabolen Therapien müssen selbstverständlich wie jede Therapie unter Abwägung von Nutzen und Risiko eingesetzt werden. Hierbei sind die Kontraindikationen der Medikationen zu beachten und die Hinweise in den jeweiligen Fachinformationen.

Rasche Frakturrisikosenkung

Liegt ein imminent erhöhtes Frakturrisiko vor, so sollte Ziel der Osteoporosetherapie sein, dieses Frakturrisiko rasch zu senken. Eine Möglichkeit, dieses Kriterium zeitlich zu definieren ist, die Frakturrisikosenkung innerhalb des ersten Jahres der Therapie zu betrachten. Die Ergebnisse einer solchen Betrachtungsweise fasst ein Paper aus dem Jahre 2021 zusammen [26], eine Übersichtsarbeit deren Ziel es war, die Ergebnisse verschiedener Metaanalysen, Netzwerk-Metaanalysen und randomisiert kontrollierter Studien zusammenzufassen, um die Wahl des besten therapeutischen Ansatzes zur Prävention imminenter Frakturen zu erleichtern. Im Ergebnis zeigten die verfügbaren Netzwerk-Metaanalysen und Metaanalysen, dass Osteoanabolika im Vergleich zu allen oralen Bisphosphonaten sowie Zoledronat und Denosumab eine höhere Wirksamkeit hinsichtlich Verhinderung von Wirbelfrakturen haben, Head-To-Head-Studien aber im Vergleich zu parenteralen Bisphosphonaten und Denosumab fehlen. Bei Patienten mit hohem Frakturrisiko, so die Empfehlung dieser Analyse, ist eine Therapie mit einem Osteoanabolikum, primär in Situationen imminent erhöht liegenden Frakturrisikos zu empfehlen oder aber, wenn dies nicht möglich ist, die Gabe starker Antiresorptiva (Denosumab und Zoledronat), da auch sie das Frakturrisiko rasch senken, dies jedoch ohne Änderung der Knochenqualität.

International wird bereits ein Paradigmenwechsel in der Therapie der Osteoporose diskutiert, dies in Form einer osteoanabolen Therapie FIRST in Hochrisikopatienten, analog zu dem Prinzip der angestrebten Remission einer Erkrankung in anderen Therapiebereichen (Abb. 1) [27].

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass bestimmte Frakturrisikofaktoren das Frakturrisiko individuell so deutlich erhöhen, dass von einer Hochrisikosituation gesprochen werden muss. Solche Hochrisikosituationen werden bezogen auf eine stattgefundene Fraktur als imminentes Frakturrisiko bezeichnet, eine Begrifflichkeit, die sich auf das Frakturrisiko bis zu 2 Jahren nach einer stattgefundenen Fraktur bezieht. Neben der Fraktur erhöht eine hochdosierte Glukokortikoidtherapie sowie in Kombination mit dem Alter ein erhöhtes Sturzrisiko das Frakturrisiko imminent.

In einer solchen Hochrisikosituation ist geboten, die bestmögliche Therapie zur Frakturrisikosenkung einzusetzen, und hier belegen die genannten Studien zu den Osteoanabolika, dass dies mit der Gabe von Osteoanabolika gegeben ist.

Eine osteoanabole Therapie kann nur für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden (24 Monate Teriparatid einmalig und 12 Monate Romosozumab pro Zyklus), weswegen eine Anschlusstherapie mit Antiresorptiva zum Erhalt der gewonnen Knochenmasse und zur Gewährleistung einer fortgesetzten Frakturrisikosenkung eine „conditio sine qua non“ therapeutisch darstellt.

In der Situation, in der eine osteoanabole Therapie keine Möglichkeit darstellt, sind die parenteralen Therapien Denosumab und Zoledronat eine alternative Möglichkeit, das Frakturrisiko rasch, i.e. innerhalb eines Jahres zu senken. Wichtig ist eine fortgesetzte, frakturrisikosenkende Therapie, da ein imminent erhöhtes Risiko mit einem langfristig erhöht liegenden Frakturrisiko verbunden ist.

Interessenkonflikte:

F. Thomasius: Beratung/Studien/Vorträge für Amgen, Freseniu, Gedeon-Richter, Hologic, Lilly, Novartis, Hexal, Kyowa Kirin, Stadapharm, Theramex, Das Fortbildungskolleg, UCB.
U. Maus: Vortrags- und Beraterhonorare von Alexion, Lilly Deutschland, UCB, Amgen, The-ramex, Kyowa Kirin, AgNovos

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Dr. Friederike Thomasius

Frankfurter Hormon- &

Osteoporosezentrum

Goethestraße 23

60313 Frankfurt

thomasius@dv-osteologie.de

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