Übersichtsarbeiten - OUP 03/2022

Imminentes Frakturrisiko
Diagnostik und Therapie bei Patienten mit sehr hohem Risiko für osteoporotische Frakturen

Eine Vergleichsstudie zwischen Romosozumab und dem oralen Bisphosphonat Alendronat beweist ebenso die Überlegenheit eines osteoanabolen Therapieansatzes im Vergleich zu einem oral antiresorptiven. In der ARCH-Studie wurde Romosozumab direkt mit dem Bisphosphonat Alendronat verglichen. 4093 Frauen im Alter von 55?90 Jahren mit prävalenten osteoporotischen Frakturen wurden in die Studie aufgenommen und randomisiert, entweder auf Romosozumab 210 mg einmal monatlich subkutan oder Alendronat 70 mg einmal wöchentlich oral über 1 Jahr doppelblind zu erhalten. Alle Teilnehmerinnen erhielten anschließend für den Rest der Studie Alendronat in offener Dosierung mit einem Time-to-Event-Design, was einer medianen Behandlungsdauer von 2,7 Jahren (33 Monaten) entsprach. Romosozumab, gefolgt von Alendronat, war wirksamer als Alendronat bei der Verhinderung von Wirbelfrakturen nach 24 Monaten (Risikoverhältnis 0,52; Inzidenz 6,2 % gegenüber 11,9 %; p < 0,001) und von klinischen Frakturen zum Zeitpunkt der primären Analyse, den ko-primären Endpunkten (Risikoverhältnis 0,73; Inzidenz 9,7 % gegenüber 13,0 %; p < 0,001). Darüber hinaus war das Risiko für nicht-vertebrale Frakturen in der Romosozumab-zu-Alendronat-Gruppe um 19 % geringer als in der Alendronat-zu-Alendronat-Gruppe (Inzidenz 8,7 % vs. 10,6 %; p = 0,04) und das Risiko für Hüftfrakturen um 38 % geringer (Inzidenz 2,0 % vs. 3,2 %; p = 0,02) [25].

Die genannten osteoanabolen Therapien müssen selbstverständlich wie jede Therapie unter Abwägung von Nutzen und Risiko eingesetzt werden. Hierbei sind die Kontraindikationen der Medikationen zu beachten und die Hinweise in den jeweiligen Fachinformationen.

Rasche Frakturrisikosenkung

Liegt ein imminent erhöhtes Frakturrisiko vor, so sollte Ziel der Osteoporosetherapie sein, dieses Frakturrisiko rasch zu senken. Eine Möglichkeit, dieses Kriterium zeitlich zu definieren ist, die Frakturrisikosenkung innerhalb des ersten Jahres der Therapie zu betrachten. Die Ergebnisse einer solchen Betrachtungsweise fasst ein Paper aus dem Jahre 2021 zusammen [26], eine Übersichtsarbeit deren Ziel es war, die Ergebnisse verschiedener Metaanalysen, Netzwerk-Metaanalysen und randomisiert kontrollierter Studien zusammenzufassen, um die Wahl des besten therapeutischen Ansatzes zur Prävention imminenter Frakturen zu erleichtern. Im Ergebnis zeigten die verfügbaren Netzwerk-Metaanalysen und Metaanalysen, dass Osteoanabolika im Vergleich zu allen oralen Bisphosphonaten sowie Zoledronat und Denosumab eine höhere Wirksamkeit hinsichtlich Verhinderung von Wirbelfrakturen haben, Head-To-Head-Studien aber im Vergleich zu parenteralen Bisphosphonaten und Denosumab fehlen. Bei Patienten mit hohem Frakturrisiko, so die Empfehlung dieser Analyse, ist eine Therapie mit einem Osteoanabolikum, primär in Situationen imminent erhöht liegenden Frakturrisikos zu empfehlen oder aber, wenn dies nicht möglich ist, die Gabe starker Antiresorptiva (Denosumab und Zoledronat), da auch sie das Frakturrisiko rasch senken, dies jedoch ohne Änderung der Knochenqualität.

International wird bereits ein Paradigmenwechsel in der Therapie der Osteoporose diskutiert, dies in Form einer osteoanabolen Therapie FIRST in Hochrisikopatienten, analog zu dem Prinzip der angestrebten Remission einer Erkrankung in anderen Therapiebereichen (Abb. 1) [27].

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass bestimmte Frakturrisikofaktoren das Frakturrisiko individuell so deutlich erhöhen, dass von einer Hochrisikosituation gesprochen werden muss. Solche Hochrisikosituationen werden bezogen auf eine stattgefundene Fraktur als imminentes Frakturrisiko bezeichnet, eine Begrifflichkeit, die sich auf das Frakturrisiko bis zu 2 Jahren nach einer stattgefundenen Fraktur bezieht. Neben der Fraktur erhöht eine hochdosierte Glukokortikoidtherapie sowie in Kombination mit dem Alter ein erhöhtes Sturzrisiko das Frakturrisiko imminent.

In einer solchen Hochrisikosituation ist geboten, die bestmögliche Therapie zur Frakturrisikosenkung einzusetzen, und hier belegen die genannten Studien zu den Osteoanabolika, dass dies mit der Gabe von Osteoanabolika gegeben ist.

Eine osteoanabole Therapie kann nur für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden (24 Monate Teriparatid einmalig und 12 Monate Romosozumab pro Zyklus), weswegen eine Anschlusstherapie mit Antiresorptiva zum Erhalt der gewonnen Knochenmasse und zur Gewährleistung einer fortgesetzten Frakturrisikosenkung eine „conditio sine qua non“ therapeutisch darstellt.

In der Situation, in der eine osteoanabole Therapie keine Möglichkeit darstellt, sind die parenteralen Therapien Denosumab und Zoledronat eine alternative Möglichkeit, das Frakturrisiko rasch, i.e. innerhalb eines Jahres zu senken. Wichtig ist eine fortgesetzte, frakturrisikosenkende Therapie, da ein imminent erhöhtes Risiko mit einem langfristig erhöht liegenden Frakturrisiko verbunden ist.

Interessenkonflikte:

F. Thomasius: Beratung/Studien/Vorträge für Amgen, Freseniu, Gedeon-Richter, Hologic, Lilly, Novartis, Hexal, Kyowa Kirin, Stadapharm, Theramex, Das Fortbildungskolleg, UCB.
U. Maus: Vortrags- und Beraterhonorare von Alexion, Lilly Deutschland, UCB, Amgen, The-ramex, Kyowa Kirin, AgNovos

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Dr. Friederike Thomasius

Frankfurter Hormon- &

Osteoporosezentrum

Goethestraße 23

60313 Frankfurt

thomasius@dv-osteologie.de

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