Übersichtsarbeiten - OUP 04/2015

Implantat-assoziierte Infektionen der unteren Extremität
Klinischer Verlauf und funktionelles LangzeitergebnisClinical course and long-term results

M. Morgenstern1, C. Erichsen1, S. Hungerer1, M. Militz1, V. Bühren1

Zusammenfassung

Einleitung: Die Behandlung von Implantat-assoziierten Infektionen stellt nach wie vor sowohl für den behandelnden Chirurgen als auch den Mikrobiologen eine große Herausforderung dar. Zumeist sind mehrfache Operationen in Kombination mit systemischen und lokalen Antibiotikagaben notwendig, um Knocheninfektionen der betroffenen Extremität zu sanieren. Häufig verbleiben jedoch erhebliche Funktionsminderungen der betroffenen Extremität. Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis stellen hierbei die häufigsten Krankheitserreger dar. Ziel dieser Studie ist die Erhebung des klinischen Verlaufs sowie des Langzeitergebnis bei Implantat-assoziierten Infektionen mit Staphylokokken und der Vergleich dieser Parameter zwischen den beiden häufigsten Krankheitserregern, S. aureus und S. epidermidis.

Methoden: Es wurden Daten von 165 Patienten mit einer Implantat-assoziierten Infektion der unteren Extremität sowie mit positivem Keimnachweis von S. aureus und S. epidermidis prospektiv in dem Zeitraum von 24 Monaten erfasst. Die folgenden Parameter wurden erhoben: Epidemiologische Daten, Implantattyp, Früh- oder Spätinfekt, Weichteilschädigung bei initialer Fraktur und relevante Nebendiagnosen. Bei der im Mittel nach 28 Monaten (15–43 Monate) vorgenommenen Nachuntersuchung wurden die Anzahl der Revisionsoperationen, der Lower-Extremity-Functional-Score (LEFS), der SF-12-Gesundheitsfragebogen und der aktuelle Infekt-Status ermittelt.

Ergebnisse: Es konnten 72 Patienten mit einem S. aureus und 85 Patienten mit einem mit S. epidermidis assoziierten Implantat-Infekt der unteren Extremität in die Studie eingeschlossen werden. Eine Mischinfektion beider Keime wiesen 8 Patienten auf. In unserem Kollektiv handelte es sich vorwiegend um Infektionen nach Frakturversorgung (66 %) der langen Röhrenknochen, nur 34 % wiesen eine periprothetische Infektion auf. Nahezu alle Patienten benötigten zur Infekt-Sanierung und Wiederherstellung der Funktionalität mehrfache operative Eingriffe. Die Gesundheitsbefragung erbrachte ein deutlich eingeschränktes funktionelles Ergebnis (LEFS: 42) und eine geminderte körperliche (körperlicher SF-12: 34,4) und mentale Lebensqualität (mentaler SF-12: 48,0). Die statistischen Analysen erbrachten ein tendenziell besseres klinisches Langzeitergebnis und eine signifikant höhere Ausheilungsrate bei S. aureus-assoziierten Infektionen im Vergleich zu S. epidermidis-verursachten Krankheitsverläufen.

Schlussfolgerung: In dieser Arbeit wurde der klinische Verlauf und das funktionelle Langzeitergebnis bei S. aureus- und S. epidermidis-assoziierten Knocheninfektionen erfasst. Die Infekt-
Sanierung und Wiederherstellung der Funktionalität bedürfen eines langwierigen Verlaufs und häufig verbleiben erhebliche Einschränkungen sowie eine geminderte Lebensqualität.

Schlüsselwörter: Keimspektrum, Implantat-Infektion,
Endoprothese, Frakturversorgung, Staphylococcus aureus,
Staphylococcus epidermidis

Zitierweise
Morgenstern M, Erichsen C, Hungerer S, Militz M, Bühren V: Implantat-assoziierte Infektionen der unteren Extremität – Klinischer Verlauf und funktionelles Langzeitergebnis.
OUP 2015; 03: 188–195 DOI 10.3238/oup.2015.0188–0195

Summary

Introduction: The treatment of bone and implant-related
infections poses a challenge to both surgeons and microbiologists. Multiple surgical procedures as well as systemic and local antibiotics are needed to cure persistent infection and to restore the function of the limb. However major impairments often remain. Staphylococcus aureus and Staphylococcus epidermidis are the most common pathogens causing implant-related infections in orthopaedic surgery. The purpose of this study is to investigate the clinical course and the long-term outcome in staphylococci associated implant-infections. The second aim is to determine the influence of bacterial species on these parameters.

