Übersichtsarbeiten - OUP 04/2015

Implantat-assoziierte Infektionen der unteren Extremität
Klinischer Verlauf und funktionelles LangzeitergebnisClinical course and long-term results

M. Morgenstern1, C. Erichsen1, S. Hungerer1, M. Militz1, V. Bühren1

Zusammenfassung

Einleitung: Die Behandlung von Implantat-assoziierten Infektionen stellt nach wie vor sowohl für den behandelnden Chirurgen als auch den Mikrobiologen eine große Herausforderung dar. Zumeist sind mehrfache Operationen in Kombination mit systemischen und lokalen Antibiotikagaben notwendig, um Knocheninfektionen der betroffenen Extremität zu sanieren. Häufig verbleiben jedoch erhebliche Funktionsminderungen der betroffenen Extremität. Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis stellen hierbei die häufigsten Krankheitserreger dar. Ziel dieser Studie ist die Erhebung des klinischen Verlaufs sowie des Langzeitergebnis bei Implantat-assoziierten Infektionen mit Staphylokokken und der Vergleich dieser Parameter zwischen den beiden häufigsten Krankheitserregern, S. aureus und S. epidermidis.

Methoden: Es wurden Daten von 165 Patienten mit einer Implantat-assoziierten Infektion der unteren Extremität sowie mit positivem Keimnachweis von S. aureus und S. epidermidis prospektiv in dem Zeitraum von 24 Monaten erfasst. Die folgenden Parameter wurden erhoben: Epidemiologische Daten, Implantattyp, Früh- oder Spätinfekt, Weichteilschädigung bei initialer Fraktur und relevante Nebendiagnosen. Bei der im Mittel nach 28 Monaten (15–43 Monate) vorgenommenen Nachuntersuchung wurden die Anzahl der Revisionsoperationen, der Lower-Extremity-Functional-Score (LEFS), der SF-12-Gesundheitsfragebogen und der aktuelle Infekt-Status ermittelt.

Ergebnisse: Es konnten 72 Patienten mit einem S. aureus und 85 Patienten mit einem mit S. epidermidis assoziierten Implantat-Infekt der unteren Extremität in die Studie eingeschlossen werden. Eine Mischinfektion beider Keime wiesen 8 Patienten auf. In unserem Kollektiv handelte es sich vorwiegend um Infektionen nach Frakturversorgung (66 %) der langen Röhrenknochen, nur 34 % wiesen eine periprothetische Infektion auf. Nahezu alle Patienten benötigten zur Infekt-Sanierung und Wiederherstellung der Funktionalität mehrfache operative Eingriffe. Die Gesundheitsbefragung erbrachte ein deutlich eingeschränktes funktionelles Ergebnis (LEFS: 42) und eine geminderte körperliche (körperlicher SF-12: 34,4) und mentale Lebensqualität (mentaler SF-12: 48,0). Die statistischen Analysen erbrachten ein tendenziell besseres klinisches Langzeitergebnis und eine signifikant höhere Ausheilungsrate bei S. aureus-assoziierten Infektionen im Vergleich zu S. epidermidis-verursachten Krankheitsverläufen.

Schlussfolgerung: In dieser Arbeit wurde der klinische Verlauf und das funktionelle Langzeitergebnis bei S. aureus- und S. epidermidis-assoziierten Knocheninfektionen erfasst. Die Infekt-
Sanierung und Wiederherstellung der Funktionalität bedürfen eines langwierigen Verlaufs und häufig verbleiben erhebliche Einschränkungen sowie eine geminderte Lebensqualität.

Schlüsselwörter: Keimspektrum, Implantat-Infektion,
Endoprothese, Frakturversorgung, Staphylococcus aureus,
Staphylococcus epidermidis

Zitierweise
Morgenstern M, Erichsen C, Hungerer S, Militz M, Bühren V: Implantat-assoziierte Infektionen der unteren Extremität – Klinischer Verlauf und funktionelles Langzeitergebnis.
OUP 2015; 03: 188–195 DOI 10.3238/oup.2015.0188–0195

Summary

Introduction: The treatment of bone and implant-related
infections poses a challenge to both surgeons and microbiologists. Multiple surgical procedures as well as systemic and local antibiotics are needed to cure persistent infection and to restore the function of the limb. However major impairments often remain. Staphylococcus aureus and Staphylococcus epidermidis are the most common pathogens causing implant-related infections in orthopaedic surgery. The purpose of this study is to investigate the clinical course and the long-term outcome in staphylococci associated implant-infections. The second aim is to determine the influence of bacterial species on these parameters.

Methods: Clinical data of 165 patients with an implant-
associated infection of the lower extremity and growth of S. aureus and S. epidermidis at the site of interest were collected over a time period of 24 month. The following parameters were documented: epidemiologic data, type of implant, early- or late onset infection, open fracture and decisive comorbidities. Mean follow-up was conducted after 28 month (range: 15–43 months) recording revision surgeries, the Lower-Extremity-Functional-Score (LEFS), the SF-12 questionnaire and the current status of infection.

Results: In total 72 patients with an S. aureus and 85 patients with an S. epidermidis associated infection were included. Both pathogens were detected in 8 patients. In our cohort mainly infections after fracture fixation were treated (66 %), just one third had a prosthetic joint infection. Nearly all patients underwent multiple revision surgeries to clear infection and to restore functionality. The follow-up examination revealed a considerably limited functional result (LEFS: 42) and an impaired physical (physical SF-12: 34,4) and mental (mental SF-12: 48,0) quality of life. Statistical analysis showed that S. aureus in comparison to S. epidermidis caused infections result in an improved clinical outcome and significantly higher cure rates.

Conclusion: This study involving a large patient cohort reveals that S. aureus and S. epidermidis caused implant infections of the lower extremity result in a prolonged course to cure infection and to restore functionality. Considerable impairments and a reduced quality of life are commonly remaining.

Keywords: Bacterial flora, implant-associated infection,
endoprosthesis, fracture treatment, Staphylococcus aureus,
Staphylococcus epidermidis

Citation
Morgenstern M, Erichsen C, Hungerer S, Militz M, Bühren V. Implant-associated infections of the lower extremity – clinical course and long-term results.
OUP 2015; 03: 188–195 DOI 10.3238/oup.2015.0188–0195

Einleitung

Implantat-assoziierte Infektionen nach Fraktur-Versorgung oder Implantation einer Endoprothese sind selten, stellen aber aufgrund einer beträchtlichen Morbidität sowie langandauernden Krankheitsverläufen eine große Herausforderung für die behandelnde Ärzteschaft und das Gesundheitssystem dar [1–3]. Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis sind hierbei die beiden häufigsten Krankheitserreger [4–7] (Abb. 1). Abbildung 2 zeigt das aktuelle Erregerspektrum von 500 Patienten, welche mit einer Implantat-assoziierten Infektion der unteren Extremität in unserer Abteilung behandelt wurden und bestätigt die internationalen Literaturdaten. Zumeist sind mehrfache Operationen sowie systemische und lokale Antibiotikagaben notwendig, um die Knocheninfektion zu sanieren und die Funktion der betroffenen Extremität wiederherzustellen [8]. Ein Wiederauftreten der Infektion während der Behandlung ist jedoch keine Seltenheit [9, 10]. Häufig verbleibt als Folge ein relevantes funktionelles Defizit und nicht selten kann keine vollständige restitutio ad integrum erzielt werden [1, 9].

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