Übersichtsarbeiten - OUP 04/2015

Implantat-assoziierte Infektionen der unteren Extremität
Klinischer Verlauf und funktionelles LangzeitergebnisClinical course and long-term results

Primäres Ziel dieser Studie ist die Erhebung des klinischen Verlaufs sowie des Langzeitergebnisses in einem großen Kollektiv von Patienten mit Staphylokokken-verursachten Implantat-Infektionen. Des weiteren soll analysiert werden, ob S. aureus- und S. epidermidis-assoziierte Infektionen einen unterschiedlichen klinischen Verlauf und Behandlungsergebnisse aufweisen.

Material und Methoden

Es wurden prospektiv die Daten von 165 Patienten erfasst, welche mit einer Implantat-assoziierten Infektion der unteren Extremität bei positivem Keimnachweis mit S. aureus oder S. epidermidis von Oktober 2011 bis September 2013 in unserer Klinik behandelt wurden. Einschlusskriterien waren eine Implantat-assoziierte Infektion der langen Röhrenknochen oder der großen Gelenke (Hüft-, Knie- und oberes Sprunggelenk), der unteren Extremität sowie der positive Keimnachweis von S. aureus oder S. epidermidis. Ein Implantat-assoziierter Infekt wurde definiert, wenn die Kombination aus positiven Keimnachweis aus dem Implantat-Lager und klinische Zeichen einer Infektion, wie Rötung, Schwellung, Überwärmung und Wundsekretion oder eine Pseudoarthrose bzw. eine Endoprothesen-Lockerung vorlagen [1, 11]. Ein positiver Keimnachweis ohne jegliche klinische Symptomatik wurde als Kontamination gewertet [11]. Ausschlusskriterien waren neben der Kontamination die Knocheninfektion ohne einliegendes Implantat oder die Pin-Infektion bei liegendem Fixateur externe. Bei Eintritt in die Studie wurden folgende Parameter erhoben: Alter, Geschlecht, Körpergewicht und Körpergröße, Lokalisation des Infekts, Implantat-Typ und Akut-Status des Infekts. Bei Infektionen nach Frakturversorgung wurde die begleitende initiale Weichteilschädigung im Sinne einer offenen Fraktur erfasst. Neben Risikofaktoren wie Nikotinabusus wurden relevante Nebendiagnosen mit dem Charlson Comorbidity Index (CCI) erfasst und der Immunstatus dokumentiert [12]. Chronische Immunsuppression wurde als das Vorliegen einer der folgenden Parameter definiert: Diabetes mellitus, chronischer Alkoholkonsum, Leberzirrhose Child C, Neoplasie, Z.n. Organtransplantation, HIV-Infektion oder Steroid-Einnahme [9]. Bezüglich der Definition der Akutität der Infektion herrscht in der Literatur Uneinigkeit [13–15]. Die Autoren haben einen Früh-Infekt definiert, wenn sich innerhalb von 6 Wochen nach Implantation die Infektion manifestiert hat. Während des Behandlungsverlaufs wurden die Anzahl der Revisionsoperationen und das Wiederauftreten einer relevanten Infektion nach bereits erfolgter Keimeradikation dokumentiert. Ein Wiederauftreten der Infektion wurde wie folgt definiert: Jeglicher Nachweis von Bakterienwachstum am betroffenen Knochen, welcher eine chirurgische Intervention oder antimikrobielle Medikation vonnöten machte.

Bei der im Mittel nach 28 Monaten (15–43 Monate) vorgenommenen Nachuntersuchung wurden der Lower-Extremity-Functional-Score (LEFS) [16], das klinisch funktionelle Ergebnis, der SF-12 Gesundheitsfragebogen [17] und der aktuelle Infekt-Status erhoben. Als gutes klinisch funktionelles Ergebnis wurde definiert: Beinlängendifferenz unter 2 cm, weitestgehende Wiederherstellung der Gelenkfunktion sowie Mobilisation ohne Gehhilfen. Ausheilung lag vor, wenn keine Infektion persistierte (fehlende lokale und systemische Infekt-Zeichen sowie unauffällige Laborkontrolle) und der endgültige funktionelle Zustand erreicht wurde sowie kein operativer Eingriff geplant war. Eine fehlende Ausheilung liegt beispielsweise bei laufendem Segmenttransport oder persistierender Pseudoarthrose vor.

Neben der deskriptiven Auswertung der Daten wurden der klinische Verlauf und das Langzeitergebnis von Patienten mit S. aureus- und S. epidermidis -assoziierter Infektion verglichen. Die statistische Analyse erfolgte unter Verwendung des Fischer-Exakt-Tests sowie des Student-T-Tests. Statistische Signifikanz wurde angenommen bei Werten von p < 0,05.

Ergebnisse

Im Zeitraum von 24 Monaten wurden insgesamt 212 Patienten mit einer S. aureus- oder S. epidermidis-assoziierten Implantat-Infektion in unserer Klinik behandelt. Es konnten davon 72 Patienten mit einem S. aureus- und 85 Patienten mit einem S. epidermidis -assoziierten Implantat-Infekt der unteren Extremität in die Studie eingeschlossen werden. Eine Mischinfektion beider Keime wiesen 8 Patienten auf. Folglich waren bei insgesamt 165 Patienten (77,8 %) die langen Röhrenknochen der unteren Extremität oder das Hüft-, bzw. Kniegelenk betroffen (s. Tab. 1). Die übrigen Lokalisationen wie obere Extremität, Fußskelett und Wirbelsäule wurden von dieser Erhebung ausgeschlossen.

Das vorwiegend männliche Patientenkollektiv (n = 113; 68,5 %) wies ein Durchschnittsalter von 54,4 Jahren auf (19–94 Jahre). Ein erheblicher Anteil des Studienkollektivs bot Risikofaktoren wie Nikotinabusus (n = 49; 29,7 %), Adipositas (n = 60; 36,4 %) (Body Mass Index ? 30 kg/m2) [18] oder Diabetes mellitus (n = 33; 20 %). Bei 26,1 % der Patienten lag entsprechend oben aufgeführter Definition ein kompromittierter Immunstatus vor [9]. Relevante Nebendiagnosen wurden im Charlson Comorbidity Index erfasst und erbrachten für das Gesamtkollektiv einen Mittelwert von 2,7 (Median: 2; 0–11). Vergleicht man die Gruppen von S. aureus- und S. epidermidis-assoziierten Infektionen, findet man eine homogene Alters- und Geschlechtsverteilung, wobei ein deutlich größerer Anteil der Patienten mit S. epidermidis -Infekt adipös war (44,7 % vs. 29,2 % bei S. aureus), jedoch im Gegenzug weniger relevante Nebendiagnosen aufwiesen (CCI: 2,1 vs. 3,5 bei S. aureus ).

In unserer Abteilung wurden vorwiegend Implantat-assoziierte Infektionen nach Frakturversorgung behandelt (n = 108; 65,5 %), wobei initial 38,9 % (42 von 108) der Patienten eine offene Fraktur erlitten. Eine septische Komplikation manifestierte sich häufiger nach Plattenosteosynthese (50,0 % der Infektionen) als nach Marknagelosteosynthese (38,0 % der Infektionen). Der Unterschenkel mit dem oberen Sprunggelenk stellt die prädisponierte Lokalisation (n = 88; 53,3 %) dar.

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