Methods: Clinical data of 165 patients with an implant-
associated infection of the lower extremity and growth of S. aureus and S. epidermidis at the site of interest were collected over a time period of 24 month. The following parameters were documented: epidemiologic data, type of implant, early- or late onset infection, open fracture and decisive comorbidities. Mean follow-up was conducted after 28 month (range: 15–43 months) recording revision surgeries, the Lower-Extremity-Functional-Score (LEFS), the SF-12 questionnaire and the current status of infection.

Results: In total 72 patients with an S. aureus and 85 patients with an S. epidermidis associated infection were included. Both pathogens were detected in 8 patients. In our cohort mainly infections after fracture fixation were treated (66 %), just one third had a prosthetic joint infection. Nearly all patients underwent multiple revision surgeries to clear infection and to restore functionality. The follow-up examination revealed a considerably limited functional result (LEFS: 42) and an impaired physical (physical SF-12: 34,4) and mental (mental SF-12: 48,0) quality of life. Statistical analysis showed that S. aureus in comparison to S. epidermidis caused infections result in an improved clinical outcome and significantly higher cure rates.

Conclusion: This study involving a large patient cohort reveals that S. aureus and S. epidermidis caused implant infections of the lower extremity result in a prolonged course to cure infection and to restore functionality. Considerable impairments and a reduced quality of life are commonly remaining.

Keywords: Bacterial flora, implant-associated infection,
endoprosthesis, fracture treatment, Staphylococcus aureus,
Staphylococcus epidermidis

Citation
Morgenstern M, Erichsen C, Hungerer S, Militz M, Bühren V. Implant-associated infections of the lower extremity – clinical course and long-term results.
OUP 2015; 03: 188–195 DOI 10.3238/oup.2015.0188–0195

Einleitung

Implantat-assoziierte Infektionen nach Fraktur-Versorgung oder Implantation einer Endoprothese sind selten, stellen aber aufgrund einer beträchtlichen Morbidität sowie langandauernden Krankheitsverläufen eine große Herausforderung für die behandelnde Ärzteschaft und das Gesundheitssystem dar [1–3]. Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis sind hierbei die beiden häufigsten Krankheitserreger [4–7] (Abb. 1). Abbildung 2 zeigt das aktuelle Erregerspektrum von 500 Patienten, welche mit einer Implantat-assoziierten Infektion der unteren Extremität in unserer Abteilung behandelt wurden und bestätigt die internationalen Literaturdaten. Zumeist sind mehrfache Operationen sowie systemische und lokale Antibiotikagaben notwendig, um die Knocheninfektion zu sanieren und die Funktion der betroffenen Extremität wiederherzustellen [8]. Ein Wiederauftreten der Infektion während der Behandlung ist jedoch keine Seltenheit [9, 10]. Häufig verbleibt als Folge ein relevantes funktionelles Defizit und nicht selten kann keine vollständige restitutio ad integrum erzielt werden [1, 9].

Primäres Ziel dieser Studie ist die Erhebung des klinischen Verlaufs sowie des Langzeitergebnisses in einem großen Kollektiv von Patienten mit Staphylokokken-verursachten Implantat-Infektionen. Des weiteren soll analysiert werden, ob S. aureus- und S. epidermidis-assoziierte Infektionen einen unterschiedlichen klinischen Verlauf und Behandlungsergebnisse aufweisen.

