Übersichtsarbeiten - OUP 04/2015

Implantat-assoziierte Infektionen der unteren Extremität
Klinischer Verlauf und funktionelles LangzeitergebnisClinical course and long-term results

Bei den 57 Endoprothesen-Infektionen (Kniegelenk: n = 33; Hüftgelenk: n = 24) konnte vorwiegend S. epidermidis (63,2 %) nachgewiesen werden.

Meist (n = 123; 74,5 %) etablierte sich die Infektion mehr als 6 Wochen nach Frakturversorgung (73,1 %) bzw. Endoprothesen-Implantation (77,2 %). Es bestand kein Unterschied zwischen S. aureus - (76,4 %) und S. epidermidis -assoziierten (71,8 %) Infektionen. Korrespondierend lag eine Früh-Infektion in einem Viertel der Fälle (n = 42; 25,5 %) vor.

Das Langzeitergebnis konnte im Mittel 28 Monate (15–43 Monate) nach Aufnahme in die Studie bei 81,2 % der Studienteilnehmer erhoben werden. Während dieses Nachuntersuchungs-Intervalls waren bei nahezu allen Patienten (n = 126; 94,0 %) mehrfache operative Revisionen (mehr als eine) notwendig, um den Krankheitserreger zu eradizieren und die Funktion der betroffenen Extremität wiederherzustellen. Ein einzeitiger Wechsel des Implantat-Materials (Gesamtkollektiv: n = 8; 6,0 %) konnte sowohl bei S. aureus - (n = 2; 3,4 %) als auch bei S. epidermidis - (n = 6; 8,6 %) assoziierten Infektionen nur selten durchgeführt werden. Nach initialer Eradikation des Krankheitserregers ist es bei einem Drittel der Betroffenen (n = 45; 33,6 %) zu einem Wiederauftreten einer Infektion mit positivem Keimnachweis gekommen. Im Gesamtkollektiv wiesen 7 Patienten eine persistierende Infektion im Sinne einer Dauerfistel auf, wobei kein wesentlicher Unterschied zwischen den Bakterienspezies detektiert werden konnte.

Eine Ausheilung der betroffenen Extremität konnte bei 81,3 % der Patienten (n = 109) erreicht werden. Die statistischen Analysen erbrachten jedoch einen signifikanten Unterschied zwischen S. aureus- (n = 53; 91,4 %) und S. epidermidis- (n = 54; 77,1 %) assoziierten Infektionen. Bei Letzteren lag zum Nachuntersuchungszeitpunkt noch in knapp einem Viertel der Fälle eine andauernde Therapie, ein interventionspflichtiger Befund oder eine persistierende Infektion vor.

Die Nachuntersuchung erbrachte, dass Patienten nach Implantat-assoziiertem Infekt der unteren Extremität unter erheblichen funktionellen Einbußen (mittlerer LEFS Skalenwert: 42,0; 3–80) sowie einer deutlich geminderten körperlichen (mittlerer körperlicher SF-12 Skalenwert: 34,4) Lebensqualität leiden. Ein sehr gutes funktionelles Ergebnis mit Wiederherstellung der Gelenkfunktion sowie der Beinlänge oder -Achse konnte bei 44,0 % der Betroffenen (n = 59) erreicht werden. Eine mittlere Beinlängendifferenz von 2,3 cm ist bei 68 Patienten verblieben, wobei verstärkt Patienten mit einem S. epidermidis-Infekt betroffen waren. Neben den funktionellen Beeinträchtigungen wiesen die Patienten auch eine Kompromittierung des psychischen Gesundheitszustands (mittlerer mentaler SF-12 Skalenwert: 48,0) auf. Zusammenfassend zeichnete sich nach S. aureus-assoziierter Infektion ein tendenziell besseres Langzeitergebnis als nach Implantat-Infektion mit S. epidermidis ab.