Material und Methoden

Es wurden prospektiv die Daten von 165 Patienten erfasst, welche mit einer Implantat-assoziierten Infektion der unteren Extremität bei positivem Keimnachweis mit S. aureus oder S. epidermidis von Oktober 2011 bis September 2013 in unserer Klinik behandelt wurden. Einschlusskriterien waren eine Implantat-assoziierte Infektion der langen Röhrenknochen oder der großen Gelenke (Hüft-, Knie- und oberes Sprunggelenk), der unteren Extremität sowie der positive Keimnachweis von S. aureus oder S. epidermidis. Ein Implantat-assoziierter Infekt wurde definiert, wenn die Kombination aus positiven Keimnachweis aus dem Implantat-Lager und klinische Zeichen einer Infektion, wie Rötung, Schwellung, Überwärmung und Wundsekretion oder eine Pseudoarthrose bzw. eine Endoprothesen-Lockerung vorlagen [1, 11]. Ein positiver Keimnachweis ohne jegliche klinische Symptomatik wurde als Kontamination gewertet [11]. Ausschlusskriterien waren neben der Kontamination die Knocheninfektion ohne einliegendes Implantat oder die Pin-Infektion bei liegendem Fixateur externe. Bei Eintritt in die Studie wurden folgende Parameter erhoben: Alter, Geschlecht, Körpergewicht und Körpergröße, Lokalisation des Infekts, Implantat-Typ und Akut-Status des Infekts. Bei Infektionen nach Frakturversorgung wurde die begleitende initiale Weichteilschädigung im Sinne einer offenen Fraktur erfasst. Neben Risikofaktoren wie Nikotinabusus wurden relevante Nebendiagnosen mit dem Charlson Comorbidity Index (CCI) erfasst und der Immunstatus dokumentiert [12]. Chronische Immunsuppression wurde als das Vorliegen einer der folgenden Parameter definiert: Diabetes mellitus, chronischer Alkoholkonsum, Leberzirrhose Child C, Neoplasie, Z.n. Organtransplantation, HIV-Infektion oder Steroid-Einnahme [9]. Bezüglich der Definition der Akutität der Infektion herrscht in der Literatur Uneinigkeit [13–15]. Die Autoren haben einen Früh-Infekt definiert, wenn sich innerhalb von 6 Wochen nach Implantation die Infektion manifestiert hat. Während des Behandlungsverlaufs wurden die Anzahl der Revisionsoperationen und das Wiederauftreten einer relevanten Infektion nach bereits erfolgter Keimeradikation dokumentiert. Ein Wiederauftreten der Infektion wurde wie folgt definiert: Jeglicher Nachweis von Bakterienwachstum am betroffenen Knochen, welcher eine chirurgische Intervention oder antimikrobielle Medikation vonnöten machte.

Bei der im Mittel nach 28 Monaten (15–43 Monate) vorgenommenen Nachuntersuchung wurden der Lower-Extremity-Functional-Score (LEFS) [16], das klinisch funktionelle Ergebnis, der SF-12 Gesundheitsfragebogen [17] und der aktuelle Infekt-Status erhoben. Als gutes klinisch funktionelles Ergebnis wurde definiert: Beinlängendifferenz unter 2 cm, weitestgehende Wiederherstellung der Gelenkfunktion sowie Mobilisation ohne Gehhilfen. Ausheilung lag vor, wenn keine Infektion persistierte (fehlende lokale und systemische Infekt-Zeichen sowie unauffällige Laborkontrolle) und der endgültige funktionelle Zustand erreicht wurde sowie kein operativer Eingriff geplant war. Eine fehlende Ausheilung liegt beispielsweise bei laufendem Segmenttransport oder persistierender Pseudoarthrose vor.

Neben der deskriptiven Auswertung der Daten wurden der klinische Verlauf und das Langzeitergebnis von Patienten mit S. aureus- und S. epidermidis -assoziierter Infektion verglichen. Die statistische Analyse erfolgte unter Verwendung des Fischer-Exakt-Tests sowie des Student-T-Tests. Statistische Signifikanz wurde angenommen bei Werten von p < 0,05.

Ergebnisse

Im Zeitraum von 24 Monaten wurden insgesamt 212 Patienten mit einer S. aureus- oder S. epidermidis-assoziierten Implantat-Infektion in unserer Klinik behandelt. Es konnten davon 72 Patienten mit einem S. aureus- und 85 Patienten mit einem S. epidermidis -assoziierten Implantat-Infekt der unteren Extremität in die Studie eingeschlossen werden. Eine Mischinfektion beider Keime wiesen 8 Patienten auf. Folglich waren bei insgesamt 165 Patienten (77,8 %) die langen Röhrenknochen der unteren Extremität oder das Hüft-, bzw. Kniegelenk betroffen (s. Tab. 1). Die übrigen Lokalisationen wie obere Extremität, Fußskelett und Wirbelsäule wurden von dieser Erhebung ausgeschlossen.