Vergleicht man Infektionen nach Frakturversorgung mit Endoprothesen-Infektionen, können ein im Wesentlichen indifferenter klinischer Verlauf und gleiche Ausheilungsraten nachgewiesen werden. Neben einer deutlich erhöhten Amputationsrate leiden Patienten nach infiziertem Oberflächenersatz unter einer eingeschränkteren Funktionalität sowie Mobilität (s. Tab. 2). Kommt es nach osteosynthetisch versorgter Fraktur zur Infektion, so können S. aureus und S. epidermidis im gleichen Maße im Implantat-Lager nachgewiesen werden. Bei Endoprothesen-Infektionen überwiegt S. epidermidis als verursachender Krankheitserreger.

Diskussion

Diese Studie konnte zeigen, dass Patienten mit einer Implantat-assoziierten Infektion, verursacht durch S. aureus oder S. epidermidis , unter einem protrahierten Heilungsverlauf sowie erheblichen funktionellen Beeinträchtigungen und einer geminderten Lebensqualität leiden. Trotz mehrfacher Revisionseingriffe ist es bei einem Drittel der Betroffenen zu einem Wiederauftreten einer Infektion am behandelten Knochen oder Gelenk gekommen. Eine Ausheilung mit Eradikation des Infekts und abgeschlossener Behandlung konnte nach 2,3 Jahren bei über 80 % des Gesamtkollektivs erreicht werden, wobei eine signifikant schlechtere Heilungsrate bei S. epidermidis-assoziierten Infektionen nachgewiesen werden konnte. Auch die funktionellen Ergebnisse und die Lebensqualität waren nach S. epidermidis-versursachter Infektion im Vergleich zu S. aureus deutlich minimiert. S. epidermidis stellt somit nach Einschätzung der Autoren nicht den kleinen Bruder von S. aureus dar und sollte nicht, wie in vereinzelter Literatur [1] postuliert, zurückhaltender behandelt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass klinische S. epidermidis -Isolate ausgeprägte Antibiotika-Resistenzspektren und in 75–90 % der Fälle eine Methicillin-Resistenz aufweisen [19].

Unsere Ergebnisse belegen Daten aus der Literatur mit Re-Infektionsraten von 12–38 % sowie Heilungsraten von 72–82 % und verdeutlichen, dass sowohl S. aureus als auch S. epidermidis für protrahierte Krankheitsverläufe verantwortlich sind [9, 10, 20]. Bei Patienten mit einer Mischinfektion scheint sich mit einer Heilungsrate von 33 % und Re-Infektionsrate von 83 % der Effekt beider Krankheitserreger zu potenzieren. Aufgrund der geringen Fallzahl von Patienten mit Mischinfektion kann dies lediglich als Trend ohne statistische Aussagekraft gewertet werden, weshalb dieses Kollektiv von der statistischen Analyse ausgenommen wurde.

In unserem Kollektiv manifestierte sich die Infektion überwiegend als Spät-Infektion. Eine Erklärung hierfür ist, dass wir ein selektioniertes Patientenkollektiv behandeln. Der Hauptanteil unserer Patienten wird uns vor allem im Rahmen des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens bei chronifizierten Beschwerden aus einem großen Einzugsgebiet zugewiesen. Früh-Infekte, welche meist unmittelbar postoperativ auftreten, werden im Regelfall vom initialen Operateur behandelt und primär nicht in unser Zentrum verlegt. Möglicherweise erklärt dies auch, dass in dieser Studie selbst bei S. aureus-assoziierten Infektionen nicht vermehrt eine Früh-Infektion nachgewiesen werden konnte. In der Literatur werden virulente Organismen wie S. aureus vor allem für akute Manifestationen und weniger virulente Krankheitserreger wie Koagulase-negative Staphylokokken überwiegend für chronische „low-grade“ Infektionen verantwortlich gemacht [21]. Die höhere Virulenz von S. aureus ist im Studienkollektiv hingegen an einer 5-fach erhöhten Mortalitätsrate (s. Tab. 1) zu erkennen.

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