Das vorwiegend männliche Patientenkollektiv (n = 113; 68,5 %) wies ein Durchschnittsalter von 54,4 Jahren auf (19–94 Jahre). Ein erheblicher Anteil des Studienkollektivs bot Risikofaktoren wie Nikotinabusus (n = 49; 29,7 %), Adipositas (n = 60; 36,4 %) (Body Mass Index ? 30 kg/m2) [18] oder Diabetes mellitus (n = 33; 20 %). Bei 26,1 % der Patienten lag entsprechend oben aufgeführter Definition ein kompromittierter Immunstatus vor [9]. Relevante Nebendiagnosen wurden im Charlson Comorbidity Index erfasst und erbrachten für das Gesamtkollektiv einen Mittelwert von 2,7 (Median: 2; 0–11). Vergleicht man die Gruppen von S. aureus- und S. epidermidis-assoziierten Infektionen, findet man eine homogene Alters- und Geschlechtsverteilung, wobei ein deutlich größerer Anteil der Patienten mit S. epidermidis -Infekt adipös war (44,7 % vs. 29,2 % bei S. aureus), jedoch im Gegenzug weniger relevante Nebendiagnosen aufwiesen (CCI: 2,1 vs. 3,5 bei S. aureus ).

In unserer Abteilung wurden vorwiegend Implantat-assoziierte Infektionen nach Frakturversorgung behandelt (n = 108; 65,5 %), wobei initial 38,9 % (42 von 108) der Patienten eine offene Fraktur erlitten. Eine septische Komplikation manifestierte sich häufiger nach Plattenosteosynthese (50,0 % der Infektionen) als nach Marknagelosteosynthese (38,0 % der Infektionen). Der Unterschenkel mit dem oberen Sprunggelenk stellt die prädisponierte Lokalisation (n = 88; 53,3 %) dar.

Bei den 57 Endoprothesen-Infektionen (Kniegelenk: n = 33; Hüftgelenk: n = 24) konnte vorwiegend S. epidermidis (63,2 %) nachgewiesen werden.

Meist (n = 123; 74,5 %) etablierte sich die Infektion mehr als 6 Wochen nach Frakturversorgung (73,1 %) bzw. Endoprothesen-Implantation (77,2 %). Es bestand kein Unterschied zwischen S. aureus - (76,4 %) und S. epidermidis -assoziierten (71,8 %) Infektionen. Korrespondierend lag eine Früh-Infektion in einem Viertel der Fälle (n = 42; 25,5 %) vor.

Das Langzeitergebnis konnte im Mittel 28 Monate (15–43 Monate) nach Aufnahme in die Studie bei 81,2 % der Studienteilnehmer erhoben werden. Während dieses Nachuntersuchungs-Intervalls waren bei nahezu allen Patienten (n = 126; 94,0 %) mehrfache operative Revisionen (mehr als eine) notwendig, um den Krankheitserreger zu eradizieren und die Funktion der betroffenen Extremität wiederherzustellen. Ein einzeitiger Wechsel des Implantat-Materials (Gesamtkollektiv: n = 8; 6,0 %) konnte sowohl bei S. aureus - (n = 2; 3,4 %) als auch bei S. epidermidis - (n = 6; 8,6 %) assoziierten Infektionen nur selten durchgeführt werden. Nach initialer Eradikation des Krankheitserregers ist es bei einem Drittel der Betroffenen (n = 45; 33,6 %) zu einem Wiederauftreten einer Infektion mit positivem Keimnachweis gekommen. Im Gesamtkollektiv wiesen 7 Patienten eine persistierende Infektion im Sinne einer Dauerfistel auf, wobei kein wesentlicher Unterschied zwischen den Bakterienspezies detektiert werden konnte.

Eine Ausheilung der betroffenen Extremität konnte bei 81,3 % der Patienten (n = 109) erreicht werden. Die statistischen Analysen erbrachten jedoch einen signifikanten Unterschied zwischen S. aureus- (n = 53; 91,4 %) und S. epidermidis- (n = 54; 77,1 %) assoziierten Infektionen. Bei Letzteren lag zum Nachuntersuchungszeitpunkt noch in knapp einem Viertel der Fälle eine andauernde Therapie, ein interventionspflichtiger Befund oder eine persistierende Infektion vor.

Die Nachuntersuchung erbrachte, dass Patienten nach Implantat-assoziiertem Infekt der unteren Extremität unter erheblichen funktionellen Einbußen (mittlerer LEFS Skalenwert: 42,0; 3–80) sowie einer deutlich geminderten körperlichen (mittlerer körperlicher SF-12 Skalenwert: 34,4) Lebensqualität leiden. Ein sehr gutes funktionelles Ergebnis mit Wiederherstellung der Gelenkfunktion sowie der Beinlänge oder -Achse konnte bei 44,0 % der Betroffenen (n = 59) erreicht werden. Eine mittlere Beinlängendifferenz von 2,3 cm ist bei 68 Patienten verblieben, wobei verstärkt Patienten mit einem S. epidermidis-Infekt betroffen waren. Neben den funktionellen Beeinträchtigungen wiesen die Patienten auch eine Kompromittierung des psychischen Gesundheitszustands (mittlerer mentaler SF-12 Skalenwert: 48,0) auf. Zusammenfassend zeichnete sich nach S. aureus-assoziierter Infektion ein tendenziell besseres Langzeitergebnis als nach Implantat-Infektion mit S. epidermidis ab.

Vergleicht man Infektionen nach Frakturversorgung mit Endoprothesen-Infektionen, können ein im Wesentlichen indifferenter klinischer Verlauf und gleiche Ausheilungsraten nachgewiesen werden. Neben einer deutlich erhöhten Amputationsrate leiden Patienten nach infiziertem Oberflächenersatz unter einer eingeschränkteren Funktionalität sowie Mobilität (s. Tab. 2). Kommt es nach osteosynthetisch versorgter Fraktur zur Infektion, so können S. aureus und S. epidermidis im gleichen Maße im Implantat-Lager nachgewiesen werden. Bei Endoprothesen-Infektionen überwiegt S. epidermidis als verursachender Krankheitserreger.

Diskussion

Diese Studie konnte zeigen, dass Patienten mit einer Implantat-assoziierten Infektion, verursacht durch S. aureus oder S. epidermidis , unter einem protrahierten Heilungsverlauf sowie erheblichen funktionellen Beeinträchtigungen und einer geminderten Lebensqualität leiden. Trotz mehrfacher Revisionseingriffe ist es bei einem Drittel der Betroffenen zu einem Wiederauftreten einer Infektion am behandelten Knochen oder Gelenk gekommen. Eine Ausheilung mit Eradikation des Infekts und abgeschlossener Behandlung konnte nach 2,3 Jahren bei über 80 % des Gesamtkollektivs erreicht werden, wobei eine signifikant schlechtere Heilungsrate bei S. epidermidis-assoziierten Infektionen nachgewiesen werden konnte. Auch die funktionellen Ergebnisse und die Lebensqualität waren nach S. epidermidis-versursachter Infektion im Vergleich zu S. aureus deutlich minimiert. S. epidermidis stellt somit nach Einschätzung der Autoren nicht den kleinen Bruder von S. aureus dar und sollte nicht, wie in vereinzelter Literatur [1] postuliert, zurückhaltender behandelt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass klinische S. epidermidis -Isolate ausgeprägte Antibiotika-Resistenzspektren und in 75–90 % der Fälle eine Methicillin-Resistenz aufweisen [19].

Unsere Ergebnisse belegen Daten aus der Literatur mit Re-Infektionsraten von 12–38 % sowie Heilungsraten von 72–82 % und verdeutlichen, dass sowohl S. aureus als auch S. epidermidis für protrahierte Krankheitsverläufe verantwortlich sind [9, 10, 20]. Bei Patienten mit einer Mischinfektion scheint sich mit einer Heilungsrate von 33 % und Re-Infektionsrate von 83 % der Effekt beider Krankheitserreger zu potenzieren. Aufgrund der geringen Fallzahl von Patienten mit Mischinfektion kann dies lediglich als Trend ohne statistische Aussagekraft gewertet werden, weshalb dieses Kollektiv von der statistischen Analyse ausgenommen wurde.

In unserem Kollektiv manifestierte sich die Infektion überwiegend als Spät-Infektion. Eine Erklärung hierfür ist, dass wir ein selektioniertes Patientenkollektiv behandeln. Der Hauptanteil unserer Patienten wird uns vor allem im Rahmen des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens bei chronifizierten Beschwerden aus einem großen Einzugsgebiet zugewiesen. Früh-Infekte, welche meist unmittelbar postoperativ auftreten, werden im Regelfall vom initialen Operateur behandelt und primär nicht in unser Zentrum verlegt. Möglicherweise erklärt dies auch, dass in dieser Studie selbst bei S. aureus-assoziierten Infektionen nicht vermehrt eine Früh-Infektion nachgewiesen werden konnte. In der Literatur werden virulente Organismen wie S. aureus vor allem für akute Manifestationen und weniger virulente Krankheitserreger wie Koagulase-negative Staphylokokken überwiegend für chronische „low-grade“ Infektionen verantwortlich gemacht [21]. Die höhere Virulenz von S. aureus ist im Studienkollektiv hingegen an einer 5-fach erhöhten Mortalitätsrate (s. Tab. 1) zu erkennen.

Vergleicht man Infektionen nach Frakturversorgung mit periprothetischen Infektionen, so weisen letztere ein eingeschränkteres funktionelles Langzeitergebnis und eine geminderte Lebensqualität auf (s. Tab. 2). Dies und die deutlich erhöhte Amputationsrate nach gescheiterter Rekonstruktion lassen sich durch das wesentlich ältere Patientenkollektiv mit eingeschränkterem Gesundheitszustand erklären.

Diese Studie konzentriert sich auf Infektionen der langen Röhrenknochen der unteren Extremität mit ihren angrenzenden Gelenken. Die Autoren haben versucht, durch Eingrenzung der Einschlusskriterien ein homogenes und vergleichbares Kollektiv zu schaffen. Eine noch präzisere Eingrenzung und Gruppierung wäre erstrebenswert, ist aber bei einer monozentrischen Studie aufgrund abnehmender Fallzahlen im Hinblick auf die statistische Analyse und Aussagekraft nicht umsetzbar. Implantat-Infektionen des Fußskeletts wurden von der Untersuchung ausgeschlossen, da diese aufgrund der oft prekären Weichteilsituation und kompromittierten Durchblutung eine besondere Entität darstellen.

Eine wesentliche Limitation dieser Studie ist das mit 28 Monaten kurze Nachuntersuchungsintervall. Die Dokumentation von Antibiotika-Resistenzen unter Berücksichtigung der lokalen und systemischen antimikrobiellen Therapie ist in dieser Studie nicht durchgeführt worden und würde weitere interessante Informationen liefern.

Die wichtigsten klinischen Ziele der Behandlung von Implantat-assoziierten Infektionen sind die Eradikation des Krankheitserregers, die Prävention einer Re-Infektion, die Wiederherstellung der Funktionalität und eine Reduktion der Mortalität [1]. Die Studie verdeutlicht, dass diese Ziele schwer zu erreichen sind und dass die Behandlung von Implantat-Infektionen in der Orthopädie und Unfallchirurgie einen interdisziplinären Ansatz fordert. Neben der optimalen operativen Versorgung spielen sowohl die rationale Antibiotika-Therapie als auch die Behandlung der Grunderkrankungen eine erhebliche Rolle, um ein gutes funktionelles Ergebnis zu erzielen und Komplikationen zu vermeiden. So ist es bei weltweit steigenden Antibiotika-Resistenzen unumgänglich, die Grundprinzipen der lokalen und systemischen Antibiotika-Therapie einzuhalten [1, 21] und nach Möglichkeit diese im Rahmen eines sog. „antibiotic stewardship“ mit einem klinischen Infektiologen abzustimmen [22].

Behandlungsrichtlinien, wie beispielsweise die im Jahre 2014 veröffentlichte „Konsensus Empfehlung für die Behandlung von Endoprothesen-Infektionen“ fassen den aktuellen Wissensstand zusammen und können einen wichtigen Wegweiser im klinischen Alltag darstellen [23–27].

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internationalen Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. Mario Morgenstern

BG–Unfallklinik Murnau

Prof.-Küntscher-Str. 8

82418 Murnau

Mario.Morgenstern@bgu-murnau.de

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Fussnoten

1 Berufsgenosenschaftliche Unfallklinik Murnau

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